EU Kommission: Auch Ministerien müssen Whistleblowerschutzkanäle einrichten

Brüssel | analogo.de – Die Kommission der Europäischen Union fordert auch von Ministerien, Whistleblowerschutzkanäle gemäß der Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 einzurichten. Die schriftliche Nachricht erhielt analogo.de von der EU-Generaldirektion Justiz und Verbraucher, Gleichstellung und Rechtsstaatlichkeit, Pressesprecherin Jördis Maria Ferroli auf Anfrage. EU-Kommissionssprecher Christian Wigand war in den Schriftverkehr kopielesend eingebunden.

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Obere und oberste Bundes- und Landesbehörden kommen regelmäßig mit gesetzeswidrigen Begebenheiten in Berührung. Die hier arbeitenden Beamten und Angestellten brechen in der Regel nicht den staatlich verordneten Maulkorb, auch aus Angst ihren gut bezahlten Job zu verlieren. Lieber halten sie den Mund, als sich in den Dienst des Rechtes zu stellen.

Daher hat es die schriftliche Mitteilung der EU-Kommission in sich. Ferroli schreibt analogo.de:

„Ministerien sind in der Tat verpflichtet, interne Meldewege für ihre Mitarbeiter einzurichten. Gemäß Artikel 8 Absatz 1 der Richtlinie 2019/1937 „stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass juristische Personen des privaten und öffentlichen Sektors Kanäle und Verfahren für die interne Berichterstattung einrichten […].“

Weiter hebt Ferroli durch Fettmarkierung hervor:

„In Absatz 9 dieses Artikels heißt es: „Absatz 1 gilt für alle juristischen Personen des öffentlichen Sektors […].“

Dank der Europäischen Union kann sich Deutschland auf mehr Gerechtigkeit freuen. Bis zum 17. Dezember muss die EU-Richtlinie 2019/1937 in deutsches Recht transponiert sein. Sollte die Ampelkoalition aus SPD, Bündnis90/Die Grünen und der FDP zustande kommen, befinden sich mit der freiheitsliebenden FDP und den gerechtigkeitsliebenden Grünen zwei Kräfte in der Bundesregierung, die die gewohnt transparenzvertuschenden Genossen der SPD diesbezüglich vor sich her treiben dürften.

Ministeriale Whistleblower wie Stephan Kohn (SPD), der von CSU-Bundesinnenminister Horst Seehofer vor die Tür gesetzte Referent, würden demzufolge ab dem nächsten Jahr von einem praktischen Kündigungsschutz profitieren. Der Oberregierungsrat aus der Abteilung Krisenmanagement und Bevölkerungsschutz war mit seinen Bemühungen, interne Kanäle innerhalb seines Ministeriums auf offenbares Unrecht hinzuweisen, auf taube Ohren gestoßen. Mangels existierender externer Meldekanäle für Whistleblower gelangten im Zuge seiner Verschriftlichungen Teile des Schriftverkehrs an die Medien. Kohn verlor seinen Job, das gewohnte Los von Whistleblowern.

Gemäß der EU-Richtlinie werden Whistleblower vor Kündigung und Vergeltungsmaßnahmen geschützt sein. Jedwede andere Kündigungsrechtfertigung wie im Falle Stephan Kohns (er habe den offiziellen Briefkopf benutzt) oder vom Robert Bosch GmbH-Whistleblower Karsten vom Bruch (er habe Frauen auf der Toilette bespannt) werden nicht mehr erlaubt sein.

Stephan Kohn hatte offensichtlich keine Kraft, sich – gegen alle Widerstände – durch die Instanzen zu klagen. Der Fall Karsten vom Bruch ist ein Musterbeispiel, wie Arbeitgeber den zweiten Kündigungsgrund hervorholen, kaum scheitern sie vor Gericht mit dem ersten Kündigungsgrund. Der Bosch-Betriebsrat vom Bruch solle Hausfriedensbruch begangen haben, so die Robert Bosch GmbH beim ersten kläglichen Versuch, ihren Hinweisgeber herauszuschmeißen. Im Zuge von Boschs Schmutzkampagne hieß es dann auf einmal, der Mann habe Frauen auf der Toilette bespannt. Die ARD filmt eine der angeblich betroffenen Frauen, und sie sagt, „nichts sei passiert und nichts davon sei wahr“.

In Zukunft werden Mitarbeiter von ihren Arbeitgebern nicht mehr so einfach zerstört werden können. Unabdingbar wird dafür sein, dass Personalchefs, Abteilungsleiter, Firmenbosse und Behördenleiter bei nicht erlaubten Kündigungen im Sinne der Richtlinie mit gravierenden persönlichen Strafzahlungen zu rechnen haben.

Noch ist das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) nicht beschlossen, ein SPD-geführter Entwurf wurde dieses Jahr von den koalitionären Vertuschungspartnern CDU/CSU blockiert. Die zahlreichen kleinen Anfragen der Grünen zum Whistleblowerschutz, so etwa per Drucksache 19/14980 zu externen Meldestellen für Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber, lassen vermuten, dass die Grünen den vielleicht fortschrittlichsten Gesetzesentwurf in der Schublade haben.

Im Sinne der EU-Richtlinie steht es Mitarbeitern in Zukunft frei, ob sie sich überhaupt an den internen Meldekanal wenden oder direkt an den externen Kanal. Ergibt der externe Kanal nach relativ kurzer Zeit kein Ergebnis, werden sich Hinweisgeber an die Öffentlichkeit wenden dürfen – und genießen in diesem Kontext immer noch Schutz vor Kündigung und Vergeltung. Um es mit den Worten von Georgia Georgiadou zu sagen, der stellvertretenden Abteilungsleiterin der EU-Generaldirektion Justiz, auf die Exekutive kommen „kulturelle Veränderungen“ zu.

 

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