Bartels-Langness, Metro, Rewe & Edeka – so sind Whistlerblower bei Schleswig-Holsteins Lebensmittelhändlern geschützt

Kiel | analogo.de – Große Lebensmittelhändler in Schleswig-Holstein nutzen bereits Whistleblowerschutzsysteme, scheuen aber die Öffentlichkeit, wenn es um die Verlautbarung des allgemeinen Schutzes ihrer Mitarbeiter geht. In einer Befragung der 100 größten Arbeitgeber Schleswig-Holsteins war analogo.de dem aktuellen Stand auf der Spur, was die Einführung von Schutzmechanismen im Sinne der EU-Whistleblowerschutzrichtlinie betrifft. Zur Sprache kommt ein Unternehmen aus Kiel, dessen Eigentümer zu den Milliardären Deutschlands zählt, der aber ähnlich der Aldi-Brüder oder des Lidl-Besitzers die Öffentlichkeit scheut.

Lesezeit: 5 Minuten

Wer bei der Bartels-Langness Handelsgesellschaft mbH & Co. KG, Famila, Markant oder in einem Citti-Markt arbeitet, hat irgendwie mit Lebensmitteln und anderen Produkten zu tun. Die EU-Whistleblowerschutzrichtlinie schützt Mitarbeiter vor Kündigung und Repressalien, sollten sie im Bezug zu Lebensmitteln oder Produktsicherheiten grobe Verfehlungen feststellen und sie auf internem oder externen Wege kundtun.

Bis zum 17. Dezember 2021 muss Deutschland die Richtlinie in sein Hinweisgeberschutzgesetz umgewandelt haben, ansonsten werden Millionen an Steuergeldern vergeudet – in Form von Strafzahlungen an die EU. Aller Vorraussicht wird es weitaus weniger Geld sein, als der reichste Mensch Schleswig-Holsteins besitzt.

Hermann Langness heißt der Mann hinter mehr als 80 Famila-Märkten, mehr als 60 Steiskal-Bäckereien, weit verteilten Markant-Supermärkten und Beteiligungen an den Gastroriesen Chefs Culinar und Citti. Chefs Culinar ist der Gastrozulieferer mit den silberfarbenen LKWs. Mit der Kette Das Futterhaus tummelt sich Langness zusätzlich im millionenschweren Tierfuttersegment.

Was Lebens- und Futtermittelrecht betrifft, da gibt die EU den Takt vor. Mit der Verordnung 178/2002 legt sie zum Beispiel allgemeine Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts fest. Hier beschreibt sie auch Details über eine zu errichtende Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit oder legt Verfahren zur Lebensmittelsicherheit fest. Produktrückrufaktionen wie diejenige von Studentenfutter der Carl Wilhelm Clasen GmbH, die in Famila- und Edeka-Märkten verkauft werden, sind hier geregelt.

Nun hat Hermann Langness nicht den Ruf, eine transparente Unternehmensgruppe anzuführen, auch wenn er als Hauptsponsor des Fußballzweitligisten Holstein Kiel im Licht der Öffentlichkeit steht. Einmal versuchte das Manager-Magazin herauszufinden, wie sich Bartels denn am hart umkämpften Lebensmittelmarkt halten kann. Wenn es Kennziffern geht, so das Magazin, blocke er ab.

Die Richtung war klar, Langness gibt sich verschlossen, ein Hinweis darauf, dass Mitarbeiter der Firma den Gesetzmäßigkeiten des Milliardärs ausgeliefert sind. Milliardäre sind immer Milliardäre, weil sie das erwirtschaftete Geld ihren Mitarbeitern vorenthalten. Der faire Unternehmer verteilt sein Einkommen, und hält einen lebensnotwendigen Anteil für sich zurück. Und gibt er es nicht seinen Mitarbeitern, hat aber dennoch so viel, dass er es selber kaum ausgeben kann, dann sponsort er mit seinen Gönnermillionen einen Fußballverein oder sonstige ruhmvermehrende Werbeträger.

Daheim, in seiner Firma, nimmt es Hermann Langness dagegen von seinen Mitarbeitern. Das Manager-Magazin zitiert ihn als „Haudegen“ mit „angriffslustiger“ Geste, Personalkosten seien per se nichts Schlechtes, entscheidend sei, was man dafür bekomme. Welche Welten liegen doch zwischen solch einer Weltanschauung und etwa derjenigen der BMW AG, für die die eignen Mitarbeiter im Mittelpunkt stehen. Wenig verwunderlich gab es bei Bartels-Langness wirtschaftliche Einbrüche, Mitarbeiter sollten „freiwillige Erklärungen“ abgeben, zu 95 Prozent wurde unterschrieben. Als Unternehmer könne man heute beinahe alles durchsetzen, sagte der Gewerkschafter Ulrich Dalibor dem Manager-Magazin.

BKMS System bei Bartels-Langness und METRO

Nun arbeiten für die Bartels-Langness Unternehmensgruppe rund 10.000 Mitarbeiter in Schleswig-Holstein. Der zehntgrößte Lebensmittelhändler Deutschlands hat seinen Hauptsitz in Kiel. Überraschenderweise hat Bartels-Langness ein Hinweisgeberportal implementiert, welches es Mitarbeitern, Kunden, Geschäftspartnern sowie sonstigen Dritten ermöglicht, jederzeit und wenn gewünscht anonym „ein schädliches Fehlverhalten oder einen entsprechenden Verdacht“ zu melden.

In diesem System könne man von überall aus rund um die Uhr einen geschützten Postkasten einrichten und mit den Compliance-Experten kommunizieren. Der interne Kanal sei somit implementiert, womit das Unternehmen zunächst einmal versuche, Problemlagen selber aus dem Weg zu schaffen. Die Betonung liegt auf „geschützten Dialogen“, mithin auf dem wichtigsten Baustein eines effektiven Whistleblowerschutzes. Wer als Mitarbeiter also zum Beispiel offensichtlich gesundheitsschädliche (im Zweifel billige) Waren aus China monieren möchte, dem stehen also bei Bartels-Langness-Firmen interne Kanäle zur Verfügung.

Ob der andere große Lebensmittelhändler im hohen Norden, die Edeka Handelsgesellschaft Nord mbh, seine über 2.000 Mitarbeiter in Schleswig-Holstein schützt, muss offen bleiben, denn die Gruppe antwortete nicht auf unsere Fragen. Vielleicht weil sich Edeka in der Vergangenheit den Ruf einhandelte, pestizidbelastetes Gemüse zu verkaufen, Fleischprodukte mangelhaft zu kennzeichnen, seine eigenen Mitarbeiter zu überwachen oder einen Großteil seiner Mitarbeiter ohne Tarifvertrag für sich arbeiten zu lassen. Wer auf den Webseiten von Edeka Whistleblowing-Informationen sucht, findet dürftige Phrasen, welche „Sozialstandards“ Edeka von seinen Geschäftspartnern erwarte. Wie hier Hinweisgeber geschützt werden, sucht man vergeblich im eiskalten LED-Sternenlicht der Edeka-Märchenwelten.

Offener präsentiert sich der Lebensmittelhändler Metro AG. Der Konzern unterhält in Schleswig-Holstein zwei Gastro-Märkte. Eine Metro-Sprecherin schreibt analogo.de aus der Konzernzentrale in Düsseldorf, um Rechtsvorschriften und selbst gesetzte Verhaltensstandards in der täglichen Unternehmenspraxis einzuhalten, habe die Metro 2007 ein konzernweites Compliance-Programm verabschiedet, welches ein Compliance-Meldesystem beinhalte, welches auch Kunden, Lieferanten und Geschäftspartnern offenstehe. Die Meldung erfolge direkt über das Internet und, sehr begrüßenswert, auf Wunsch anonym.

Durch ständiges Adjustieren auf neue nationale und internationale Rechtsvorschriften sei der Lebensmittelhändler auf das Inkrafttreten des deutschen Hinweisgeberschutzgesetzes gut vorbereitet. De facto nutzt die Metro dasselbe Meldesystem der Firma Business Keeper (BKMS) wie Bartels-Langness.

Was den Kulturwandel betrifft, setze die Metro AG auf Aufklärung, so die Unternehmenssprecherin. Ein Kerninstrument dabei seien verpflichtende Compliance-Schulungen, die entweder als Präsenz- oder E-Trainings durchgeführt würden. Neben Schulungen würden viele andere Kommunikationsformate wie zum Beispiel Compliance-Talks, Poster, Flyer, Intranet, Abteilungsbesuche, Funktions- und Führungskräftekonferenzen sowie Personalentwicklungsveranstaltungen genutzt.

Da Compliance und Integrität für die Metro ein elementarer Bestandteil des täglichen Arbeitens sei, fördere man eine konstruktive und offene Fehlerkultur. „Nur so können Verstöße behoben werden“, sagt die Metro-Sprecherin.

Seit relativ kurzer Zeit ist auch die Rewe-Gruppe in Schleswig-Holstein präsent. In der Kölner Zentrale sitzen die Compliance-Verantwortlichen, im fernen München ein externer Ombudsmann, den Rewe-Mitarbeiter, -Kunden und -Geschäftspartner auch anonym kontaktieren können. Zu den Grundwerten der Rewe GmbH gehört es laut Webauftritt, dass sich Mitarbeiter ihrer Verantwortung bewusst sind und nachhaltig handeln. Die Digitalisierung will man stark vorantreiben. Ein wiederholter Faktencheck zeigt, wie worthülsig diese Phrasen sind, bringt man nur einmal die beiden Unternehmens-Slogans Nachhaltigkeit und Digitalisierung zusammen.

Wiederholte Stichproben zeigen, dass Rewe-Kassierer*innen nicht darüber informiert sind, dass sie über ihre Frage: „Haben Sie eine Payback-Karte?“ personenbezogene Kundendaten absaugen, die ihr Arbeitgeber über einen Kooperationsvertrag an die Payback GmbH verkauft (die diese Daten wiederum an Datenhändler wie der Schober Information Group aus dem baden-württembergischen Ditzingen-Hirschlanden verkauft). Wir berichteten. In einem nachhaltigen Prozess wissen die Beteiligten, was sie tun, warum sie es tun und welche Auswirkungen es hat.

Im siebten Teil unserer Reportage beleuchten wir, inwieweit Agrarhändler in Schleswig-Holstein mit dem Whistleblowerschutz vorangekommen sind. Freuen Sie sich auf Einsichten von Unternehmen wie der aus Dänemark gesteuerten Hauptgenossenschaft Nord AG (HaGe Nord) und der BAT Agrar GmbH (ATR Landhandel) in Ratzeburg.

Whistleblowerschutz bei Lebensmittelhändlern in Schleswig-Holstein. Firmenzentrale von Bartels-Langness in Kiel. Bildrechte: Rainer Winters
Print Friendly, PDF & Email