So schützen Sparkassen und Banken in Schleswig-Holstein ihre hinweisgebenden Mitarbeiter

Kiel, Itzehoe | analogo.de – Wenn es um den Schutz von Hinweisgebern geht, stehen Sparkassen und Banken oft deutlicher im Fokus als Industrieunternehmen. Über Banken werden die großen Transaktionen abgewickelt, wenn es um Geldwäsche, Korruption oder andere finanzinduzierte Betrugsarten geht. Breitflächig sind Finanzinstitute in schmutzige Geschäfte involviert. analogo.de wollte wissen, wie denn die Mitarbeiter in schleswig-holsteinischen Finanzinstituten geschützt sind, wenn sie auf solche Verfehlungen aufmerksam machen. Haben Banken und Sparkassen im hohen Norden bereits jetzt analog der EU-Whistleblowerschutzrichtlinie Mechanismen eingerichtet, die einen effektiven Whistleblowerschutz gewährleisten? Solch ein Schutz wären etwa anonyme Briefkästen, ein unabhängiger Anwalt, und vor allem die ausgesprochene Garantie des internen Verbotes von Repressalien. Im fünften Teil des großen ANA LOGO Reports präsentieren wir hier die Ergebnisse unserer Befragung an Finanzinstitute. Zur Sprache kommen so unterschiedliche Institute wie die Commerzbank und die Sparkasse Westholstein. Im ersten Teil der Reportage führten wir in die Thematik ein, wie es um den Whistleblowerschutz bei Schleswig-Holsteins TOP 100 Arbeitgebern bestellt ist.

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Wer in Schleswig-Holstein an Banken denkt, ist schnell bei der HSH Nordbank AG. Vielleicht weil das in Hamburg Commercial Bank AG umfirmierte Unternehmen eine kriminelle Geschichte hat, hörten wir nichts von der Bank zum Whistleblowerschutz. Falschbilanzierungen, Cum-Ex-Deals, Beihilfe zur Steuerhinterziehung, die Traumata der Bank im hohen Norden scheinen anzudauern.

Ob ein Bankentrauma die Geldstrafe einer Aufsichtsbehörde, die kritikwürdige Aktion der Bank, der Verlust des guten Rufes oder vielleicht doch der Attraktivitäsverlust für potentielle Mitarbeiter ist, sei einmal dahingestellt. Dass die Deutsche Bank AG vor zwei Jahren 16 Millionen Dollar Strafe an die US-Börsenaufsichtsbehörde SEC (United States Securities and Exchange Commission) zahlen musste, dürfte die Bank finanziell besser verkraftet haben als den damit verbundenen Rufverlust.

Die SEC pflegt oft enge Verbindungen zu Whislteblowern. Als Mittelsmann dabei fungieren häufig die Whistleblower vertretenden Anwaltskanzleien. Seit ihrem Start im Jahre 2012 hat die SEC eine Milliarde Euro an 207 Whistleblower ausgeschüttet, die auf Verfehlungen in Unternehmen hingewiesen hatten. Die Gelder entnimmt die SEC aus einem Investorenschutzfonds.

Die Strategie der Amerikaner geht so: Wer gegen US-Recht und insbesondere US-Wertpapierrecht verstößt, muss an die USA eine Strafe zahlen. Dies gilt auch für Fälle, wo Banken gegen Länderembargos verstoßen. Die USA definieren Länder, mit denen man Geschäfte machen darf bzw. nicht machen darf. Wer gegen die Regeln verstößt, muss zahlen oder riskiert seine Handelsposition an Börsen und Wirtschaftsstandorten in den USA.

Vor wenigen Jahren zahlte die Commerzbank eimal eine Milliardenstrafe an die US-Behörden, nachdem sie Geschäfte für iranische und sudanesische Kunden abgewickelt hatte. Das Handelsblatt berichtete, wie die Commerzbank in diesem Zusammenhang auf Druck der US-Behörden vier Mitarbeiter gefeuert hatte, vor Gericht aber zurückgepfiffen wurde. Auch die Allianz AG wurde für unsaubere Geschäfte (in Indonesien) zur Kasse gebeten. Kleine Finanzinstitute wie die Förde Sparkasse AöR in Kiel werden dagegen diesbezüglich eher nicht zur Kasse gebeten, weil sie nicht an US-Börsen notiert sind.

Für die USA nehmen Deutsche zahlenmäßig Platz 2 unter allen ausländischen Whistleblowern ein. Alleine 2019 gaben deutsche Staatsbürger in 44 Fällen Hinweise an US-amerikanische Behörden, weil sie in Deutschland keiner anhörte, als sie auf Unrecht im Finanzsektor oder anderen Sektoren hinweisen wollten. Der Wirecard-Skandal, in den viele deutsche Finanzinstitute und Behörden verwickelt sind, legt zahlreiche Sollbruchstellen offen, die einen Hinweis darauf geben, warum solche Skandale in Deutschland systemisch möglich sind.

Der Wirecard-Whistleblower Pav Gill ist kein Deutscher und lebt auch nicht in Deutschland. Jahrelang blieb er anonym, während die Financial Times den Skandal auf der Basis seiner Hinweise publik machte. Pav Gill betonte mehrfach, wie wenig er sich deutschen Strafverfolgungsbehörden und ja dem ganzen deutschen System anvertrauen konnte. Deutschland ist ein mieses Pflaster, was Integrität und Menschlichkeit betrifft. Die Financial Times und Pav Gill haben es erfahren. Sie wissen, wovon sie sprechen.

Der Spagat zwischen Geldkontrollgesetzen und Mitarbeiterschutz

In diesem Kontext stehen deutsche Finanzinstitute vor dreierlei Herausforderungen: Die Herkunft des internationalen Geldes erkennen und entscheiden, ob das Geld „sauber“ ist oder gewaschen werden soll. Zweitens die globalen Rechtsakte kennen und beachten. Und drittens die Mitarbeiter in diesem Konvolut nicht aufzureiben. Denn kaum ein einzelner Mensch vermag die ganze Rechtsprechung in diesem Sektor zu überblicken und einzuordnen. Der zeitgleich an Spiegel und analogo.de durchgereichte Leak der Whistleblowing-Richtlinie der Deutschen Bank hatte unter anderem für Aufsehen gesorgt, weil hier für die Öffentlichkeit sichtbar wurde, in welchem Fegefeuer sich Mitarbeiter bewegen, die in der Geldbranche arbeiten.

Seit Jahren unterliegen Banken einem Katalog von Geldkontrollgesetzen wie dem Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten, dem Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz oder dem Gesetz über das Kreditwesen. Die EU gibt den Marsch vor mit Verordnungen wie derjenigen über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps (236/2012) und Europäische Risikokapitalfonds (345/2013) oder Richtlinien wie diejenigen über die Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung der Tätigkeit von E-Geld-Instituten (2009/110) und die Verwalter alternativer Investmentfonds (2011/61).

Der Bogen reicht von der Richtlinie zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung (2015/849) über die Richtlinie über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen (2006/43) bis hin zu Verordnungen wie derjenigen über Indizes, die bei Finanzinstrumenten und Finanzkontrakten als Referenzwert oder zur Messung der Wertentwicklung eines Investmentfonds verwendet werden (2016/1011). Bankmitarbeiter können längst ein Lied von internen Whistleblowingrichtlinien singen, doch legt die EU nun eine Latte drauf.

Die Welt ist komplex, und man fragt sich, wie einzelne Bankmitarbeiter alles regelwidrige Verhalten erkennen sollen. Ein Beispiel: Die deutsche Airline Lufthansa bedient seit Jahren die Hauptstädte Teheran und Khartum, und das würde sie nicht tun, wäre die deutsche Wirtschaft hier nicht aktiv. Was geschähe wohl mit einer umsichtigen Bankmitarbeiterin, die Monate vor einer Millionenstrafe Transaktionen der Bank im Kontext Sudan oder Iran bemerkt und dies bei seiner Chefin „anmerkt“?

Wie also gehen Banken damit um, wenn das bevorstehende deutsche Hinweisgeberschutzgesetz deren Mitarbeiter extra stark schützen wird? Stehen die Banken in Schleswig-Holstein in den Startlöchern, als dass sie bereits funktionierende interne Meldestellen eingerichtet haben? Wie weit sind deren Vorbereitungen bezüglich des Hinweisgeberschutzgesetzes gediegen? Und als breiter angelegte Frage: Wie stehen Banken hierzulande zu der Tatsache, dass Whistleblowing einen anderen Stellenwert in der Gesellschaft einnehmen wird?

Die Bank mit viel Erfahrung

Die Commerzbank hat zwar angekündigt, in Schleswig-Holstein rund die Hälfte ihrer Filialen zu schließen. Insgesamt bleibt die Bank aber ein großer Arbeitgeber im Land. Eine Pressesprecherin der Commerzbank AG schreibt analogo.de aus der Zentrale in Frankfurt, der Commerzbank-Konzern bekenne sich in seinen Unternehmenswerten zu integrem Verhalten im Umgang miteinander und mit seinen Kunden. Man setze sich daher mit Nachdruck dafür ein, Fehlverhalten einerseits vorzubeugen und andererseits zu ahnden. Dies bedeute auch, dass die Bank offen für Hinweise sei, die zur Aufklärung von wirtschaftskriminellen Handlungen und Verstößen gegen gesetzliche, regulatorische oder interne Anforderungen im Zusammenhang mit der Commerzbank führen.

„Deshalb unterstützen und schützen wir alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die regelwidriges Verhalten erkennen und melden“, so die Sprecherin gegenüber analogo.de. Wer in gutem Glauben einen Verdacht auf wirtschaftskriminelle Handlungen, Gesetzesverstöße oder Verstöße gegen regulatorische und interne Anforderungen melde, erfahre sicher keine Vergeltungs- oder Disziplinarmaßnahmen.

Weiterhin: Er oder sie müsse auch nicht mit anderen nachteiligen beruflichen Konsequenzen rechnen – unabhängig davon, ob sich dieser Verdacht schließlich bewahrheitet oder nicht. Das gelte für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Kundinnen und Kunden sowie Geschäftspartnerinnen und Geschäftspartner gleichermaßen.

Im Kontext von Heike Pauls schreibt die Financial Times, seit rund zwei Jahren sei es in Deutschland einfacher, hochbezahlte Bankenführungskräfte zu entlassen. Eine eng definierte Gruppe von hochverdienenden Führungskräften sei aber von den Gesetzen ausgenommen. Darunter würden nur leitende Angestellte von Großbanken fallen, die mindestens 234.000 Euro im Jahr verdienen und als „Risikoträger“ gelten, deren Entscheidungen einen „wesentlichen Einfluss auf das Risikoprofil“ ihres Arbeitgebers hätten. Wie viele „Risikoträger“ unter den rund 1.000 Mitarbeitern der Commerzbank in Schleswig-Holstein (Schätzung Innofact 2018) liegen, wäre eine spannende Recherchefrage für einen späteren Artikel. Pauls hatte für die Commerzbank als Wirecard-Analystin gearbeitet, bevor sie vor die Türe gesetzt wurde – und eine Klage gegen ihre Arbeitgeberin gewann.

Die Pressesprecherin schreibt weiter, unabhängig von der Person und Position der oder des Betroffenen untersuche die Commerzbank fragwürdige Vorgänge und Sachverhalte. Das könne zu arbeitsrechtlichen Maßnahmen, aber auch zu strafrechtlichen und zivilrechtlichen Konsequenzen führen. Die Commerzbank prüfe bei jedem Vorfall, wie sie vergleichbare Verstöße durch veränderte Prozesse und Strukturen künftig ausschließen könne.

Die Commerzbank gehört zur großen Schar derjenigen Unternehmen, die das Business Keeper Monitoring System (BKMS-System) nutzt, ähnlich wie die schleswig-holsteinischen Lebensmittelhändler Bartels-Langness oder die Metro. Kunden, Mitarbeiter und auch Dritte könnten hier online, namentlich oder unter Wahrung ihrer Anonymität, Hinweise an die Commerzbank geben, so die Sprecherin. Man merkt, dass sich die Bank proaktiv mit Whistleblowing beschäftigt.

Die Bank mit wenig Erfahrung?

Der pure Gegensatz ist bei der Sparkasse Westholstein AöR festzustellen. Nun hat die Sparkasse mit Sitzen in Itzehoe und Heide keine Bilanzsumme wie die Commerzbank, die letztes Jahr bei über 500 Milliarden Euro lag, also leicht höher als der Bundeshaushalt der gesamten Bundesrepublik Deutschland. Von den vier Milliarden Bilanzsumme der Sparkasse entfallen rund 80 Prozent auf Kredite bzw. den Äquivalenzposten in der Bilanz, die Einlagen.

Schon der erste Anruf bei der Sparkasse lässt schmunzeln. Wir von der Redaktion würden gerne mit der Presseabteilung sprechen. „Worum geht es denn?“, fragt eine freundliche aber neugierige Stimme. Man bemerke den unprofessionellen Kommunikationsansatz. Journalisten besprechen mit Presseabteilungen oftmals sensible Inhalte. Aus diesem Grunde müsste die Person an der Vermittlung das Telefonat in die Abteilung durchstellen. Aber nein, sie will wissen, worum es geht.

Wenn in hamburgnahen Finanzinstituten solch eine vertrauensselige Offenheit herrscht, wie ist es dann hier wohl mit der Fehlerkultur bestimmt? Die Antwort von Unternehmenssprecher Lars Lohmann gegenüber analogo.de verwundert nicht mehr: Der Sparkasse sei es wichtig, Hinweise über mögliche Verstöße gegen gesetzliche Regelungen zu erhalten. Man biete den Mitarbeitern die offene Ansprache der unmittelbaren Vorgesetzten an – zusätzlich zu einer Meldung über das Hinweisgebersystem.

Der Ansatz ist löblich, zuerst den Hierarchieweg zu gehen. Im relativ umsatzbescheidenden Itzehoe mögen alle Interessen, also die von Bank und Mitarbeitern, bedient werden. Das Hinweisgeberschutzgesetz wird aber genau wegen der Erfahrung kommen, weil eben diese Unternehmenskultur zu Nachteilen auf Seiten der Mitarbeiter führte. So liegen auch analogo.de Hinweise von ehemaligen Mitarbeitern schleswig-holsteinischer Sparkassenmitarbeiter vor, die auf weit verbreitetes Mobbing in Sparkassen hindeuten, nachdem Mitarbeiter Probleme offen ansprachen.

Immerhin, Sprecher Lars Lohmann erwähnt, dass die Sparkasse ein Hinweisgebersystem habe und hier auch anonyme Meldungen abgegeben werden könnten. Am Telefon sagt Lohmann noch, die EU-Whistleblowerschutzrichtlinie sei bislang bei der Sparkasse Westholstein „noch kein Thema“ gewesen.

Wie weit Lebensmittelhändler in Schleswig-Holstein mit dem Whistleblowerschutz vorangekommen sind, ist Gegenstand des sechsten Teils unserer Reportage. Hier beleuchten wir Unternehmen wie Bartels-Langness Handelsgesellschaft mbH & Co. KG, die Metro AG und die Edeka Stiftung & Co. KG. Bleiben Sie dran.

Wieviel Transparenz braucht es im Whistleblowerschutz? Sky-Gärten im Commerzbank Gebäude in Frankfurt am Main. Bildrechte: Nigel Young (Foto: Commerzbank AG / Foster + Partners)
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