Bundestagswahl 2021 – Unklare Bezeichnung auf Wahlscheinen könnte zigtausende ungültige Stimmen produzieren

Berlin | analogo.de – Als ob es den Regierenden nicht darum geht, dass möglichst viele Menschen zur Wahl gehen und eine gültige Stimme abgeben. Ein Blick auf die Wahlscheine zur Wahl des 20. Deutschen Bundestages offenbart eklatante Ungewissheiten. Wähler werden in die Irre geführt und könnten den Wahlschein an der falschen Stelle unterschreiben, wonach ihre Stimme ungültig wäre. Auf Anfrage von analogo.de verweist der Bundeswahlleiter auf das Bundesinnenministerium (BMI), welches zunächst keinen Fehler ausmacht. Dann rudert das BMI zurück. Die Bundestagswahl könnte annuliert werden.

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Millionen Menschen werden ihre Bundestagskandidaten dieses Jahr per Briefwahl wählen. Auf den Wahlscheinen für die Wahl zum Deutschen Bundestag am 26. September 2021 sollen Wählerinnen und Wähler am Ende ihre Versicherung an Eides statt zur Briefwahl geben. Hier heißt es:

Ich versichere gegenüber dem Kreiswahlleiter/der Verwaltungsbehörde des Kreises/der mit der Durchführung der Briefwahl betrauten Gemeindebehörde an Eides statt, dass ich den beigefügten Stimmzettel persönlich – als Hilfsperson 4) gemäß dem erklärten Willen des Wählers – gekennzeichnet habe.

Nun stehen Wähler vor der Frage: Unterschreibe ich links oder rechts?

Links heißt es: Unterschrift des Wählers/der Wählerin.

Rechts steht: Unterschrift der Hilfsperson 4). Darunter sind Name und Adresse einzutragen.

Soweit so klar. Unter Fußnote 4 steht eine für diesen Artikel relativ unbedeutende Information:

Wähler, die des Lesens unkundig oder wegen einer Behinderung gehindert sind, den Stimmzettel zu kennzeichnen, können sich der Hilfe einer anderen Person bedienen. Die Hilfeleistung ist auf technische Hilfe bei der Kundgabe einer vom Wahlberechtigten selbst getroffenen und geäußerten Wahlentscheidung beschränkt. Unzulässig ist eine Hilfeleistung, die unter missbräuchlicher Einflussnahme erfolgt, die selbstbestimmte Willensbildung oder Entscheidung des Wahlberechtigten ersetzt oder verändert oder wenn ein Interessenkonflikt der Hilfsperson besteht. Die Hilfsperson muss das 16. Lebensjahr vollendet haben. Sie hat die „Versicherung an Eides statt zur Briefwahl“ zu unterzeichnen. Außerdem ist die Hilfsperson zur Geheimhaltung der Kenntnisse verpflichtet, die sie durch die Hilfeleistung erlangt hat. Auf die Strafbarkeit einer im Rahmen zulässiger Assistenz entgegen der Wahlentscheidung des Wahlberechtigten oder ohne eine geäußerte Wahlentscheidung des Wahlberechtigten erfolgten Stimmabgabe wird hingewiesen.

Nun kann der Satzteil „[…] persönlich – als Hilfsperson […] gekennzeichnet habe so gelesen bzw. interpretiert werden, dass Wähler*innen geneigt sind, auf der rechten Seite zu unterschreiben, weil die beiden Worte „persönlich – Hilfsperson“ durch einen Bindestrich verbunden sind. Verständlicher wäre gewesen: „[…] persönlich für mich selber oder als Hilfsperson […]. Grammatikalisch und kontextual ist der Wortlaut falsch und irreführend.

Auf Nachfrage von analogo.de teilte das Bundesinnenministerium zunächst am 10. September mit:

„Die Fußnote zur Erläuterung dieser Passage des Formulars fordert dazu auf, Nichtzutreffendes zu streichen. Die in der Frage konstruierte Konstellation, dass ein Wähler nicht unterschreiben möchte, „Hilfsperson für sich selber“ zu sein, kann bei ordnungsgemäßer Ausfüllung des Formulars also nicht auftreten, weil die nur für eine Hilfsperson geltende Formulierung in diesem Falle zu streichen ist.“

Angesprochen auf die Tatsache, dass auf den Wahlscheinen eben keine „ausdrückliche“ Aufforderung steht, „Nichtzutreffendes zu streichen“, verbessert sich das BMI gegenüber analogo.de und verweist auf die Fußnote 4 zu Anlage 9 von Paragraph 26 der Bundeswahlordnung.

Später gibt das BMI zu, dass es doch keine „ausdrückliche“ Aufforderung gibt. Es korrigiert sich, diese Aufforderung sei bei der Ergänzung der Angaben im Text der Fußnote durch Artikel 2 Nummer 6 des Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes und anderer Gesetze vom 18.6.2019 (BGBl. I S. 834) nicht wieder aufgenommen worden. Auf die Aufforderung zur Streichung des Nichtzutreffenden sei verzichtet worden, weil aus der Bezeichnung der beiden Stellen zur Unterschrift eindeutig hervorgehe, dass entweder als Wähler oder als Hilfsperson zu unterschreiben sei.

Fazit: Da die Eindeutigkeit ganz klar eben nicht gegeben ist, könnten zigtausende fehlgeleitete Wählerstimmen ungültig sein. Das Ergebnis der Bundestagswahl könnte nicht anerkannt werden. Denn Wähler sollen ihre Unterschrift an Eides statt abgeben. Wer aber eine falsche eidesstattliche Erklärung abgibt, könnte bis zu drei Jahre ins Gefängnis kommen oder mit einer saftigen Geldstrafe belangt werden (StGB § 156).

Auch wenn wohl wegen der Unterschrift auf der falschen Seite kaum jemand zu einer Haftstrafe verurteilt wird, dürften nicht wenige Wähler sicherheitshalber auf der rechten Seite unterschreiben. Wähler könnten geneigt sein, in den vorgesehenenen Feldern auf der rechten Seite ihren Namen und ihre Adresse einzutragen. Denn wo sonst sollte man das machen – auf einem Wahlschein?

Wahlscheinmuster Bundestagswahl 2021
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