Wird es gerecht, wenn es nachhaltig ist? Eine Analyse

Brasilia, Berlin | analogo.de – In Fortsetzung unseres letzten Beitrags zur Nachhaltigkeit beleuchten wir heute die Kondratieff-Zyklen, um uns über den Pfad des vergeistigten Begriffs von Gerechtigkeit den Schwächen von Demokratien zu nähern. Denkt man an Nachhaltigkeit, denken viele an Holz. Ein forstwirtschaftliches Prinzip im Deutschland des 17. Jahrhunderts besagt, dass nicht mehr Bäume gefällt werden sollen als nachwachsen können, um einen kalkulierbaren Holzertrag zu garantieren. Die Natur dient der funktionalen Sicherstellung des menschlichen Konsums. Ist dieses Prinzip bei der Nutzung erneuerbarer Ressourcen noch relativ leicht anwendbar, stellt sich die Frage, wie eine nachhaltige Nutzung nicht-erneuerbarer Ressourcen aussieht. Welche Beeinträchtigung können Ökosysteme verkraften, bevor ihre Funktionsweise irreversibel erlischt?

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Eine Rechenbarmachung bietet sich an, um vom Niveau des Allgemeinen zu konkreten Aussagen zu kommen. Die Ehrlich-Gleichung bietet eine gute Formel mit wichtigen Faktoren an. Das SEK-Konzept (Suffizienz, Effizienz und Konsistenz) mag aus Sicht der OECD-Länder eigenen Fortschritt in nachhaltiger Entwicklung messbar machen. So kann man in westlichen Ländern gut errechnen, wie der Anteil der Recyclingrate für Plastik in fünf Jahren gestiegen ist. Doch in Ländern ohne eine vergleichbare Infrastruktur, in denen es zum Beispiel nicht einmal ein Telefonbuch gibt (wie in der UdSSR vor 1990), dürfte dieser Managementansatz nicht durchsetzbar sein. Während Suffizienz und Konsistenz in diesem engeren Sinne eher die Reichen dieser Welt ansprechen, wird die Technik für die effizienten Maßnahmen ebenfalls größtenteils in den reichen OECD-Ländern produziert. Unter Berücksichtigung der teils enormen Einkommensunterschiede in Deutschland und weltweit muss allerdings bezweifelt werden, ob dieses Konzept attraktiv genug ist, als persönliche Handlungsmaxime zu dienen.

Ökonomie und Gerechtigkeit

Die Idee der Kondratieff-Zyklen zeigt die fünf ökonomischen Wachstumspfade seit Ende des 18. Jahrhunderts auf. Da gemäß von Weizsäcker ein weiterer expansiver Wachstumszyklus nicht mehr machbar ist, kann der nächste Zyklus nur ein der Ökologie geschuldeter kontraktiver Zyklus sein, der sich vor allem durch eine bessere Ressourcenproduktivität auszeichnet. Obwohl viele Diskussionsführer die große moralische Botschaft der Suffizienz predigen, zeigen Techniker auf, dass der „westliche“ Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung eher im Herstellen von effizienter Technik besteht. Würde man allein die heutigen Konsummuster Europas auf die restlichen Staaten der Erde übertragen, so dürfte die Welt bald an ihre Grenzen der Ernährungssicherheit gestoßen sein.

Unsicher bleibt, welche Bedürfnisse eine nächste Generation hat. Das erschwert eine gute Definition von Gerechtigkeit. Sie zielt im weiteren Sinne auf einen für alle Beteiligten befriedigenden Ausgleich zwischen den jeweils erhobenen Ansprüchen. Bei Gerechtigkeit auf Augenhöhe gewinnt eine gerechte Verteilung ihre Normativität durch Beschluss der Beteiligten. Angehörige späterer Generationen haben aber keinen Anteil am Beschluss zur Gerechtigkeit, noch können sie einen Angehörigen einer früheren Generation sanktionieren. Trotz dieses Dilemmas etabliert sich die neue humanistische Einsicht einer selbst auferlegten Verantwortung als Herausforderung zum Handeln.

Sozial-historische Gerechtigkeitsanalysen veranschaulichen die gewandelte Teilhabe am Reichtum: Zu Zeiten Ludwig XIV. betrug das Einkommensverhältnis der reichsten 10 Prozent zu den ärmsten 90 Prozent 1 zu 5, in den 70’er Jahren des 20. Jahrhunderts in Deutschland 1 zu 800 und 30 Jahre später in Deutschland 1 zu 4.000. Das Konzept der starken Nachhaltigkeit steht bei Beckmann in der Kritik, jede Milderung menschlichen Leids dem vollständigen Erhalt der natürlichen Kapitalstocks unterzuordnen. Die Armen liefen dabei in Gefahr, noch ärmer zu werden.

Die soziologische These vom Gen-Egoismus führt Thomas Mohrs gar zur Annahme, dass Menschen un-fit für Nachhaltigkeit sind. Angesichts global großer sozialer Unterschiede scheint das hehre Ziel einer global gerechten Welt mit einer gesunden Ökonomie und Ökologie trotz Ansätzen von „Global Governance“ mittelfristig nicht erreichbar. Auf der anderen Seite wird die Diskussion genau an der richtigen Stelle geführt, nämlich in den Ländern mit dem größten ökologischen Fußabdruck.

Jedem das Seine – Völker leben unterschiedlich

Der große Spagat im globalen Nachhaltigkeits-Diskurs kann gelingen, wenn eine Formel gefunden wird, die die unterschiedlichen Lebensweisen der Völker angemessen berücksichtigt. Dabei muss berücksichtigt werden, dass der Fokus der meisten Menschen auf der Erde tendenziell zeitlich kurzfristiger Natur ist, ähnlich dem Hans im Glück, der eher am unmittelbaren Gebrauchswert der Dinge interessiert war. Glück bedeutete ihm, frei von aller Last zu sein, kein Gewinnstreben zu haben und daher auch nichts aufzubewahren. Das ökonomisch-planerische Modell der starken Nachhaltigkeit mag daher keine Antwort auf diese Art von Lebensführung geben. Auf viele Generationen planende Nachhaltigkeit muss dieses „andere“ Verständnis vom Wert der Dinge einkalkulieren.

Der Gedanke der nachhaltigen Entwicklung findet dennoch Einzug in die juristischen Regelwerke der Staaten, wobei die Formulierungen allgemeiner und liberaler Prägung sind. Das im deutschen Einigungsvertrag enthaltene „Trias der Umweltprinzipien“ als Anleitung zum Handeln formuliert zumindest für den ressourcen-verbrauchenden Teil der Welt Prinzipien für einen nachhaltigen Konsum. Im Detail sind dies die Prinzipien Vorsorge (Schonender Umweltnutzen und Minimierung von Risiken), Kostenzurechnung für Verursacher und freiwillige Kooperation als gemeinschaftliche Aufgabe von Staat und Bürgern. Nachhaltigkeit soll machbar sein, seinen Anwendern nicht das Unmögliche abverlangen.

Doch sehen viele Autoren, dass bei zu liberalem Nachverfolgen von nachhaltigem Wirtschaften (Fischerei, Energie, etc.) und letztendlich nachhaltiger Entwicklung die Gefahr der Zerstörung der Natur. Die Erde würde bei schwacher Nachhaltigkeit zerstört. Gerhard Scherhorn und C. Henning Wilts schlagen mit dem sogenannten „Kritischen Naturkapital“ eine stärkere sprachliche Hervorhebung des Gedankens von endenden Ressourcen vor.

Schließlich möchte ich bezweifeln (Red. im Sinne von anregen), ob es nicht notwendiger Teil sozialer Nachhaltigkeit ist, dass Kulturen wie die Yanomani-Indianer Verantwortung für ihr eigenes Leben übernehmen dürfen. Derzeit führen die höheren Entscheidungsträger wie die Parlamentarier in Brasilia die Debatten, während untere Entscheidungsträger (ohne Lobby) an Autonomie verlieren – um im weiteren Sinne die Welt zu retten. Dies veranschaulicht die Komplexität von nachhaltiger Entwicklung.

Dieser Beitrag ist Teil 2 einer universitären Abschlussarbeit, die im Studienfach Umweltethik mit der Note 1,0 bewertet wurde. Die Fortsetzung liest Du in unserem nächsten Blogeintrag. Auf Wiedersehen auf analogo.de.

Nachhaltigkeit ist wie das sichere Kommen und Gehen der Sonne. Bildrechte: Rainer Winters