Weltschmerz-Konzert in Kiel: Supertramp’s Roger Hodgson verzaubert 8.000 Fans

Kiel | analogo.de – Supertramp’s Traumstimme Roger Hodgson hat Kiel verzaubert. Rund 8.000 Besucher erlebten gestern abend in der Sparkassen-Arena vielleicht eines ihrer ewigen Konzert-Highlights. Das Schleswig-Holstein-Musik-Festival (SHMF) 2019 machte es möglich, Leute, die vor 30 bis 40 Jahren noch jung und voller Träume waren, an einem lauen Sommerabend in die 80er und 70er zurückzubeamen.

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Schon auf dem Parkplatz des Exerzierplatzes in Kiel war die pure Begeisterung zu spüren. Ein älteres Paar freute sich auf das zweite Mal, hatte der Star des Abends doch vor zwei Jahren beim SHMF die Stadt Neumünster und das ältere Pärchen mit seiner Musik beehrt. „Jaaa, wir schauen uns Roger Hodgson jetzt schon das zweite Mal an. Er ist Stimmung pur! Und käme er ein drittes Mal, wir würden wieder hingehen.“

Also sprachen sie, und so wurde es. Von der ersten Sekunde an schwappt die Stimmung von der Bühne in die Arena, kaum dass die Band die Bühne betritt. Das Publikum schreit und pfeift. Klatscht vor Glück.

Supertramp kennen sie alle, den Magier ihrer Schulzeit mit Namen aber nur wenige. Mit seiner jugendlichen Ausstrahlung zeigt der 69-Jährige: „Leute, es ist noch lange nicht vorbei!“ Die Stimme sitzt, ist sogar voller als früher. Auch wenn er am Anfang bei „In jeopardy“ dem hohen Weltschmerzton „feeling as much as we can“ ausweicht.

Fast alle Stücke spielt Hodgsons aktuelle Band mit dem Zauber von Supertramp. Ein Höhepunkt ist der vielseitige Bläservirtuose Michael Ghegan. Sein Saxophon atmet in „In jeopardy“ den Weltschmerz, den Hodgson verkörpert. Ray Coburn brilliert mit einem jazzigen Interludium bei „Child of vision“. Überhaupt welch eine Vielseitigkeit im progressiven Rock des Abends. Bei „Death in the zoo“ plötzlich infernalisches Trommeln, Stammesgesänge und afrikanische Großwildgeräusche. Eine hauchende Flöte fliegt über dem Urwald Afrikas. Auf einmal hallt die Harmonika Ghegans wie das Saxophon Kenny G’s. Roger Hodgson erklärt, es gehe in diesem Lied um die Vorstellung, ein gefangenes Tier zu sein, welches den Tod oder das Leben wählen solle.

Rock & Emotion

Weltschmerz, wohin man hört. Im „Logical Song“ malen Ghegans Saxophon und Hodgsons Stimme die wehmütigen Gefühle des Erwachsenwerdens. Logisch zu werden, Verantwortung zu übernehmen, praktisch zu handeln, oh wie wunderbar schien davor noch das Leben zu sein. In „School“ ist dieselbe psychedelische Reise vom Kind zum Erwachsenen zu spüren, mit all seiner aufgestauten Energie. Der Saal rockt.

Und als er so rockt, spricht Hodgson mit dem Publikum: „I like German audiences. Und wenn sie einmal etwas nicht mögen, dann machen sie verschränkte Arme“ (Übersetzung der Redaktion). Der Saal lacht, und fühlt sich durch den typischen britischen Witz ertappt.

Hauptsache Emotion. Das ist Roger Hodgson wichtig. Das ist Roger Hodgson. Er will die Herzen ansprechen. Das Ziel sei eine heart-to-heart-connection. Was folgt, ist eine Ballade am Flügel. Taschenlampen blinken auf.

Es ist ein Konzert zum Mitmachen. Bei „Easy does it“ pfeifen alle mit, die eine Melodie pfeifen können. Hodgson erinnert sich an die alten Zeiten, als das Pfeifen ganz selbstverständlich zum Alltag gehörte, zum Beispiel beim Milchmann.

Und wenn es kein Pfeifen ist, dann singen alle „La la la la“ in „Breakfast in America“ – im verspielten Takt eines bayerischen Festzelt-Liedes. Der Erfolg von Supertramp ist kein Zufall. Große Bands berühren mit ihren Musiktexten und Melodien gleichermaßen die Menschen. Sie sind ihnen nah, sie sprechen mit ihnen.

Gestern sagt Roger Hodgson in Kiel: „Musik ist eine wunderbare Medizin. Für mich ist sie das.“ Die großen Hits entsprangen seinem Herzen, und er muss wohl zu den glücklichsten Menschen auf der Erde gehören, so Hodgson vor 8.000 Nordländern, weil er mit genau dieser Musik so viele Menschen weltweit berührt hat.

Doch wenn Hodgson von der Band Supertramp spricht, den alten Zeiten, dann tönt irgendwie die unausgesprochenen Bitterkeit durch, die er durch die Trennung von seiner Band fühlte. Bekannterweise gefiel Hodgson das letzte gemeinsame Album „Famous last words“ nicht. Dennoch spielt er an diesem Abend aus genau diesem Album „It’s raining again“ – nach einem kleinen Wortspiel auf die Regenhäufigkeit der nordischen Hauptstadt: „I could have written that song here.“

Ja warum nicht? Hodgson fühlt sich in Deutschland wohl und zuhause. Das Publikum jenseits der 50 fühlt sich beim Gehörten zuhause. Eine Wiedervereinigung von Seelen. Und es werden noch so andere Stücke gespielt: „Fool’s ouverture“, „Had a dream“, „Dreamer“, „Take the long way home“, „Give a little bit“. Wäre Roger Hodgsons Musik ein Bild, es müsste im Louvre hängen. Wer so viele Menschen so glücklich machen kann, hat in ihrer Seele einen Ehrenplatz.

Zwei Reihen vor uns küsst sich ein junges Paar. Auch sie sind verzaubert. Es ist ein ganz besonderer Abend in Kiel, an diesem 17. Juli 2019.

Roger, do it again!!!!

Roger Hodgson, Fotograf und Bildrechte: Rob Shanahan
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