Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier befeuert Gewalt Israels gegen Palästinenser

Palästina | analogo.de – Im aktuellen Bürgerkrieg Palästinas positioniert Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Deutschland gegen die Araber, indem er den Israelis „uneingeschränkte Solidarität“ zusichert. Damit befeuert der SPD-Mann die Gewalt Israels gegen Palästinenser. Derweil verurteilt das Land mit den meisten Muslimen weltweit, Indonesien, die israelischen Angriffe auf den Gaza-Streifen. Die indonesische Außenministerin Retno Marsudi sagte in einer virtuellen Pressekonferenz, Indonesien werde weiterhin mit dem palästinensischen Volk und der palästinensischen Nation im Kampf für ihre Rechte zusammenarbeiten. Der Internationale Strafgerichtshof sieht Kriegsverbrechen am Werk, doch anerkennt Israel diesen Gerichtshof nicht. Deutschlandweit hissen zahlreiche Behörden Flaggen Israels, so die Stadt Hagen, das Landratsamt Würzburg oder die Stadt Düsseldorf. Gäbe es einen weltweiten Krieg, in dem die Unterstützer Israels gegen die Unterstützer der arabischen Palästinenser kämpfen würden, Deutschland befände sich im Krieg gegen 50 bis 100 Länder. Eine Analyse von analogo.de.

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Der augenblickliche Bürgerkrieg in Palästina beginnt Wochen vor dem ersten Raktenbeschuss. Nach Medienberichten hatte ein Gericht beschlossen, dass im Ost-Jerusalemer Viertel Sheikh Jarrah palästinensische Familien ihre Häuser per Zwangsmaßnahme zu räumen haben. Das Gericht gibt einer nationalistischen jüdischen Organisation Recht, die die Häuser aufgrund eines historischen Anspruches einfordert. Ost-Jerusalem liegt im unabhängigen Staat Palästina.

Weltweit anerkennen 138 Staaten den Staat Palästina als eigenes Land an, darunter Schweden oder Island, im Jahre 1988 auch die DDR. Nicht so die Bundesrepublik Deutschland. Dabei ist der Staat Palästina in der Region Palästina de jure unabhängig. Die Vereinten Nationen bezeichnen die beanspruchten palästinensischen Gebiete in ihrer UNO Resolution 73/2018 als von Israel „besetzt“, der deutsche Bundespräsident aber sichert den Besetzern „uneingeschränkte Solidarität“ zu. Deutschlands Kolonialrhetorik.

Also beansprucht Israel auch die Kontrolle über Ost-Jerusalem. Im Detail sind sich Exekutive, Legislative und Judikative des Landes weitestgehend einig, dass seine Bevölkerung auch in besetzten Gebieten siedeln darf. Diese Menschen werden Siedler genannt, ähnlich den europäischen Siedlern, die in die Indianergebiete Nordamerikas einfielen, und die angestammten Bewohner in jämmerliche Reservate verbannte.

Nun also die Gerichtsentscheidung. In Jerusalem versammeln sich Protestierende, überwiegend junge Bewohner des besetzten Landes. Sie protestieren während ihres heiligen Ramadans auf dem heiligen Tempelberg nahe der al-Aqsa-Moschee. Al Jazeera berichtet, wie israelische Siedler Palästinenser verspotten und provozieren, die ihr Fasten für den Ramadan brechen. Es komme zu Handgreiflichkeiten und die israelische Polizei habe mindestens 15 Palästinenser verhaftet. Die Polizei unterbindet die Versammlungen. Die UNO ruft auf, die Meinungsfreiheit bei Versammlungen zu respektieren, auch bei denen, die gegen die Zwangsräumungen protestieren, und bei der Anwendung von Gewalt größtmögliche Zurückhaltung zu üben.

Von der Unterdrückung von Demonstrationen zum Bürgerkrieg

Am 10. Mai feiert Israel traditionell die Aneignung Ost-Jerusalems im Jahre 1967. Der Deutschlandfunk berichtet, um die sich bereits abzeichnenden Auseinandersetzungen im Vorfeld zu verhindern, hätte die israelische Polizei jüdischen Organisationen Flaggenmärsche auf den Tempelberg verboten. Dennoch hätten sich dort auch viele jüdische Gläubige versammelt, was die Aggression der Palästinenser nach sich gezogen habe. Kein Anlass für den deutschen Bundespräsidenten, eine vorsichtige Rhetorik zu nutzen.

Die Gewalt eskaliert. Videoaufnahmen zeigen israelische Polizisten zu Pferd und in Einsatzkleidung, die Betäubungsgranaten gegen junge Menschen feuern. Letztere wehren sich mit Steinen, dem Anflammen von Materialien und dem Aufbauen von Polizeibarrikaden. Man kennt diese verzweifelten Szenen aus Städten wie Berlin, Portland, Santiago de Chile oder Istanbul, also überall dort, wo das stark bewaffnete Polizeisystem Proteste der gesellschaftlich Benachteiligten niederschmettert.

Laut Berichten der Financial Times verletzt die Polizei Hunderte Palästinenser. Hunderte! Die UNO ruft Israel auf, völkerrechtswidrige Aktionen zu unterlassen. Es könne zu Kriegsverbrechen kommen. Der deutsche Bundespräsident aber sichert den Besetzern „uneingeschränkte Solidarität“ zu.

Während das israelische Militär zeitgleich mit der größten Truppenübung seit Jahrzehnten beginnt, schlagen und töten gewaltfröhnende Polizisten aufgebrachte Demonstranten. Ihr Signal: Rule of law, Rechtsstaatlichkeit, wir erkennen weder die UNO-Resolution an noch Euren Jammer, weil ein paar Eurer Familien ihre Häuser räumen müssen. Unser Gerichtsurteil gilt.

Das Gerichtsurteil ist Ausdruck des staatlichen Willens, auch wenn die überwiegende Mehrzahl aller anderen Staaten meint, dass es illegal ist, was der Staat macht. Die Nazis dachten auch, sie wären im Recht und stützten sich auf ihre Gesetze. Rechtsstaatlichkeit heißt zwar viel, aber nicht alles. Sie kann sehr ungerecht sein.

Ein Ende von „quiet will be answered with quiet“

Araber, Palästinenser, arabische Israelis, Benachteiligte, wie auch immer man sie nennen mag, sie haben keine Chance gegen die hochgerüsteten Besatzer. Gegen Besatzer, die hier auch leben wollen, in diesem kleinen Streifen fruchtbaren Landes, weil sie sonst auf der Welt jahrhundertelang überall benachteiligt wurden.

Keiner weicht. Die Palästinenser im Gaza-Streifen, also im unabhängigen von der UNO weitestgehend anerkannten Teil Palästinas, können kaum weichen. In Gaza sind sie mit Tausenden anderen auf einem Quadratkilometer eingepfercht, nach Süden kommt das unabhängige Ägypten, im Westen ist nur das Wasser des großen Mittelmeeres, der einzige Ausweg ist der Landweg nach Israel. Und das macht Druck, ein Druck, der immer nur einfach entweichen muss, wenn es zuviel wird.

Israel befindet sich in einer Art Sandwichposition in Palästina. Im Westen befindet sich der Gaza-Teil des unabhängigen Staates Palästina, an seiner Ostflanke der Westjordanlandteil des unabhängigen Staates Palästina. Ärger erwarten die Israelis allenfalls von der Ostflanke, weil hier das akute Problem liegt. Überrascht werden sie nun aber von den Machthabern der Westflanke. Diese setzen Israel eine Frist: Bis am Montag, den 10. Mai um 18 Uhr haben Eure Polizeikräfte den besetzten Teil geräumt.

In Gaza haben die Machthaber in den letzten Jahren wohl gelernt, Raketen zu bauen. Sieben von ihnen fliegen nun nach Israel, eine Minute nach 18 Uhr. Israel denkt, es sei nicht wirklich angreifbar, die Macht Nr. 1 im Nahen Osten. Israel schickt prompt Raketen zurück.

Die unausgesprochene Vereinbarung der letzten Jahre „quiet will be answered with quiet“ ist mit einem Male aufgehoben. Nämlich Stille mit Stille beantworten. Und so geht es hin und her. Laut Militärangaben Israels werden 90 Prozent der einfachen Geschosse des Gegners abgefangen. Der deutsche Bundespräsident bedauert nicht etwa die traurige Lage, die Gewaltspirale, sondern er sichert der einen Raketenfraktion „uneingeschränkte Solidarität“ zu, nichts rechtfertige die Raketenangriffe aus dem Gazastreifen auf das Land.

In Israel ist ein Bürgerkrieg ausgebrochen, Palästinenser und Siedler hauen in verschiedenen Städten des Landes aufeinander ein. Laut der United Nations Correspondents Association (UNCA) starben in den letzten 12 Jahren in israelisch-palästinensischen Konflikten 5.600 Palästinenser und 250 Israelis. Verletzt wurden 115.000 Palästinenser und 5.600 Israelis. Die Verhältnisse sind klar, die Palästinenser sind die Verlierer. Mit jedem Verletzten und Toten wächst der Hass. Alleine 2018 gab es rund 30.000 verletzte Palästinenser. Ein Volk im andauernden Kriegszustand.

Jetzt will der türkische Präsident Erdogan Israel eine Lektion erteilen. Russlands Staatspräsident Putin sieht die Sicherheit Russlands bedroht. Der Iran liegt sowieso auf der Lauer, hat Israel in der letzten Zeit doch hochrangige Militärs getötet. Über Syrien braucht man gar nicht zu sprechen, und selbst das ehemals besonnene Nachbarland Jordanien ist durch die Wirren der letzten Zeit unzuverlässiger geworden. Dagegen stehen die USA vollkommen zu den Enteignungen, zur Polizeigewalt Israels, angesichts etablierter Polizeigewalt in den USA gegen die schwarze Bevölkerung kein Wunder. In der Tat folgt US-Präsident Biden den Fußstapfen seines demokratischen Amtsvorvorgängers Obama, der sein Land jeden einzelnen Tag während seiner Amtszeit in Kriege geführt hatte.

analogo.de meint:

Von Bangladesch bis zu Marokkos Außenminister Nasser Bourita, der deutsche Bundespräsident Steinmeier stellt sich gegen die gesamte muslimische Welt, in einem Versuch, sich mit den Nachkommen derjenigen solidarisch zu zeigen, die sein Volk tötete. Dass er dabei indirekt neue Gewalt sät, wenn er der Gewalt der Nachkommen zuspricht, scheint er nicht zu realisieren. Von Diplomaten wie ex-Außenminister Steinmeier erwartet man in der Regel ausgleichende Worte der Vermittlung.

Argumentieren wir rückwärts. Gazas Raketen auf Tel Aviv waren falsch, ja. Die Polizeigewalt Israels gegen demonstrierende Palästinenser war falsch. Das Gerichtsurteil war wahrscheinlich richtig, im Sinne des israelischen Gesetzes. Aber das Gesetz war falsch: Israelis ein Recht auf Immobilienrückforderung einzuräumen ist so, als wenn auf einmal ein deutsches Gesetz Deutschen das Recht einräumt, historisch verlorene Güter in Polen zurückzufordern. Die Schuld an der Gewalteskalation liegt in diesem Fall bei Legislative und Exekutive Israels, und bei Politikern von auswärts – so wie Deutschlands Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, die sich offensichtlich nur oberflächlich mit der Problematik auseinandergesetzt haben, die sich gegen Mehrheitsbeschlüsse wie die der UNO stellen, die Aggressoren ihre uneingeschränkte Solidarität zusichern und sich damit nebenbei als Ewiggestrige outen.

Viele Araber hassen Juden, was sich momentan auf Demonstrationen in Berlin, Paris und Madrid offenbart. Der Hass ist verständlich. Und er ist mit weltlichem Hass verwoben, also dem Hass auf die Regierung Israels, und in diesem Falle die Justiz als Teil des Staates Israel. Zu einer Lösung kommt man nur, wenn man die weltliche Tat von der Religion zu trennen vermag.

Angesichts der klaren Opferrolle der Palästinenser muss sich Israel die Frage gefallen lassen, warum man nicht betont de-eskalierend agiert, so wie von der UNO gefordert, die keine Gewalt- sondern eine Todesspirale am Werk sieht. Wenn der Staat Palästina mit 1.000 kleinen Raketengeschossen zwei Israelis tötet, und der Staat Israel mit 300 Rakenten 100 Palästinenser, dann betrauern die Palästinenser 98 mehr Tote als Israel. Die Trauer über diese 98 Toten manifestiert sich auch auf europäischen Demonstrationsplätzen.

Ein Leichtes für Bevormundungs-Avantgarden aus Politikern und Medienschaffenden, einhellig Antisemitismus zu verurteilen. So sehr er schlecht ist, dieser Antisemitismus, so sehr müssen dieselben Politiker und Medienschaffenden aufpassen, dass sie nicht den Spuren ihrer Vorfahren mit einer anderen Ausprägung folgen, indem sie zwar gegen Anti-Semitismus einstehen, diesen aber mit Anti-Islamismus ersetzen. Wie war das nochmal mit dem Wein trinken und dem Wasser predigen? Die Aussage „uneingeschränkte Solidarität“ hört sich in diesem Sinne an wie „totaler Krieg“. Irgendwie gefühlskalt deutsch, der Herr Steinmeier.

Perspektiven des Autors:

1980, am Strand von Mostaganem nahe Oran in Algerien verbringen wir zwei Wochen Campingurlaub. Wir Kinder stellen den Kontakt zu den kinderlieben Strandwächtern her. Eine sechsköpfige Familie in Algerien auf Sommerurlaub, auch damals wohl eine landesweite Ausnahme. Später sind wir bei Mohammed und seiner Familie nach Oran eingeladen. Bei gleißender Hitze verbringen wir mit Mohammeds Kindern den Nachmittag in einem abgedunkelten Raum. Vor dem Gartenhäuschen stehen prächtige Feigenbäume. Die Großmutter versorgt uns mit frischen Pommes Frites in Baguettebrot, so wie man es hier isst. Köstlich. Meine Mutter zieht die Kleidung der Frauen an. Religion spielt keine Rolle. Hier treffen sich Menschen zweier Kulturen, die aufeinander neugierig sind.

1989 auf dem Djemaa al-Fna Platz in Marrrakech. Wir laufen an einem Schlangenbeschwörer vorbei, halten nicht, gehen weiter. Auf dem Platz ansonsten so gut wie keine Touristen. Der Schlangenbeschwörer will Geld, da wir aber weitergehen, springt er auf, läuft auf meine Schwester zu, und greift ihr frontal in den Busen. Viele Araber bzw. Muslime haben eine miserable Einstellung zur Menschenwürde von Frauen. Später dazu mehr. Ähnliche Erlebnisse wiederholen sich in dreißig Reisejahren relativ häufig. Und doch welch ein Gegensatz zu den positiven Erlebnissen in Algerien. 

Mit einer Gruppe junger Israelis verbringe ich 1990 eine Nacht in einem verriegelten Zimmer an der indisch-nepalesischen Grenze. Zwei Tage lang fahren wir von Varanasi nach Pokhara, sitzen tagsüber auf dem Dach des Busses. An der Grenzstation wird übernachtet. Es gibt nur wenige Zimmer für die 60 Reisenden, so der Busfahrer. Also rennen 60 Menschen aus dem Bus in ein kleines Haus. – Sie mögen mich, ich bin „einer von ihnen“ und darf in ihrem Zimmer schlafen. Kaum sind alle Israelis im Zimmer, wird die Tür von innen verriegelt. Israelis treten gerne in Gruppen auf, das schafft Identifikation und macht stark.

Der Besuch des Tempelberges, Yad Vashems und Massadas im November 1992, sehr beeindruckende Erlebnisse.

1995 in Sana’a: Als Individualtouristen besuchen wir ein Teehaus direkt am Stadtor. Meine Frau ist die einzige Frau im Raum. Oberhalb des Tores würde manchmal eine Kette mit einer abgeschlagenen Hand angebracht, als Abschreckung für Diebe, so erfahren wir hier. Mehr schlecht als recht unterhalten wir uns mit verschiedenen Gästen. Fast alle tragen Waffen, Messer, Kalaschnikows. Sie reden nur mit dem Mann, mit mir, wollen aber meiner Frau imponieren. Also schraubt der eine sein Maschinengewehr auseinander, lässt sie durch ein Rohr luken. Welch ein Foto. Über unsere Kinder wollen sie etwas wissen, und über Deutschland, unsere Heimat. Ja Deutschland sei gut, Hitler habe schließlich 50.000 Juden aus ihrem Land entfernt. Heute leben so gut wie keine Juden mehr im Land. – Später übernachten wir in der Bergortschaft Al Hajjarah. In dunkler Nacht, so gegen 22 Uhr, schießt eine Hochzeitsgesellschaft mit echten Mörsergeschützen lichtbogenintensive Salven in die dunkle Nacht des Bergjemens. Zehn Tage später in Ma’rib, nahe der Grenze zu Saudi-Arabien. Eine andere Hochzeitsgesellschaft überholt unseren Jeep. Auf deren Ladefläche rund zehn Männer, die mit Maschinengewehren in die Luft schießen. Hochzeitsfreuden. Der heute stattfindende Krieg im Jemen ist da noch lange hin. (Waffen-) Gewalt scheint eine selbstverständliche Rolle im Leben vieler Araber einzunehmen. Und der Hass auf Gläubige dieser Religion ist enorm.

1997 vom bolivianischen Coroico ins Amazonastiefland, die nächtliche Busfahrt dauert zehn Stunden, ein Schlagloch nach dem anderen. Nicht selten fliegen wir aus dem Sitz bis fast an die Decke. Die Israelis im Bus stimmen über Stunden israelische Lieder an.

In der Steinstadt von Sansibar 1998 lebt die mehrheitlich muslimische Bevölkerung mit Christen und Hindus friedlich zusammen. Faszinierend, wenn innerhalb einer halben Stunde der Muezzin ruft, die Kirchenglocken läuten und die Schellen und Glöckchen der Hindus rasseln.

2006 in Athen. Mit Gabriel und Varda aus Israel sitzen wir am Syntagma-Platz auf einen Kaffee, zusammen haben wir einen wunderbaren Tag. Humor, Intellekt, Reisen, Lebensfreude. Auf einmal geht es um inner-israelische Probleme. Als die beiden über Araber sprechen, ändert sich die Stimmung. Keine Chance, wir merken, es gibt eine Spaltung der Gesellschaft in Israel, und es sitzt tief. Es sind nicht unsere Probleme, aber jedes Land hat ja seine eigenen. Wir verstehen, bleiben nicht lange beim Thema. Es ist uns unangenehm. Vorne findet die Wachablösung am Parlament statt. Rituale anderer Länder lenken ab, sie sind exotisch. Müssen wir unsere so wichtig nehmen?

2009 in der Wüstenstadt Khiva in Usbekistan, eine Gruppe Künstler präsentiert solche einheimische Musik. Lachende Gesichter, wenn es nicht um Lebensraumfragen und Religionen geht.

2010 verbringen wir zwei Wochen in Aqaba/Jordanien. Als ich meine Frau am menschenleeren Strand alleine lasse, um zu schnorcheln, nähern sich ihr zwei Männer auf einen Meter, begaffen sie abschätzig aus allernächster Nähe. – Tagsüber treffen wir uns regelmäßig mit Hisham, einem Geschäftsmann aus Aqaba, gewinnen sein Vertrauen. Er stellt Männer aus Asien ein, die in Jordanien (also bei ihm) so lange arbeiten dürfen, wie sie vertraglich an ihn als Arbeitgeber gebunden sind. Dann müssen sie zurück. – Wir treffen Hasm, 33 Jahre, Palästinenser, Fluglotse. Seine Familie kommt aus Ramallah im Westjordanland, also im Staat Palästina, welcher von Israel besetzt ist. Hasm erzählt die Geschichte seines Volkes. Dass 2/3 aller Palästinenser Jordanier sind, so wie er. Dass viel von ihnen in Armutssiedlungen leben. Wo sich 30 Menschen vier Zimmer teilen, in dem jedes Zimmer eine kleine Koch- und Waschnische hat. Hasm erzählt, dass Frauen erst 1989 das Wahlrecht bekamen. Dass in seiner Kultur Frauen und Männer nur mit dem eigenen Geschlecht sozialisiert werden. Dass es sich Männer kaum leisten können, zu heiraten, weil kaum jemand die benötigten 10.000 Euro aufbringen kann, um zu heiraten (bei 200 Euro Monatslohn). Dass Pärchen deswegen oft verzweifelt sind, aber die Frauen würden eine pompöse Hochzeit erwarten. Dass viele Männer deshalb bis ins hohe Alter Single bleiben. Dass Pärchen erst nach der Hochzeit Sex haben, aber manche von ihnen sich in der Wüste auch heimlich treffen, um sich zu lieben. – Von den Israelis bekommt Hasm kein Visum, um seine Familie zu besuchen. Auf der Botschaft fängt er sich die freche Ablehnung des Botschaftsvertreters ein: „Wovon träumt Du nachts?“ Viele Araber bzw. Muslime haben eine miserable Einstellung zur Menschenwürde von Frauen und Männern, auf Hisham und Hasm trifft dies nicht zu, vielleicht weil sie Bildung und Geld haben. Dieser Fakt beschränkt sich sicher nicht auf Araber, gilt auch für viele Israelis, Deutsche und andere. Harte Gesellschaftsstrukturen.

2014 im Roten Saal der Mainzer Universität, das Klezmer-Konzert von Giora Feidman, einfach unvergesslich.

Wie kann man diese beiden so verletzten und verletzlichen Kulturen nur zusammenbringen? Durch Solidarität mit nur einem von beiden? Sicher durch mehr Toleranz und weniger Härte.

Eintrittskarte für Rainer Winters für Tempelbergstätten in Jerusalem 1992
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