Christlich-fundamentalistischer Ministerpräsident Daniel Günther liest Weihnachtsgeschichte vor

Kiel | analogo.de – Der christlich-fundamentalistische Ministerpräsident Schleswig-Holsteins, Daniel Günther, hat an Heiligabend die Weihnachtsgeschichte vorgelesen. Es ist ein weiteres Beispiel der Regentschaft Günthers, wie unverfroren die CDU die Trennung zwischen Kirche und Staat verwischt. Während Kirchen in Schleswig-Holstein erlaubt wurde, rituelle Feiern zu veranstalten, wird Kritik von Juristen und Ärzteverbänden laut. Welche anderen Nachteile denjenigen entstehen, die eben kein Mitglied einer Gemeinschaft im Sinne Günthers sind, ist Gegenstand dieses Beitrags.

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Immer wieder fällt das nördlichste Bundesland in Deutschland auf, wie höchste Amtsträger der Politik diese nicht nur von der Religion zu trennen vermögen, sondern sie aktiv mit der Religion verschmelzen lassen. Regelmäßig zeigt sich diese radikale Ausprägung des Christenstums auch im Landtag, wo Landtagspräsident Klaus Schlie christlichen Ritualen eine hohe Bedeutung zumisst.

Günther und Schlie sind beide Mitglieder der Partei „Christlich Demokratische Union Deutschlands“. Die nächsten Landtagswahlen in Schleswig-Holstein sind nicht mehr lange hin. Die in dem landwirtschaftlich dominierten Land wohnenden Wählerinnen und Wähler wollen bei der Stange gehalten werden. Bei allen Corona-Einschränkungen der letzten Zeit kein einfaches Unterfangen. Und so verwundert es nicht, dass Daniel Günther seiner Wählerschaft an Weihnachten Sonderzugeständnisse macht.

Dabei mahnte der kleine Diktator aus Eckernförde im WELT-Interview nur einen Tag vor Heiligabend, die Lage sei „dramatisch“. Und vier Tage vor Heiligabend bombardiert sein Gesundheitsministerium die Bürger Schleswig-Holsteins mit einem verschärft kontaktreduzierenden Erlass. „Merkels Mann in Kiel“ erweckt den nicht mehr von der Hand zu weisenden Eindruck, dass jetzt nur noch Gott helfen kann, wo die Kraft der Aufklärung versagte. Doch die Tonalität verändert sich, wenn es um Kirchgänger geht, der klassischen Wählerschaft der Christlich Demokratischen Union Deutschlands.

Während am südlichen Ende Deutschlands der Ministerpräsident der Christlich-Sozialen Union, Markus Söder, seine Ausgangssperre an Heiligabend auch für Kirchen in Kraft hält, wird am nördlichen Ende Deutschlands mit zweierlei Maß gemessen. Der Besuch des Gottesdienstes sei für viele Menschen ein wichtiger Bestandteil der traditionellen Ausübung des Weihnachtsfestes, so die Argumentation im Regierungserlass vom 14. Dezember 2020.

Gegenfrage: Ist für viele Kulturschaffende die Aufführung kein wichtiger Bestandteil der traditionellen Ausübung eines Musikfestivals? Während Restaurantbesitzer in Schleswig-Holstein bei falschem Hygienekonzept Strafen von bis zu dreitausend Euro drohen, sieht die christlich-fundamentalistische Regierung Daniel Günthers bei Kirchen von Bußgeldern per Regierungs-Erlass ab. Diese Verstöße gegen die Bestimmung seien „im Übrigen nicht bußgeldbewehrt“.

So schafft Günthers Kabinett religionsbevorzugende Fakten:

In § 13 der

>>  Ersatzverkündung (§ 60 Abs. 3 Satz 1 LVwG) der

>>  Landesverordnung zur Bekämpfung des Coronavirus SARS-CoV-2

>>  verkündet am 14. Dezember 2020

>>  in Kraft ab 16. Dezember 2020

gilt für Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften:

Sämtliche rituellen Veranstaltungen von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften sind mit bis zu 100 Personen außerhalb geschlossener Räume und 50 Personen innerhalb geschlossener Räume gestattet.

Die Kirchenväter des Lübecker Doms freuen sich, und kündigen auf ihrer Webseite an, die Krise „zwinge“ sie zur Kreativität und daraus entstehe viel Wunderbares. „Seien Sie herzlich eingeladen, sich selbst zu überzeugen!“

Besser hätte es auch Recep Tayyip Erdoğan, der fundamentalistische Staatsführer der Türkei nicht machen können. Hart im Kern, aber seiner eigenen religiösen Überzeugung entsprechende Ausnahmen gestatten, die in einem sich schließenden Kreis die eigene Religion stärken.

Auch in dieser Hinsicht ist die Politik Daniel Günthers mit den religiösen Staatsführungen im Iran oder der Türkei vergleichbar. Dort geben Mullahs und andere Eiferer den Ton an, setzen die politische Agenda, und werden von ihren Anhängern als paternalistischer Vater gefeiert.

Günther wie Erdogan

Die Parallelen von Günther und Erdogan sind zahlreich. Beide lassen sich dem religiös-konservativen Milieu zuordnen. Erdogan schloss seine Schulausbildung mit dem Fachabitur für Imame ab. Günther war zwischen 2002 und 2006 im Gemeinderat der Katholischen Kirchengemeinde St. Peter und Paul in Eckernförde tätig, und ist für seine Aussage bekannt, dreimal pro Tag zu beten.

Erdogan ist bekannter Anhänger der Scharia. Günthers Corona-Verbotskatalog ist ebenso wie der Bußgeldkatalog anderer CDU-geführter Bundesländer für das Nachkriegsdeutschland unvergleichbar autoritär. Erdogan erließ ein Verbot für Alkoholausschank in öfffentlich-städtischen Lokalen, Günthers Erlass verbietet den Glühweinkonsum im Freien.

Basierte die Türkei unter Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk noch auf einer strikten Trennung von Religion und Staat, billigt Erdogan seiner Religionsgemeinschaft größere Freiheiten zu als Nicht-Religösen. Ebenso Daniel Günther, der Kirchen gewähren lässt, aber Kulturveranstaltungen mit ebenso wenigen Personen verbietet.

Im Politischen ist Günther dafür bekannt, mit einer Lüge an die Macht gekommen zu sein. In einem der am heißesten umkämpften Politikbereiche in Schleswig-Holstein, der Windkraft, versprach Günther vor den Landtagswahlen 2017, dass die teils bis zu 200 Meter hohen Windkraftanlagen mindestens 1.200 Meter von dicht besiedelten Wohninnenbereichen entfernt sein sollten. Nachdem Daniel Günther dann an der Macht war, wollte der römisch-katholische Christ davon nichts mehr wissen.

Das Gegenteil ist der Fall: Günther will gegen die Pläne von Bundeswirtschaftsminister Altmaier politisch vorgehen, um den Mindestabstand von jetzt nur noch 1.000 Metern in Schleswig-Holstein unterschreiten zu können. So werden Demokratien ausgehöhlt. Und so oft verstecken sich wahre Übeltäter hinter einer Fassade ihrer Religion, egal ob in christlich oder islamistisch dominierten Gesellschaften.

Nicht zuletzt ist es dem Einfluss einer starken Nordkirche zu verdanken, dass in Schleswig-Holstein die strikte Trennung von Religion und Staat nicht gelingt. Nachdem Günther die nicht-christlichen Weltlichen (Restaurants, Kulturschaffende, etc.) bestraft, besitzt der sich offensichtlich als Landesvater empfindende Daniel Günther auch noch die Dreistigkeit, seinen Schäfchen eine Weihnachtsgeschichte vorzulesen. In Gestalt von Ministerpräsident Günther lässt sich der Staat in einen echten Gottesdienst im Schweriner Dom zuschalten und liest seinen Schäfchen vor, wie die Hirten „Gott priesen und lobten“. 

analogo.de meint: Religion ist Privatsache – das war früher einmal. In Schleswig-Holstein des Jahres 2020 unter Daniel Günther wird sie zum propagandistischen Staatsakt.

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) verliest Religiöses beim Gottesdienst im Schweriner Dom 2020. Trennung von Kirche und Staat: Aufgehoben. Bildrechte: Fahne Pixabay User Clker-Free-Vector-Images 28541_1280. Fotos aus YouTube Video, Link im Text.
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