Kieler Stadtwerke gehen voran – Whistleblowerschutz in Schleswig-Holsteins TOP 100

Kiel | analogo.de – Haben Arbeitgeber in Kiel Mechanismen eingerichtet, die analog der EU-Whistleblowerschutzrichtlinie einen effektiven Whistleblowerschutz gewährleisten? Solch ein Schutz wären etwa anonyme Briefkästen, ein unabhängiger Anwalt, und vor allem die ausgesprochene Garantie des internen Verbotes von Repressalien. Der zweite Teil des großen ANA LOGO Reports schildert den Status Quo bei einer Reihe von Kieler Arbeitgebern. Im ersten Teil der Reportage führen wir in die Thematik ein, wie es um den Whistleblowerschutz bei Schleswig-Holsteins TOP 100 Unternehmen bestellt ist.

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analogo.de hat sich bei den 100 größten Arbeitgebern in Schleswig-Holstein umgehört, und in der Landeshauptstadt ist ein bedeutender Teil dieser 100 Arbeitgeber angesiedelt.

Beginnen wir mit dem Positiven: Der Gas- und Stromanbieter Stadtwerke Kiel zeigt sich modern. Offen und proaktiv schreibt Pressesprecher Sönke Schuster analogo.de, bereits seit acht Jahren verfüge man über eine interne Meldestelle. Darüber hinaus habe man seit dem 01. Juli 2021 eine externe Whistleblower Hotline für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingerichtet. Dies sei ein wichtiger Bestandteil des Compliance-Managements der Stadtwerke und schaffe eine zusätzliche Möglichkeit, auf vertraulichem Weg Hinweise auf Rechtsverstöße im Unternehmen zu geben. Die Hotline werde von einem unabhängigen externen Rechtsanwalt betreut, der zur strikten Vertraulichkeit verpflichtet sei. Ferner gäbe man auch der Öffentlichkeit die Möglichkeit auf vertraulichem Weg, Hinweise auf Rechtsverstöße im Unternehmen zu geben. Hierfür habe man einen eigenen Bereich auf der Stadtwerke-Website veröffentlicht: www.stadtwerke-kiel.de/ueber-uns/zum-unternehmen/compliance

Starker fortschrittlicher Tobak bei einem Kieler Unternehmen in der Gruppe ab 1.000 Mitarbeiter. Wir von analogo.de sind der Meinung, dass eine externe Whistleblower-Hotline und die Einrichtung eines unabhängigen externen Anwalts in die richtige Richtung geht, um Whistleblower effektiv zu schützen.

Schuster berichtet, die Stadtwerke Kiel AG (SWK) würden für Transparenz stehen und seien von der Integrität und der Gewissenhaftigkeit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter überzeugt. Daher stehe man der Weiterentwicklung des Whistleblowings offen gegenüber. „Integrität, Aufrichtigkeit, Gesetzestreue und Respekt gegenüber unseren Mitmenschen und der Umwelt bilden die Grundlage unseres unternehmerischen Handelns.“ Was kann man sich mehr wünschen als in solch einer Welt des Vertrauens zu leben?

Offensichtlich haben die Stadtwerke Kiel erkannt, dass Whistleblowing viel mehr Positives bewirkt als Negatives, nach dem Prinzip der Bürgeraufgabe, sich um die Demokratie zu kümmern. Ganzheitlich wird der Firmenansatz, indem man dieses Selbstverständnis auf sein Wirkungsumfeld ausweitet. Man lege auch bei Geschäftspartnern großen Wert auf ein rechtlich und ethisch einwandfreies Verhalten und Handeln, so Schuster. Aus diesem Grund habe man eine klare Compliance-Richtlinie in einem detaillierten Handbuch zur Compliance niedergelegt. Dieses Handbuch sei für alle Mitarbeiter verbindlich und stehe jederzeit für alle im internen Netzwerk zur Verfügung. Auch die Einrichtung der externen Whistleblower Hotline sei dabei ein wichtiger Baustein.

Gesellschaftstechnisch gehört der Energieversorger zu 49 Prozent der Landeshauptstadt Kiel. Ein weiterer Betrieb der Stadt Kiel ist die Kieler Verkehrsgesellschaft mbH (KVG) mit über 600 Mitarbeitern. Die Argumentation von Pressesprecherin Andrea Kobarg lässt aufhorchen. Wir wollten wissen, ob die KVG die Whistleblowerfragen nicht im Kontext des letztjährigen Sadhu-Vorfalls beleuchten wolle.

Die Schlepp- und Fährgesellschaft Kiel (SFK) hatte einem Sadhu die Mitfahrt verweigert, weil er keine Schuhe trägt. Die SFK ist eine Ausgründung aus der KVG, als Pressesprecherin für beide Unternehmen agiert aber ein und dieselbe Person, Andrea Kobarg. Nachdem die SFK anfänglich ihre Besatzungen zu dem Vorfall befragt hatte und dann „den Vorfall nicht bestätigen“ konnte, wurden Bordkassierer und der Fall an sich später „identifiziert“.

Mussten der Bordkassierer und der zugegene Kapitän befürchten, ihre Jobs zu verlieren, weil ihr Handeln womöglich despektierlich war? Muss man sich in der SFK wegducken, weil die Vergeltungsmaßnahmen des Arbeitgebers grausam sein könnten? Es hat den Anschein, dass in der Schlepp- und Fährgesellschaft Kiel keine Fehlerkultur existiert, die wie bei den Kieler Stadtwerken „Integrität, Aufrichtigkeit, Gesetzestreue und Respekt gegenüber unseren Mitmenschen und der Umwelt bildet“.

Geführt wird die KVG von Geschäftsführer Andreas Schulz. Kobarg lässt ausrichten, die Geschäftsleitung habe entschieden, nicht an der Umfrage von analogo.de  teilzunehmen. Weiterhin habe die KVG mit dem Sadhu-Fall „nichts zu tun“. Ist Kobarg denn nicht die Pressesprecherin von KVG und SFK zugleich?

Stadtverwaltungen in Deutschland organisationsprivatisieren Teilaufgaben in ausgelagerte Gesellschaftsformen aller Art. In den Beteiligungsberichten der Stadt Kiel ersieht man, wie die Akteure miteinander vernetzt sind, welche Ratsvertreter in den verschiedenen Aufsichtsräten der ausgelagerten Gesellschaften sitzen oder wie viele Mitarbeiter in den Eigenbetrieben arbeiten. Die Strippenzieher hinter den Organisationsprivatisierungen sind oftmals dieselben Personen. Gegenüber den Stadtwerken Kiel haben KVG und SFK offensichtlich erhebliche Defizite in Sachen Transparenz. Trotz einer übergeordneten Stadtverwaltung mit verwobener Verwaltungsstruktur herrschen in den einzelnen Strukturteilen offensichtlich unterschiedliche Unternehmenskulturen.

Der nächste Arbeitgeber ist das Amtsgericht Kiel. Auch Gerichte werden verpflichtet sein, einen besseren Schutz ihrer Mitarbeiter darzustellen, sollten sie als Whistleblower auftreten. Denkbar sind Anwendungen gemäß Artikel 15 der EU-Richtlinie, nach denen ein Rechtspfleger oder an einem Streitfall gar unbeteiligter Richter hinreichenden Grund zu der Annahme hat, dass der am Amtsgericht beobachtete Verstoß eine unmittelbare oder offenkundige Gefährdung des öffentlichen Interesses darstellen kann, so zum Beispiel in einer Notsituation oder bei Gefahr eines irreversiblen Schadens.

Die Pressesprecherin des Kieler Amtsgerichtes, Myriam Wolf schreibt analogo.de, bislang habe man am Amtsgericht keine interne Meldestelle eingerichtet. Verlässt sich Amtsgerichtspräsident Torsten Block bei „Problemen“ auf die klassischen Vertreter Personalrat und Gleichstellungsbeauftragte? Haben Mitarbeiterinnen am Amtsgericht Kiel die Möglichkeit, bei Verfehlungen anonyme Hinweise zu geben?

Wolf gibt sich wortarm, so wie wir es auch von den zwei großen städtischen Krankenhäusern in Kiel gewohnt sind. Das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) und das Städtische Krankenhaus in Kiel geben sich gerne als PR-Maschine, wenn es gute PR zu berichten gibt. Lassen die Nachrichten einmal Schlechtes vermuten, halten sich die Pressesprecher Oliver Grieve und Birgitt Schütze-Merkel gerne zurück.

Wie man das Schweigen im Walde zu unserer Anfrage deuten mag, soll den Leserinnen und Lesern überlassen bleiben. Auch auf der Webseite des UKSH werden Externe kaum schlau, wie das Klinikum mit Meldungen umgeht. Die Informationen des Compliancebereichs für „Meldungen“ und „Fallbeispiele“ stehen „ausschließlich unternehmensintern zur Verfügung“.

Dabei genießen Arzthelfer oder Ärzte bald besonderen Kündigungsschutz, wenn sie feststellen, dass im Sinne der EU-Whistleblowingrichtlinie gegen andere EU-Richtlinien oder Verordnungen verstoßen wurde und sie hierzu einen Hinweis geben. Beispiele sind die Richtlinie zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (2001/83) oder die Verordnungen über Kinderarzneimittel (1901/2006), Arzneimittel für neuartige Therapien (1394/2007) oder über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln (536/2014).

Das UKSH ist auch in in Schleswig-Holsteins zweitgrößter Stadt Lübeck vertreten. Der Whistleblowerschutz bei Lübecker Arbeitgebern wird Gegenstand von Teil 3 der Reportage sein.

Städtisches Krankenhaus in Kiel. Bildrechte: Rainer Winters