Mainz / Bonn | analogo.de – Das Transportunternehmen Deutsche Post DHL Group manipuliert bei ihren Mainzer Auslieferungen von Paketen und Briefen den aktuellen Sendungsstatus in ihren Trackingsystemen auf verschiedene Weise. Im Zentrum der Manipulationen stehen laut Recherche von analogo.de die Benachrichtigungskarten und Sendungsstati im Trackingsystem des Logistikanbieters. Die Paketzusteller der DHL suggerieren auf mannigfaltige Weise einen ordnungsgerechten Sendungsverlauf bzw. „sauberen“ Trackingstatus, indem sie im Trackingsystem vermerken es habe einen ersten bzw. zweiten erfolglosen Zustellversuch gegeben. Der Kunde sei nicht anzutreffen gewesen, so die Botschaft. Unsere Recherchen belegen jedoch das Gegenteil: Bei nicht wenigen Sendungen wurde dieser angebliche Zustellversuch nicht unternommen. In den meisten Problemfällen erhielten befragte Kunden aus Hochhäusern in Mainz eine Benachrichtigungskarte, obwohl sie zuhause waren. In manchen Fällen fehlte gar die Benachrichtigungskarte, und der Trackingstatus im Internetsystem des Unternehmens zeigte dreisterweise an, es habe einen ersten oder zweiten Zustellversuch gegeben.
Ein Großteil des Handels kleiner Waren findet heutzutage im Internet statt. Die Verkäufer verschicken täglich Millionen von Waren mit Paketdiensten und erwarten eine zügige Auslieferung. Auf der Empfängerseite erwarten die Käufer ebenfalls eine zügige Zustellung. Der starke Wettbewerb auf dem Logistikmarkt drückt die Preise nach unten. Die Branche zahlt traditionell schlechte Löhne, obwohl der Stress der Logistik im Erbgut liegt. Die Arbeitsbedingungen für Paketzusteller sind gleichermaßen unattraktiv und schlecht bezahlt. Logistikunternehmen stellen daher im großen Stil Menschen mit Migrationshintergrund ein, die dem Druck des Arbeitsgebers aufgrund ihres niedrigeren Bildungsstatus oftmals nachgeben.
Auf Autobahnen führt dies zu regelmäßig drängelnden Paketbussen, die aufgrund des straffen Taktmaßes sich der Nötigung und Gefährdung im Straßenverkehr schuldig machen. Jüngst verurteilte das Amtsgericht Mainz einen ausländischen Fahrer des Kurierservices und Postdienstleisters drs Mail Hannover zu einem einmonatigen Fahrverbot plus 350 Euro Geldstrafe. Das Strafgeld musste der Mann wahrscheinlich aus eigenen Mitteln begleichen. Arbeitgeber wie drs oder die Deutsche Post distanzieren sich erwartungsgemäß von der Behauptung ihren Fahrern ein zu großes Tagespensum aufzubürden, i. e. dass sie zu viele Pakete an einem Tag ausliefern sollen. Seit mehreren Jahren fällt jedoch auf, wie verschwitzte Paketzusteller in großen Wohnanlagen zunehmend Stockwerke auf gehetzte Weise erklimmen. Nachdem die Empfangsunterschrift geleistet wurde, rennt der Paketzusteller weiter. Dabei würde man erwarten, dass ausgerechnet die im Unternehmen mit am schlechtesten bezahlten Paketzusteller mehr Muße in ihrer Arbeit legen können. Post-Vorstandschef Frank Appel könnte für 2016 immerhin einen operativen Gewinn von rund 3,5 Milliarden Euro verkünden. Ein Plus von rund 1.000 Millionen Euro gegenüber 2015. Füllen sich im Unternehmen Deutsche Post DHL Group etwa die Anzug-bewehrten Oberen die Taschen, und lassen dafür die Unteren rennen?
Im nächsten Rechercheschritt befragte analogo.de in Mainz stichprobenartig Bewohner und Postfilialen mit der Bitte nach Schilderung ihrer Erfahrung. In Stadtteilen mit Mehrfamilienhäusern oder gar Hochhäusern berichteten auffällig viele Personen vom Erlebnis eine Benachrichtigungskarte im Briefkasten vorzufinden, obwohl man zuhause war. In anderen Fällen verdeutlichte gar ein privat geführtes Mainzer Postamt die Beschwerdehäufigkeit in seiner Filiale. Man unterhalte einen Dienstleistungsvertrag mit der Deutschen Post DHL Group, aber für Beschwerden solle man doch bitte unbedingt die Post anschreiben. Dies läge auch im Interesse der Filiale. In Mainz offenbart sich damit nebenbei ein Vakuum zwischen dem Auftraggeber Deutsche Post DHL Group und den nunmehr privat geführten Postfilialen. Wahre Kritik des verärgerten Kunden am Schalter verpufft im anonymen Beschwerdesystem der Deutschen Post DHL Group. Das Vakuum wird deutlich, wenn die Filiale die Beschwerde abbügelt und sich nicht mehr als Bindeglied zwischen Briefempfänger und Deutscher Post DHL Group versteht. Sind die privat geführten Postfilialen nur noch Sendungsempfänger für Pakete und Einschreibebriefe, die gestresste Zulieferer der DHL oder Deutschen Post erst gar nicht versucht haben auszuliefern?
Der Pressesprecher der Deutsche Post DHL Group, Rainer Ernzer teilte unserer Redaktion im Telefonat mit, die Deutsche Post DHL Group hätte Millionen an Paketen und Briefen täglich. Fehler bei der Auslieferung betreffe nur wenige Prozent aller Sendungen. Die Benachrichtigungsquote läge in Deutschland bei weniger als 5 Prozent. 95 Prozent aller Sendungen würden direkt an den Empfänger ausgeliefert. Ernzer betont, die Zusteller hätten keinen Zeitvorteil aus der Tatsache, wenn sie nur die Paketkarte in die Briefkästen einschmeißen und die Sendungen später in die Filialen zur Abholung fahren. Da seien sie doch schneller direkt ausgeliefert. Wir fragten den Pressesprecher: Wollen Sie behaupten, die Zusteller hätten keinen Zeitvorteil aus der Tatsache, wenn sie nur die Paketkarte in die Briefkästen einschmeißen anstatt das Paket im 13. Stock des Hochhauses auszuliefern? Ernzer bleibt bei seiner Aussage und wiegelt ab, man habe im Mainzer Betrieb keine „Verdichtung“ von Problemen festgestellt, zeige sich aber für Hinweise aus den Mainzer Zustellbezirken offen.
Hierzu teilt Ernzer mit, im Mainzer Fall solle man eine besondere Beschwerdenummer anwählen. Es sei keine „normale“ Beschwerdehotline und die Hinweise würde man sammeln um etwaigen Fehlern auf die Schliche zu kommen.
Die Beschwerdenummer lautet: 0228 4333 112.
Von stärkerem Interesse dürften hierbei die Zustellbezirke mit Hochhäusern oder mehrgeschossigen Wohnhäusern sein. Denn die Umfrageergebnisse von analogo.de waren eindeutig: Je höher das Hochhaus, desto mehr Benachrichtigungskarten im Briefkasten.
Der Autor dieser Zeilen war 19 Jahre beim Logistikunternehmen Lufthansa Cargo AG beschäftigt. Als Account Manager Sales zählte er die Firma DHL zu seinen Kunden.