Mainz | analogo.de – Die Universitäten von Rheinland-Pfalz geraten immer häufiger in Konflikt mit dem Transparenzgesetz, weil sie sich schlichtweg gegen die Transparenzverpflichtung gegenüber ihren Bürgerinnen und Bürgern zur Wehr setzen. Dies ist ein Ergebnis aus dem 2. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit des rheinland-pfälzischen Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (LfDI), Prof. Dr. Dieter Kugelmann.
Am Mittwoch, den 29. Juni 2016 stellte Kugelmann seinen Bericht für die Jahre 2014 und 2015 in Mainz der Öffentlichkeit vor. Für großes Aufsehen sorgte der größte Sponsoring-Vertrag eines Privatunternehmens an eine deutsche Universität. Der Pharma-Konzern Boehringer bezuschusst die benachbarte Johannes Gutenberg-Universität in Mainz (JGU) mit rund 150.000.000 Euro und behält sich dafür ein Mitentscheidungsrecht für Forschungsinhalte und zusätzlich ein weitgehendes Vetorecht bei der Ernennung von Professoren vor. Dieses alarmierende Beispiel aus Rheinland-Pfalz zeigt, wie Forschungsergebnisse von Anbeginn von der Großfinanz manipuliert werden. Mit den eigens protegierten Professoren sichert man sich genau die Forschungsantworten, die man womöglich nur weniger Kilometer von der Universität entfernt in Ingelheim in der Pharma-Produktion anwenden kann.
Boehringer wendet als Finanzierungsmodell das beliebte Mittel Stiftungsfinanzierung an. Während Stiftungen eine gute Absicht suggerieren, sind sie ein steuer-vermeidender Wolf im Schafspelz. Die Hochschulleitung wurde durch die hartnäckige Arbeit dreier Personen enttarnt und bedauert mittlerweile den „nicht beabsichtigten“ Fehler.
Mutiger Journalist + mutige Studentin
Trotz der Eindeutigkeit eines unethischen Sponsorings wollten Universität und Konzern wichtige Details geheim halten. Eine Studentin und der SWR-Journalist Thomas Leif wandten sich sukzessive an den LfDI, nachdem sie erfolglos Anträge auf Zugang zu dem Kooperationsvertrag der Johannes Gutenberg-Universität mit der Boehringer Ingelheim Stiftung bzgl. des Instituts für molekulare Biologie gestellt hatten. Bei diesem Vertrag handelt es sich um einen sogenannten Vertrag über Drittmittelforschung. Die Studentin wollte diesen Vertrag für ihre Masterarbeit verwenden.
Die Johannes Gutenberg-Universität lehnte den Antrag der mutigen Studentin ab und berief sich auf ein Urteil des Verwaltungsgerichtes Mainz (Az. 3 L 762/09.MZ) unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung und kam zu dem Schluss, dass Forschungseinrichtungen, Hochschulen sowie Prüfungseinrichtungen nicht unter den Anwendungsbereich des Landesinformationsfreiheitsgesetzes fallen würden.
Dieser Auffassung trat der LfDI mit der Begründung entgegen, dass in der Gesetzesberatung zum Landesinformationsfreiheitsgesetz (LIFG) der Anwendungsausschluss für diese Einrichtungen zwar diskutiert worden sei, aber im Gesetzeswortlaut gerade keine Berücksichtigung fand. Zum Zeitpunkt der Beratung des rheinland-pfälzischen LIFG waren bereits eine Reihe von IFGs in Kraft getreten, die Hochschulen und Prüfungseinrichtungen entweder ganz vom Anwendungsbereich ausnahmen (z.B. Brandenburg, Sachsen-Anhalt) oder den Anwendungsbereich nur eröffnen, soweit der Informationszugang nicht die Bereiche von Forschung und Lehre betrifft (z.B. Nordrhein-Westfalen).
Dennoch entschied sich der rheinland-pfälzische Gesetzgeber dafür, den Anwendungsbereich des LIFG bei Hochschulen gerade nicht in diesem Sinn einzuschränken (so auch die Länder Berlin, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein sowie der Bund).
Hinhalte-Manöver der Universität Mainz
Der Tätigkeitsbericht führt weiter aus: Nach mehreren Schreiben zwischen dem LfDI und der JGU wurde auch in einem persönlichen Gespräch zwischen dem Präsidenten sowie der Kanzlerin der Johannes Gutenberg-Universität und dem LfDI erörtert, welche Möglichkeiten bestehen könnten, um dem Informationsbegehren der Antragsstellenden gerecht zu werden. Nach diesem Gespräch sah es danach aus, als würde eine Einigung zwischen dem LfDI und der JGU zum Vorteil der Antragstellenden gefunden werden können. Zur Überraschung der Antragstellenden und des LfDI wurden jedoch wenig später beide Widersprüche zurückgewiesen. Eine Hinhalte-Taktik.
Im Folgenden lud die Boehringer Ingelheim Stiftung als Vertragspartner des streitgegenständlichen Vertrages nach der Zurückweisung der Widersprüche der beiden Antragsteller durch die JGU verschiedene Pressevertreterinnen und -vertreter (u. a. die taz) zu einer Pressekonferenz unter Beisein des JGU-Präsidenten ein. Im Rahmen dieser Pressekonferenz wurde allen anwesenden Pressevertreterinnen und -vertretern die Einsicht in den streitgegenständlichen Vertrag gewährt. Die Antragstellenden waren jedoch bei diesem Treffen nicht zugegen. Der LfDI zog daraufhin eine Beanstandung der Universität wegen Verstoßes gegen das Landesinformationsfreiheitsgesetz in Erwägung und hörte die Hochschule im Rahmen dessen an.
Mutiger Journalist + mutige Studentin + mutiger Professor
Nun entschied sich der Journalist gegen die Entscheidung der Universität zu klagen. Einige Monate später reichte auch der Professor, der die Studentin während ihrer Masterarbeit betreut hatte, Klage gegen die Ablehnung der Universität ein. Durch die Verabschiedung des Landestransparenzgesetzes zum 01.01.2016 änderte sich allerdings der Anwendungsbereich des Gesetzes bei Universitäten. Es sieht nunmehr kein Recht mehr auf Zugang zu Drittmittelforschungsverträgen vor.
Leif konnte seinen Anspruch jedoch auch auf seinen presserechtlichen Auskunftsanspruch stützen und erhielt vor dem Verwaltungsgericht Mainz das Recht auf Einsicht zu der vertraglichen Vereinbarung zugesprochen.
analogo.de meint: Der Grundsatzvertrag zwischen der JGU und Boehringer besteht zwar weiterhin, aber trotz des Transparenzerfolges dürfte am Mainzer Campus das Vertrauen auf die im Grundgesetz vorgesehene Unabhängigkeit von Forschung und Lehre für einige Zeit dahin sein. Für die Zukunft muss es nun heißen, das Finanzierungsgebahren der Universitäten in Rheinland-Pfalz und anderen Bundesländern stärker unter die Lupe zu nehmen.
Und auch in anderer Hinsicht verweigern sich Universitäten in Rheinland-Pfalz der Transparenz-Verpflichtung durch das neue Gesetz. analogo.de wird zeitnah berichten. Lade Dir derweil den Tätigkeitsbericht des LfDI aus unserer ANA LOGO Datenbank herunter.