Berlin, Hamburg, Regensburg | analogo.de – Im zweiten Teil unserer Reportage über den weit verbreiteten Missstand nicht funktionierender Klimaanlagen in Hotels beleuchten wir die Hintergründe. Häufig hängen die Klimaanlageprobleme mit dem Geiz der Hoteliers zusammen, die ausgerechnet am so wichtigen Wohlfühlfaktor Klimaanlage sparen. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA und der Hotelverband Deutschland (IHA) überraschen mit der Aussage gegenüber analogo.de, Problemstellungen um Klimaanlagen in Hotels und deren Zustand seien in den vergangenen Jahren nicht an DEHOGA und IHA herangetragen worden. Im ersten Teil besprachen wir anhand von drei Hotels der französischen Accor-Hotelgruppe, wie Hotelgäste auf der Strecke bleiben, wenn sie eine aktuelle Beschwerde über die Klimaanlage im Hotelzimmer haben. Wir befragten weitere Hotels wie das Adlon Berlin, das Fontenay Hamburg oder die Hotelkette Marriott, den Deutschen Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA, den Hotelzertifizierer Hotelstars.eu und diverse Hersteller von Klimaanlagen. Lesen Sie jetzt Teil 2 unserer ANA LOGO Fallstudie anlässlich des diesjährigen UNESCO-Welttages für Tourismus.
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Wer ein Hotelzimmer bucht, erwartet in der Regel einen Komfort entsprechend der Sterneanzahl des Hotels. In diesem Sinne gehört zum Komfortanspruch an ein höherwertiges Hotel ein ruhiges klimatisiertes Zimmer, dessen Zimmertemperatur nach Belieben eingestellt werden kann. Überraschend häufig sind die Hotelzimmer entweder zu heiß oder gar zu kalt. Häufig sparen Hotelies gerne, wenn es um das Thema Klimaanlage geht. Denn zum einen brauchen diese viel Strom und der ist bekanntlich teuer. Zum anderen entscheiden sich Hotels gerne für tendenziell billigere Zweiwege-Systeme.
Doch zunächst stellt sich die Frage, ob die Klimaanlagen in allen Hotels gleich weit verbreitet so selten funktionieren. Unsere Recherche ragten Hotels der Marken Steigenberger, Marriott, H-Hotels, Best Western und die französische Accor-Group (Novotel, Mercure, Ibis etc.) negativ heraus. Eine zweiminütige Google-Suchanfrage bzgl. der Hotelkette Marriott spuckte auf den ersten Tripadvisorseiten folgende Klimaanlagenbeschwerden aus:
https://www.tripadvisor.de/ShowUserReviews-g181732-d1514315-r633984804-Montreal_Airport_Marriott_In_Terminal_Hotel-Dorval_Quebec.html
https://www.tripadvisor.ch/ShowUserReviews-g274707-d275252-r12675004-Prague_Marriott_Hotel-Prague_Bohemia.html
https://www.tripadvisor.ie/ShowUserReviews-g186338-d193086-r895345840-London_Marriott_Hotel_Marble_Arch-London_England.html
https://www.tripadvisor.ie/ShowUserReviews-g298570-d307985-r967677095-Ac_Hotel_Kuala_Lumpur-Kuala_Lumpur_Wilayah_Persekutuan.html
https://www.tripadvisor.ie/ShowUserReviews-g60763-d564851-r956663910-Courtyard_New_York_Manhattan_Upper_East_Side-New_York_City_New_York.html
https://www.tripadvisor.ie/ShowUserReviews-g187069-d659248-r532513722-Manchester_Marriott_Hotel_Piccadilly-Manchester_Greater_Manchester_England.html
https://www.tripadvisor.com/ShowUserReviews-g187801-d582419-r686181637-Ac_Hotel_Bologna-Bologna_Province_of_Bologna_Emilia_Romagna.html
https://www.tripadvisor.ie/ShowUserReviews-g187234-d231038-r903368855-Ac_Hotel_Nice-Nice_French_Riviera_Cote_d_Azur_Provence_Alpes_Cote_d_Azur.html
Ähnliches bei der Hotelkette H-Hotels:
https://www.tripadvisor.ch/ShowUserReviews-g187342-d234160-r896042415-H4_Hotel_Kassel-Kassel_Hesse.html
https://www.tripadvisor.ch/ShowUserReviews-g187323-d1857196-r556869336-H4_Hotel_Berlin_Alexanderplatz-Berlin.html
https://www.tripadvisor.ch/ShowUserReviews-g187331-d199566-r70530227-H4_Hotel_Hamburg_Bergedorf-Hamburg.html
https://www.tripadvisor.de/Hotel_Review-g187331-d8260111-Reviews-or5-HYPERION_Hotel_Hamburg-Hamburg.html
https://www.tripadvisor.de/Hotel_Review-g262039-d25334706-Reviews-H_Hotel_Frankfurt_Eschborn-Eschborn_Hesse.html
https://www.tripadvisor.at/ShowUserReviews-g187323-d275412-r966403518-H_Hotel_Berlin_Mitte-Berlin.html
Oder über nicht funktionierende Klimaanlagen in Steigenberger Hotels:
https://www.tripadvisor.ch/ShowUserReviews-g198615-d263005-r678754000-Steigenberger_Icon_Grandhotel_Spa_Petersberg-Koenigswinter_North_Rhine_Westphalia.html
https://www.tripadvisor.de/ShowUserReviews-g187371-d199491-r471551671-Steigenberger_Hotel_Koln-Cologne_North_Rhine_Westphalia.html
https://www.tripadvisor.de/ShowUserReviews-g187331-d201244-r839795617-Steigenberger_Hotel_Hamburg-Hamburg.html
https://www.tripadvisor.at/ShowUserReviews-g187337-d202278-r917408661-Steigenberger_Airport_Hotel_Frankfurt-Frankfurt_Hesse.html
https://www.tripadvisor.ch/ShowUserReviews-g187372-d202499-r160701800-Steigenberger_Hotel_Dortmund-Dortmund_North_Rhine_Westphalia.html
https://www.tripadvisor.at/ShowUserReviews-g187331-d201244-r586765830-Steigenberger_Hotel_Hamburg-Hamburg.html
Aber auch Grand Hotels wie der Breidenbacher Hof in Düsseldorf vermögen es nicht, ihre Gäste tadellos mit einer funktionierenden Klimaanlage zu erfreuen. Das Raumklima habe sie in der Nacht wenig schlafen lassen, ohne Bettdecke habe man gefroren und unter der Bettdecke habe man geschwitzt. Seine Frau sei nicht sehr begeistert, schreibt ein Hotelgast in seiner Kritik über den Breidenbacher Hof.
Wenn man sich schon nicht einmal mehr bei 4-Sterne-Hotels auf konstante Qualität verlassen kann, wie sieht es dann im Vergleich bei Fünf-Sterne-Hotels aus? Wir befragten das Adlon Kempinski in Berlin und The Fontenay in Hamburg. Wer sonst sollte wohl Standards setzen können, wenn nicht die Besten unter den Besten?
Sabina C. Held, die Pressesprecherin des Adlon, bejaht gegenüber analogo.de, die Klimaanlage solle regelmäßig auf diejenige Raumtemperatur herunterkühlen können, die der Gast am Thermostat im Raum einstellt, im Sinne von Air Conditioning, also das ‚in den gewünschten Zustand versetzen der Raumluft‘. Dazu Claudia Bellmann, die Pressesprecherin des modernen Hotels The Fontenay: „Wir haben keine klassische Klimaanlage. Unsere Klimaanlagen sind Außenluft-Temperatur-abhängig gesteuert.“
Die Fallstricke eines Temperatur-Reglers
Bei beiden Hotels kann man davon ausgehen, dass das Raumklima im Hotelzimmer angenehm arrangierbar ist. Das Adlon schreibt, die Temperatur könne in ihren Zimmern manuell eingestellt werden, was auf einem Display angezeigt werde. Der Gast könne die Temperatur um 2 Grad höher oder niedriger vom eingestellten Mittelwert variieren. Im Fontenay können ebenfalls – sich an einem Display orientierend – Raumtemperaturänderungen von + /- 3 Grad eingestellt werden. Die vorab eingestellte Raumtemperatur liege bei 22° C.
Beide Hotels antworteten nicht auf die Frage, ob die auf dem Thermostatdisplay angezeigte Temperatur auch messbar erreicht wird. Denn überraschend häufig wird die eingestellte Zimmertemperatur gar nicht erreicht. Auf dem Display wird zum Beispiel 16° C angezeigt, die wahre Zimmertemperatur liegt dann aber bei 23° C. Unsere Recherchen zeigten diesbezügliche Beschwerden selbst in so ausgesuchten Hotels wie dem spanischen Parador in Vic-Sau.
Manche Hoteliers versehen ihre Klimaanlage mit einer zentralen Steuerung. Das Adlon verneint eine solche Funktionsweise, die Einstellung der Raumtemperatur funktioniere nicht ausschließlich über eine zentrale Steuerung wie in Flugzeugen, Zügen oder Kreuzfahrtschiffen. Auf ihre Beschwerde hin hören Hotelgäste manchmal, die Regelung der Raumtemperatur hänge von einem außen angebrachten Temperatursensor ab. Im Fontenay und Adlon ist dies jedenfalls nicht so.
Das Problem nicht funktionierender Klimaanlagen pressiert vor allem dann, wenn sich in den Hotelzimmern die Fenster nicht öffnen lassen. Viele Gäste fühlen sich dann eingeschlossen, bekommen mitunter sogar Platzangst. Solche Reisende könnten – wenn es schlecht läuft – gesundheitliche Beeinträchtigungen davontragen. Trotz Klimaanlage im Zimmer schlafen viele Gäste gerne bei geöffnetem Fenster.
Obwohl das Adlon und Fontenay die Möglichkeit eines zu öffnenden Fensters anbieten, ist das selbst im 5-Sterne-Segment nicht selbstverständlich. Hyatt Regency Hotels erscheinen prominent an der Front der 5-Sterne-Häuser ohne funktionierende Klimaanlage. Im Falle des Hotels Hyatt Regency Köln beschwert sich der Hamburger Tripaadvisor-Gast DrAndreasP161, das Zimmerfenster könne man nicht öffnen, sie funktioniere nicht richtig. Die Klimaanlage sei nur laut und puste warme Luft ins Zimmer, die Temperatur lasse sich nicht regulieren. Insgesamt sei das Zimmer bzw. Hotel renovierungsbedürftig.
Da die Bewertung schon ein paar Jahre alt ist, befragten wir Adam Keenaan Rohmann vom Hyatt Regency Hotel Köln. Das Hyatt Regency antwortete nicht auf unsere Anfrage.
100 % Geld für 100 % Leistung – wie man Konfrontationen im Reiserecht vermeidet
Wer bei Hotelaufenthalten nicht die gebuchte und versprochene Leistung erhält, braucht nicht den gesamten Preis zu zahlen. Das Adlon und Fontenay befragt, ob man der Auffassung sei, dass Gäste Anspruch auf Kompensation haben, wenn die Klimaanlage nicht ordentlich funktioniere, verneinte das Fontenay. Jodoch sei der Fall bislang auch nicht eingetreten. Frechheit tanzt, sagt der Volksmund. Aber wenn die Qualität stimmt, stellt sich vielleicht auch die Frage nicht. Die Nicht-Antwort des Adlon auf diese Frage deuten wir mit Noblesse oblige, Adel verpflichtet – zu zusätzlichen Verantwortlichkeiten, auch ohne explizite gesetzliche Verpflichtung.
Jede Klimaanlage schluckt teuren Strom. Wir fragten das Adlon und Fontenay außerdem, ob denn ihr Energiebedarf in wärmeren Monaten steigt, weil immer mehr Gäste die Klimaanlage in Ihrem Hotelzimmer einschalten? Beide Hotels bejahten dies. Wir wollten es genau wissen. Mit einer globalen Erwärmung gibt es ja vielernorts auch mildere Winter. Ob denn der Energiebedarf in Adlon und Fontenay in den kälteren Monaten aufgrund milderer Winter auch sinke? Beide Hotels bejahten dies. In Summe steigt der klimabedingte Energiebedarf also nicht so stark, wie man in den tendenziell heißeren Monaten vermuten würde.
Nun mag der Einbau einer Klimaanlage in einem deutschem Hotel noch als Luxus gesehen werden. Doch die Sommer sind in diesen Breitengraden längst heiß und stickig. Die alte Vorstellung, nach der man in Deutschland vor allem Wärme benötigt, greift nicht mehr. Hotelzertifizierer wie Hotelstars überlegen derzeit, den Einbau von Klimaanlagen in neuen Hotels verpflichtend zu machen, ähnlich dem heißen Inselstaat Malta. Maltesische Hotels, die drei oder vier Sterne tragen wollen, müssen laut Hotelstars im Rahmen ihrer gesetzlichen Pflichtklassifizierung eine Klimaanlage bieten. Zudem müsse jedes neu eröffnete Hotel in Malta sowieso zertifiziert werden, so Hotelstars gegenüber analogo.de.
Klimaanlagen sind (noch) kein Teil der Hotelklassifizierung
Hotelstars hat in Zusammenarbeit mit der Deutschen Hotelklassifizierungs GmbH und mit seinen Hotelmitgliedern in über zwanzig Staaten einen transparenten Kriterienkatalog aufgelegt, gemäß welchem sich Hotels ihre Sterne verdienen können. Je nach Stern sind einige Dinge verpflichtend. Beispielsweise muss ein 4-Sterne-Haus folgendes bieten:
Internationale TV-Kanäle, einen Bademantel und Pantoffeln auf Wunsch, eine Lobby mit Sitzgelegenheiten und Getränkeservice, Hotelbar oder Loungebereich, ein Frühstücksbuffet mit Bedienung oder entsprechender Frühstückskarte, eine Mini- oder Maxibar oder eine 16-stündige Getränkebestellmöglichkeit über Zimmerservice, Kosmetikartikel wie Nagelfeile und Wattestäbchen, einen Kosmetikspiegel, eine große Ablagefläche im Bad, bequeme Sitzgelegenheiten im Zimmer wie Polstersessel oder eine Couch mit Beistelltisch/Regal und eine 16 Stunden lang besetzte Rezeption oder über digitale Kommunikation oder Telefon 24-stündig physische Erreichbarkeit.
Für jedes Kriterium gibt es Punkte. Wer zweisprachige Mitarbeiter hat, erhält drei Punkte. Hat ein Hotel einen Concierge, erhält das Hotel 15 Punkte. Ohne Concierge darf ein Hotel also keinen fünften Stern tragen. Ohne ‚Schuhputzutensilien auf Wunsch‘ darf sich ein Hotel nicht als 3-Sterne-Hotel bezeichnen. Misst ein Einzelbett in einem Hotel nur 80 Zentimeter Breite (so wie in einigen Best Western Hotels), gibt es dafür nur einen Punkt, für 100 cm 10 Punkte, für eine 180 cm breite Doppelmatratze 10 Punkte usw. Die Mindestpunktzahl für ein 4-Sterne-Haus liegt bei 410 Punkten. Einen zweiten Stern darf ein Hotel tragen, sofern es mindestens 180 Punkte verbuchen konnte.
Die Liste ist lang. Zimmer mit zentral regelbarer Klimaanlage bekommen 7 Punkte, Zimmer mit individuell regelbarer Klimaanlage 10. Dennoch sind Klimaanlagen für Hotelstars (noch) nicht verpflichtend, auch nicht für 5-Sterne-Hotels. Das mag sich – wie gesagt – bald ändern. Für immer mehr Kunden gilt die Klimaanlage mittlerweile als Wohlfühlfaktor.
Wichtig für das Verständnis von Zertifizierungen ist die Tatsache, dass ein Hotel auch seinen Stern bekommt, wenn es keine Klimaanlage hat. In einem solchen Fall muss das Hotel zusehen, dass es sich seine Punkte über andere Merkmale verdient – wie etwa ein Leselicht am Bett, für das es 3 Punkte gibt.
Seraphina Konietzka, die Pressesprecherin von BWH Hotels (Best Western, World Hotels etc.) gibt ihrem Schreiben an analogo.de zu, als „Markendienstleister“ habe man keinen Einfluss auf die Art, den Umfang oder die Steuerung der Klimatisierungen, wenn diese nicht in den Mindestanforderungen der Qualitätsbestimmungen gefordert sind, zumal unterschiedliche Varianten von Klimakonzepten in den Häusern im Einsatz seien. Zum Beispiel seien Klimaanlagen in Häusern der Marke Best Western Premier als Standard gefordert. Auch Hotels in anderen Kategorien würden über Klimaanlagen verfügen, gehörten jedoch teilweise nicht zu den allgemeinen Qualitätsauflagen.
Das sagen Klimaanlagenhersteller
Die für uns interviewten Klimaanlagenhersteller schildern die Lage so: 100 Prozent Raumklimakomfort ist abbildbar, kostet aber Geld. Hoteliers kennen die Optionen, entscheiden sich aber oftmals für die billige Variante, so anscheinend im Accor-Hotel Novotel Regensburg (siehe unser erster Beitrag zum Thema). Ein Dreileiter-Klimaanlagensystem koste gerne 30 Prozent mehr als ein Zweileitersystem. Tamara Schwarz-Speckbacher, die Pressesprecherin der Accor-Gruppe, bestätigte für das Novotel Regensburg, man habe „aufgrund von Nachhaltigkeitsgründen“ das Hotel mit einer „modernen 2-Wege-Klimaanlage“ ausgestattet.
Viele Hotels haben wasserbasierte Klimaanlagensysteme, in denen Wasser als Wärmeträger fungiert. In wiederum anderen Systemen übernimmt ein Kältemittel die Rolle des Wärmeträgers. In wasserbasierten Kreisläufen liefert kaltes oder warmes Wasser die Kühle bzw. Wärme für das kleine Klimagerät, was oftmals hinter der mit Rigips verkleideten Verkofferung jedes Hotelzimmers liegt. Derartige ‚Klimaanlagen‘ kann man sich wie einen Heizkörper vorstellen, ein Kaltwasserrohr mit an/aus-Schaltfunktion und Gebläse.
Viele Hotels haben ihre Wärmepumpe bzw. den Wärmetauscher auf dem Dach positioniert, mit denen sie kaltes und/oder warmes Wasser erzeugen. Laut Aussage unserer interviewten Klimaanlagenhersteller können 2-Wege-Klimaanlagen nicht so individuell regeln wie 3- oder 4-Wege-Leitersysteme. Hier heiße es heizen oder kühlen. Dreileitersysteme haben eine Mischvorrichtung, während Vierleitersysteme gleichzeitig heizen und kühlen können. Besitzer von 2-Wege-Leitersystemen müssen sich also entscheiden, ob sie mit kaltem oder warmen Wasser steuern. So liegt es nahe, dass hinter dem vom Accor-Konzern vorgebrachten Nachhaltigkeitsaspekt einfach ein Kostenthema steckt.
Laut Aussage diverser Klimaanlagenhersteller sparen Hoteliers gerne Strom, wenn sie zwischen Frühling und Herbst die Kaltwassermaschine eben nicht laufen lassen. Hat das Hotel zudem nur ein 2-Leitersysteme eingebaut, müssen sie sich mitunter entscheiden, ob sie tendenziell Wärme oder Kühle bereitstellen. Wird es im Frühling außergewöhnlich warm, eventuell sogar mit einem überraschend schnellen Wetterwechsel, stehen Hoteliers vor dem Offenbarungseid. Es entlarvt ihren Geiz, nicht in eine flexible Klimaanlage investiert zu haben.
Diesen Geiz bekommen letztendlich die Kunden in überhitzten Zimmern zu spüren. Und so erhält die Nachhaltigkeit ihren so häufig als Geiz entlarvten dysphemistischen Beigeschmack: Natürlich fährt man mit einem VW Polo nachhaltiger als mit einem fetten Hummer-SUV. In der Frage, ob eine Klimaanlage für die vier oder fünf Stunden Hitze an einem Herbsttag auch kühlen sollte, bleibt bislang der Entscheidung von Hoteliers überlassen. Hotels informieren ihre Kunden jedenfalls ebenso wenig transparent, was ihre Klimaanlage leistet bzw. nicht leisten kann, so wie sie kaum darüber informieren, wie breit ihre Betten sind.
Die von uns befragten Klimaanlagenhersteller kritisieren (anonym bleiben wollend) in Summe, viele Hoteliers würden am falschen Ende sparen, teilweise schon an der Planung und an den Systemen an sich. Es gebe aber auch etliche „Planerberater, die nicht wüssten, was sie tun“. Klimaanlagenhersteller raten Hoteliers, Zimmer an heißen Tagen auch zu kühlen, wenn sie nicht belegt sind. Einmal komplette bis tief in die Wände durchwärmte Zimmer bräuchten eine „Ewigkeit“, bis sie wieder kühl seien. Ein weiterer Vorschlag lautete, zum Beispiel bei einer Schwellentemperatur von 16° C automatisch zu heizen oder zu kühlen. Habe man keine automatische Zuschaltung, dauere es auch „ewig“, bis die gewünschte Temperatur erreicht sei.
Reisemangel Klimaanlage – wie sich Konfrontationen im Reiserecht vermeiden lassen
Für den Breidenbacher Hof in Düsseldorf antwortet in dieser Sache Alina Dettmer von der Agentur CC Concepts. Man könne „versichert sein, dass das aktuell führende Grand Hotel Deutschlands auf eine den Bedürfnissen aller Gäste entsprechenden Klimaanlage zurückgreifen könne“, so Dettmer gegenüber analogo.de. Auf einer Infoseite erfährt man von einer Investition aus dem Jahre 2021 (sechs Jahre nach der oben geschilderten Internetkritik), in dem unter anderem die Gästezimmer mit „chemiefrei gereinigter Frischluft“ versorgt würden. Ob die Klimaanlage funktioniert, erfahren wir gleichwohl nicht.
Noch inhaltsloser fällt die Antwort von Colette Hering aus, der Pressesprecherin von Marriott Hotels. Ihre Aussage in zwei Sätzen fällt so dürftig aus wie die oben erwähnten Link-Beschwerden für Marriott-Hotels suggerieren. Katastrophal. Ebenso wenig Zeit für eine Stellungnahme hatte Tina Birke, die Pressesprecherin von der Hotelkette H‑Hotels. Die Hotelkette Maritim wollte nicht an unserer „Umfrage“ teilnehmen. Die Hotelketten Steigenberger, Hilton, NH Hotels und IHG (Holiday Inn, Intercontinental) antworteten nicht auf unsere Anfrage.
Nach Paul Watzlawik kann man nicht nicht kommunizieren. Keine Antwort ist auch eine Antwort. Wenn DEHOGA und IHA, die beiden großen Hotelfachverbände in Deutschland, das Thema Klimaanlage angeblich noch nicht auf dem Schirm hatten (wobei das Thema bei näherer Betrachtung eines der TOP-Themen des Reiserechtes ist), stellt sich die Frage, ob das Hotelgewerbe den Themenkomplex tabuisiert.
Reiserechtler berichten von einer Menge solcher Fälle, Schlichtungsstellen haben gut zu tun. Die Berliner Schlichtungsstelle SOEP wirbt mit der Aussage, in rund 90 Prozent der Fälle eine einvernehmliche Streitbeilegung aus den Bereichen Bahn, Bus, Flug, Schiff oder Reise vermitteln zu können. Das spare allen Beteiligten Geld, Zeit und Ärger. Wenn sich dermaßen im Nachhinein viel schlichten lässt, stellt sich die Frage, warum Hoteliers im Hotel vor Ort ihren Kunden gegenüber so konfrontativ begegnen? Wäre dann ein Kompromiss an Ort und Stelle, also spätestens beim Auscheck-Vorgang, nicht eine bessere Vorgehensweise?
Bleibt die Frage:
Was tun bei einem „Reisemangel Klimaanlage“?
Prof. Dr. Ernst Führich, Autor der Kemptener Reisemängeltabelle, schreibt: „Eine angekündigte Klimaanlage muss existieren und funktionieren.“ Das Juraportal Legal Tribune Online (LTO) informiert, was bei der Anmeldung reiserechtlicher Ansprüche zu beachten ist. LTO weist auch auf den Unterschied hin, ob man das Hotel individuell oder im Rahmen einer Pauschalreise gebucht hat.
Darüber hinaus empfiehlt Stefanie Heckel, Pressesprecherin für den Deutschen Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA und den Hotelverband Deutschland (IHA) in ihrem Schreiben an analogo.de, Messprotokolle anzufertigen und Zeugen zu haben, wenn es darum geht, den Mangel zu beweisen. Für Gäste, die in Deutschland ein Hotel individuell als Einzelleistung buchen oder gebucht haben, sei der Beherbergungsvertrag und das Mietrecht einschlägig, so die DEHOGA.
Als Orientierung, wie viel Geld Reisende im konkreten Fall beim Auschecken im Hotel kürzen dürfen, bieten zum Beispiel die Reisepreisminderungstabelle des ADAC und die Kemptener Reisemängeltabelle. Bis zu 15 Prozent Minderung ist die Regel, manche haben bis zu 65 Prozent erwirkt.
Ein Blick in solche Übersichten legt auch ein gewaltiges Manko bei Richtern offen, mit enormem Nachholbedarf auf dem Gebiet der Menschenwürde. So entschied zum Beispiel das Amtsgericht Bad Homburg (2 C 718/02 2002) lächerliche fünf Prozent Minderung zu, nachdem im heißen Gran Canaria die Klimaanlage maximal auf 25,6 °C runterkühlte. Manchen Hotelgästen kann ein klaustrophobisch-heißes Zimmer mit versprochener aber nicht funktionierender Klimaanlage den ganzen Urlaub verderben.
Fazit:
1. Angekündigte Klimaanlagen müssen existieren und funktionieren.
2. Bei Nicht-Funktion gleichwelchen Grundes haben Hotelgäste einen Anspruch auf Kompensation. Die Faustregel lautet: 100 % Geld für 100 % Leistung.
3. Hotels haben eine Informationspflicht gegenüber ihren Kunden, sofern beim oder gar vor dem Einchecken des Gastes dem Hotel bewusst ist, dass die Klimaanlage nicht funktioniert. Es stellt es eine Informationspflichtverletzung dar, wenn der Hotelgast einen Schaden feststellt (i. e. eine nicht funktionierende Klimaanlage), das Hotel aber nicht darüber informiert.
4. Unseriöse Hotels machen von sich aus keinen Kompensationsvorschlag.
5. Sehr unseriöse Hotels verwehren ihren Gästen beim Auschecken eine Kürzung des Übernachtungspreises, lassen es im Zweifel auf eine gerichtliche Klage des Gastes ankommen (was kaum jemand tut).
6. Das Accor-Hotel Novotel Regensburg unserer Fallstudie (siehe auch dazugehöriger Teil 1) hat trotz dysfunktionaler Klimaanlage und Beschwerde den Kunden auf unverschämt-freche Weise abgewiesen. In solchen Fällen besteht – zumindest in Deutschland – der Verdacht auf unrechtmäßige Aktivitäten, die nicht nur gemäß diverser Paragraphen des Bürgerlichen Gesetzbuches zu ahnden sind. Mit der Erstattung von Geld aus „Kulanzgründen“ gab das Novotel Regensburg das Signal, an der nicht funktionierenden Klimaanlage nicht schuld zu sein, ergo die Teilrückerstattung aus freiem Willen zu zahlen (siehe Punkt 5).
7. Hoteliers wird empfohlen, in eine bessere Klimatechnik zu investieren.
8. Hotelketten sei empfohlen, in die Schulung für ein stärker rechtschaffenes Personal zu investieren.
9. Richterinnen und Richtern wird ein Auffrischungskurs in Humanismus empfohlen.
10. Die Marke trägt. Markendienstleister wie BWH oder Accor lassen ihren Vertragspartnern, also den tatsächlichen Hoteliers, große Freiheiten, mit welcher Klimaanlage sie ihr Hotel ausstatten. Manche investieren mehr, manche weniger.