Barcelona, Madrid | analogo.de – Katalonien möchte unabhängig werden. Während die britischen Gesetze theoretisch ein Referendum Schottlands zur Unabhängigkeit und mittelbar somit die komplette Unabhängigkeit vom Rest Großbritanniens ermöglichen, verbietet die spanische Verfassung einen solchen Weg für Katalonien. Hat Katalonien dennoch ein demokratisches Recht, einen souveränen Staat zu gründen? Wie weit kann Demokratie eigentlich gehen? Einen Anhaltspunkt bietet die Republik Whangamōmona, die sich innerhalb des Territoriums von Neuseeland befindet. Der ANA LOGO Long Read zum diesjährigen UNESCO-Welttag der Demokratie.
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Keine Diskussion über Demokratie ohne die Definition des Wortes. Demos steht für das Volk und kratos für die Herrschaft. Im wörtlichen Sinne ist eine Demokratie die Herrschaft des Volkes. Fragt sich dann, wer überhaupt das Volk ist und wie es herrschen soll. Hierzu gibt es so viele Meinungen wie Menschen. Der Philosoph Karl Popper hat wunderbar herausgearbeitet, wie nichtsaussagend das Wort Demokratie an sich ist. Manche sagen, Demokratie sei die Herrschaft des Volkes, durch das Volk und für das Volk.
Wenn es bei Demokratie ums Herrschen geht, ist Demokratie automatisch mit Gewalt zu assoziieren. Oscar Wildes Definition von Demokratie war demzufolge, Demokratie sei das Niederknüppeln des Volkes durch das Volk und für das Volk.
Wie man bei einem Hausbau erst die Mauern setzt und später die Inneneinrichtung wählt, muss bei aller Diskussion um Demokratie erst die Werdung des Staates definiert werden, um sich dann der Inneneinrichtung zuzuwenden, also so Dingen wie Wahlen oder Freiheit. Die letztjährigen Versuche einer Staatsgründung Kataloniens über direktdemokratische Wege waren insofern naiv.
Der türkische Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk hatte hierzu eine klare Meinung: „Souveränität wird einem nicht gegeben, sie nimmt man sich.“ Als im katalanischen Parlament vor sieben Jahren die Republik ausgerufen wurde, war schnell klar, warum der damalige Präsident Puigdemont die just in diesem Moment unterschriebene Unabhängigkeitsdeklaration nach acht Sekunden wieder aussetzte. Er hatte kein militärisches Backing, aber den Rest Spaniens gegen sich.
Um die Entscheidung des Parlamentes zu stützen, hatten die Katalanen am 01. Oktober zwar ein Referendum zur Frage der Unabhängigkeit Kataloniens abgehalten. Ihr Fehler war, das Haus bereits innen einzurichten, bevor die Mauern standen. Die Konsequenzen bekamen die Katalanen prompt zu spüren.
Die spanische Königsfamilie steht für die Unterdrückung Kataloniens
Der spanische König Felipe VI. hielt adhoc eine für absolute Ausnahmefälle vorgesehene ‚institutionelle Ansprache‘, forderte hierin die Regierung auf, „die verfassungsmäßige Ordnung wiederherzustellen“. Die Politiker in Madrid fühlten sich legitimiert, mit Artikel 155 der Verfassung die Selbstverwaltung Kataloniens auszusetzen.
Wie ernst es Spanien mit der Anwendung von Gewalt meinte, konnten Millionen Zuschauer an den Bildschirmen verfolgen. Im militärischen Stile schickte Madrid 25.000 geharnischte Sturmtruppen, um die Bevölkerung Kataloniens einzuschüchtern. Nachdem die spanischen Hausmauern wieder repariert waren, ließ die Zentralmacht Madrid das Haus knapp drei Monate später mit einer potemkinschen Kulissenwahl neu einrichten.
Die im Jahre 2017 hier angewandte Gewalt hat bei den Katalanen traumatische und unvergessliche Narben produziert, die die Unabhängigkeitsbewegung auf weitere Jahrhunderte nähren wird. Deutsche haben einen Geschmack solcher Polizeiaktionen bekommen, als zigtausende Polizisten in den Jahren 2020 bis 2022 die Bevölkerung Deutschlands terrorisierten. Polizeiaktionen solcher Natur lassen sich ebenso wenig aufarbeiten wie der Holocaust. Sie sind im wahrsten Sinne für die Volksseele fatal und gehen intravenös in die Geschichte ein.
Die Traumata wirken, Unabhängigkeitsgedanken verfestigen sich im Volk. In vielen Restaurants Kataloniens liegen Menukarten jetzt nur noch auf Katalanisch aus, in manchen Restaurants parallel auf Englisch. Wichtig: Das Menu gibt es dort nicht mehr in spanischer Sprache. Auf Nachfrage erhält man stolz-trotzige Antworten, jedes Wort scheint hier zuviel.
Damit sind wir bei den Philosophen Hegel und Herder, die fragten, wer denn eigentlich das Volk sei. Es gebe einen übergreifenden deutschen Charakter, sagte Hegel. Und Herder gab zum Besten, jede Nationalität habe ihr Glückszentrum in sich selbst. Wer außerhalb der Hauptstadt Barcelonas unterwegs ist, trifft auf diesen übergreifenden Charakter, diesmal halt der Katalanen.
Spalten, einverleiben, regieren, etablieren, institutionalisieren, normalisieren, verteidigen, inhaftieren, zur Not töten
Außerhalb Barcelonas stimmten bis zu 100 Prozent aller Menschen für die Unabhängigkeit und bis zu 72 Prozent der Menschen sprechen Katalanisch. Wie alle Millionenstädte in Europa ist Barcelona multikurell und somit nicht repräsentativ für den Volkswillen. Migranten konzentrieren sich in Großstädten, wo sie unabhängig von der herrschenden Kultur und Sprache kleine nicht integrierte Einheiten aufbauen. Über Generationen festigen sich diese Strukturen. Beispielsweise ist es den meisten afrikanisch-stämmigen Migranten in Barcelona egal, ob sie eine spanische oder katalanische Regierung haben.
Großstädte sind die Orte, an denen die Umvolkung eines Landes geschieht und in denen die einheimische Kultur verwässert wird. Umvolkungen führen dazu, den Willen einer souveränen Nation zu schwächen. So hat es die alte Kolonialmacht Großbritannien über die Zeit geschafft, in Nordirland eine riesige Bevölkerung anzusiedeln, die nun die Geschicke des Landes im Sinne Großbritanniens regeln.
In noch stärkerem Maße umvolkte Großbritannien einen anderen Teil Europas, als es sich das spanische Gibraltar einverleibte. Die Bevölkerung ist hier mittlerweile so weit ausgetauscht, dass bei Volksabstimmungen über die Souveränität bis zu 99 Prozent für den Verbleib bei Großbritannien plädieren. Ähnliche Dynamiken gibt es in den südatlantischen Falkland-Inseln.
Michael Fallon, der ehemalige britische Verteidigungsminister, brachte es auf den Punkt: „We’re going to look after Gibraltar. Gibraltar is going to be protected all the way.“ Wir werden uns um Gibraltar kümmern, Gibraltar wird rundum geschützt sein. Kolonialistenrhetorik auch bei ex-Premierminister Boris Johnson in seinem Videogruß 2019 zum National Day der Hafenstadt: „Not one inch of Rock, not one slice of calentita, not one hair on the head of one Barbary macaque will ever be given up without the express consent of the people who call Gibraltar home.“ Kein einziges Inch des Felsens, kein Stück [Red. des Ofengerichtes] Calentita, kein einziges Haar auf dem Kopf eines Barbary-Makaken wird jemals ohne die ausdrückliche Zustimmung der Menschen, die Gibraltar ihr Zuhause nennen, aufgegeben werden.“
Echte Souveränität basiert grundsätzlich auf Militärmacht. Die Briten machten Gibraltar im Spanischen Erbfolgekrieg zu ihrer Kolonie, vertrieben die ansässige Bevölkerung und drohen noch heutzutage mit Krieg, sollte Spanien Hand an Gibraltar legen. Derselbe Spanische Erbfolgekrieg fand vor genau dreihundert Jahren statt und sorgte auch für die Zweiteilung Kataloniens, bei der die südlichen Landesteile der Zentralmacht in Madrid einverleibt wurden. Dem vorausgegangen waren eine Menge Kriege, die in der Kapitulation Barcelonas am 11. September 1714 gipfelten.
Der 11.09. ist nicht nur ein großer Schicksalstag für die USA, sondern er ist auch der Diada genannte Nationalfeiertag Kataloniens. Den Verlust der Souveränität verdanken die Katalanen einem vor 300 Jahren lebenden Mann (dem Bourbonenkönig Felipe V.), dessen Machtwurzeln in Frankreich lagen und der sich mit Italienerinnen verheiratete.

Interessante Nebenbemerkung: Auch der Barcelona belagernde und erobernde Kommandant war nicht Fisch und nicht Fleisch. James Fitzjames, der 1. Duke of Berwick-upon-Tweed, war ein unehelicher adeliger Engländer, der mangels Verwurzelung in England für die Sache Frankreichs und Spaniens Katalanen tötete.
Neun Generationen später spielt Felipe VI. als Nachkomme von Felipe V. dieselben Säbelrasselspiele wie sein Blutsverwandter. Gerade gestern empfing Felipe VI. in seinem Zarzuela-Palast den neu eingeschworenen Präsidenten von Katalonien, Salvador Illa. Es war der erste Empfang des Königs eines katalanischen Präsidenten seit neun Jahren, Illas Vorgängerpräsidenten waren dem König zu separatistisch. Illa signalisierte dem König via X den „Respekt zwischen den Institutionen“. Nach Jahren hat Katalonien nun also wieder einen weichgespülten Präsidenten, der das Spiel der Zentralmacht spielt. Mangels unabhängigen katalanischen Militärs ein verständlicher Weg.
Derweil gilt Felipe VI. in großen Teilen Kataloniens immer noch als Persona non grata, als unerwünschte Person. Kein Wunder, steht doch niemand der Unabhängigkeit Kataloniens so sehr im Wege wie eben der aktuelle Bourbonenkönig. Auf Felipes Bemühen hin wird der damalige rechtmäßige Präsident Carles Puigdemont vom Staat verfolgt, so dass er ins Exil fliehen musste. Neun andere Politiker, die im Land blieben, erhielten für erfundene Delikte Gefängnisstrafen von bis zu 13 Jahren.
Die Rolle der Herausschneider
Eingepfercht zwischen den großen Nachbarn Frankreich und Spanien hatten die beiden Großmächte also 1714 einfach entschieden, Katalonien unter sich aufzuteilen, der Großteil sollte an Spanien gehen. Nur warum sollte Katalonien heute kein unabhängiger Staat werden? Warum sollte das zwischen den Nachbarmächten Iran, Irak und Türkei zermahlene Kurdistan nicht unabhängig werden? Und Grönland, Quebec und die Westsahara? Warum sollte man nicht Schottland aus Großbritannien herausschneiden können?
Es war ja auch andernorts möglich, eine kleinere Einheit aus einer größeren Einheit herauszuschneiden. So Belgien aus Holland, Israel aus Arabien, Ungarn aus dem Wiener Habsburgerreich und die Ukraine aus Russland. Die wichtigste Frage für Katalonien lautet demnach: Gäbe es einen Herausschneider?
Im Falle Belgiens fiel diese Rolle Großbritannien zu. Charles de Gaulle meinte, Belgien sei von den Engländern erfunden worden, um die Franzosen zu ärgern. Großbritannien war auch der größte Herausschneider Israels aus Palästina bzw. Arabien. Man studiere hierzu die Genese der Balfour-Deklaration von 1917. Und der aktuelle Herausschneider der Ukraine aus Russland ist in erster Linie die USA.
Die zweite Frage, die sich stellt, ist eine Frage der richtigen Größe eines Staates. Es gibt Länder, die fast so groß sind wie Kontinente oder Kleinstaaten, dessen Bevölkerung einen Bruchteil einer kleinen deutschen Großstadt ausmacht. Katalonien hat fast acht Millionen Einwohner, mithin doppelt so viele Bürger wie Kroatien oder Uruguay. Auch von der Wirtschaftsleistung her ist Katalonien groß genug, für sich selber ’sorgen‘ zu können. Sein Bruttoinlandsprodukt ist größer als dasjenige von Portugal, Österreich, Griechland oder der großen Ukraine.
Die dritte Frage ist, wer denn das Volk von Katalonien ausmacht. Der in der Bevölkerungsgeographie genutzte Begriff der ‚Bevölkerung‘ hilft bei der Betrachtung eines Volkes nicht weiter, weil die Bevölkerung einfach nur diejenigen Menschen sind, die an einem Ort leben. Der Begriff eines Volkes geht auf die Kultur ein, die jahrhundertelang ausgebildeten Sitten, Gebräuche und die hier entwickelte Sprache.
Die Schauspielerin Sharon Stone sagte dieses Jahr zum Thema: „Ich bin eine stolze Amerikanerin. Ich liebe mein Land.“ David Lammy, der neue britische Außenminister, nennt sich einen patriotischen Briten, was nicht im Gegensatz zu seinen vielen Identitäten stehe. Denn er sei ja auch Londoner, Engländer, Transatlantiker und stolz auf seine karibische Herkunft. Lammy wie Stone betonen beide die Mauern des Hauses, in denen sie gerne leben.
Innerhalb der Mauern hat das hier lebende Volk Sitten und Gebräuche ausgebildet, die – wie auch zumeist in der ungezähmten Natur – mehrheitsdominierte weil am weitesten verbreitete Sitten und Gebräuche sind. John Stuart Mill, der alte Philosoph, nannte es die ‚Tyrannei der Mehrheit‘.
Das Volk von Katalonien betrachtet man am besten als zweigeteilt angesiedelt – in ländlichem Raum und Stadt Barcelona. Selbst Großstädte wie Girona oder Vic sind traditionelle Oasen katalanischer Kultur. Dahingegen ist in Barcelona die Internationalisierung so weit vorangeschritten, dass man die Stadt streng genommen aus einem Konstrukt Katalonien ausgliedern könnte.
Ab wann sollte ein Volk ein Recht auf einen eigenen Staat haben?
Damit kommen wir zur vierten Frage, wie weit sich eine Mehrheit ausbreiten darf. Mit der Metapher des Hausbaus gesprochen, lautet die Frage: Sollte ein Volk das Recht haben, einen eigenen Staat aufzumachen, auch wenn das Volk ein Teil einer größeren Menschengemeinschaft ist? Sollten die Bewohner eines Hauses entscheiden dürfen, ob sie aus einem Haus zwei Wohneinheiten machen? Oder sollte man andersherum tendenziell die Zwischenwände in Häusern einreißen, um ein gar viel größeres Haus zu erhalten? Indem man zum Beispiel den Staat Spanien auflöst, um ihn in einen südeuropäischen Riesenstaat zu integrieren? Oder fünftens, sollte ein mächtiger Riesenstaat einen kleineren Nachbarstaat einverleiben dürfen?
analogo.de meint, jede Einheit sollte sich selbstständig machen dürfen, so merkwürdig auch deren Kultur sein mag. Die Ukraine gegenüber Russland, Hawai’i gegenüber den USA, Tibet und Taiwan gegenüber China, Palästina gegenüber Israel, Schottland gegenüber dem Vereinigten Königreich, Kurdistan gegenüber den drei Anrainerstaaten, die Westsahara gegenüber Marokko, und Katalonien gegenüber Spanien. Mit den Worten des US-Philosophen Robert Nozick gesprochen: Kein Staat, der über den Minimalstaat hinausgeht, kann gerechtfertigt werden.
Ein Musterbeispiel für die demokratische Gründung einer eigenen Organisationseinheit ist die Republik Whangamōmona, die ebenso von einem Land umgeben wird wie Lesotho von Südafrika oder Bremen von Niedersachsen. Als die Bürger von Whangamōmona mit der Politik unzufrieden waren, erklärten sie einseitig (i. e. souverän) die Unabhängigkeit von dem sie umgebenden Neuseeland. Der neuseeländische Staat rückte nicht mit Militär an, denn in der 100-Seelen-Republik gibt es nichts zu holen. Und obendrein war die Unabhängigkeitserklärung auch nicht so ernst zu nehmen wie diejenige in Katalonien. Aber Whangamōmona atmet den Geist von Robert Nozick.

Ein Volk mit echtem Interesse an Eigenstaatlichkeit hat in der Regel einen Nationalepos, einen Nationalcharakter bzw. eine nationale Identität, ein nationales Wesen, eine nationale Sprache und Literatur, Nationaltrachten, Nationaltänze und -lieder, Nationaltheater und -opern, Nationalgerichte und -getränke, Nationalhelden, eine Nationalhymne, Nationaldenkmale, Nationalfarben, Nationalparks, ja ein plausibles Nationalgefühl wie die italienische Italianità. Im politischen Sinne zu ergänzen ist eine oftmals agierende nationale Befreiungsfront, später dann eine Nationalversammlung und/oder ein Parlament, eine Nationalgarde und last but not at least eine Nationalelf mit Nationaltrikot.
Ohne Fußball-Nationalmannschaft kein Nationalstaat. Und doch verwehren die großen Fußballorganisationen der Nationalelf Kataloniens seit langem die Teilnahme an internationalen Wettbewerben. UEFA und FIFA lassen die Katalanen abblitzen, obwohl sie selbst Teilstaaten wie Wales und Nordirland an ihren Wettbewerben teilnehmen lassen.
Sportveranstaltungen sind heutzutage eine staatenbildende Angelegenheit. Die Erfolge der baltischen Nationalmannschaften in den 90er Jahren waren für die Entwicklung eines Selbstverständnisses, ‚was uns zum Staat macht‘, wichtig. Die Erfolge Lettlands beim Eishockey oder Sloweniens beim Fußball mögen nationalistischer und völkischer Natur sein, aber sie sind staatstragend. Die Bundeskanzler Merkel und Scholz tauchten nicht umsonst bei Spielen der Fußballnationalmannschaft auf.
Wer Staaten will, braucht solche definierenden Attribute. Im Gegensatz zu Katalonien ist es dem Fußball-Verband Gibraltars gelungen, von UEFA und FIFA als Mitglied anerkannt zu werden. Zweifellos auch, weil Gibraltar mit Whangamōmona gemein hat, dass hier nichts zu holen ist. Ein gutes Anschauungsbeispiel, wie die korrupten Fußballverbände FIFA und UEFA in die große Politik eingebunden sind.
Herausschneider vs. Einverleiber
Gibt es die oben aufgezählten nationalen Attribute, existiert de facto zunächst einmal die Nation, die meistens auch einen eigenen Staat hat. Die Tschechen kämpften jahrhundertelang gegen alle möglichen Besatzer, bis sie erst im 20. Jahrhundert einen eigenen Staat aufmachen durften. Entscheidende Herausschneider waren einmal mehr die USA und Großbritannien, die sich gegen die Einverleiber Deutschland und Österreich durchsetzten.
Der Einverleiber Spanien hat ebenfalls die oben beschriebenen Attribute wie eine Nationalhymne und nationale Tänze, und seit Jahrhunderten eine starke Feuerkraft, die man immer wieder einsetzte, um seine territoriale Herrschaft zu sichern, um die vor Jahrhunderten etablierten Einverleibungen zu institutionalisieren und sie in einer Normalität der Alltagsgeschäfte vergessen zu machen. An Katalonien verdient sich Restspanien eine goldene Nase. Unsere Redaktion notierte in Katalonien O-Töne von Katalanen, die Krone wolle doch nur ‚unser Geld‘, der Rest Spaniens sei doch nur neidisch auf Katalonien.
König Felipe VI. hat mit UEFA und FIFA gemein, Katalonien nicht ganz ernst zu nehmen. UEFA/FIFA sind insitutionell stark verankerte Fußballverbände, unter deren Regie jeder mitspielen will. Hier lockt das ganz große Geld, auch weil diese quasi monotheistischen Verbände ein Alleinstellungsmerkmal haben, anders als beim Boxen, wo es mehrere Weltverbände gibt.
Der Wahlspruch von Matthias, einem einverleibenden Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, lautete „Eintracht ist stärker als Licht“. Selbsterklärlich, dass Matthias zum Erreichen dieser Eintracht Menschen töten ließ. So wie kommunistisch-faschistische Politbosse à la Mao Zedong, Josef Stalin und Adolf Hitler Millionen Menschen töten ließen, Hauptsache es gehe dem Staat gut. Nach dem Prinzip, Du bist nichts, aber Dein Volk, die nationale Einheit und das Befolgen der nationalen Gesetze sind alles.
Fazit:
Der (spanische) Königsweg kann wie folgt beschrieben werden: Spalten, einverleiben, regieren, etablieren, institutionalisieren, normalisieren, verteidigen, inhaftieren, zur Not töten. Katalonien hat keine stehende Armee und wird daher absehbar keinen eigenen Staat aufmachen können. Das Herrenvolk der Zentralspanier folgt der Logik des Königs einer ungeteilten Macht Madrids, beruft sich dabei auf die Inneneinrichtung der spanischen Verfassung. Als ob Belgien damals Rücksicht auf die Verfassung Hollands gelegt hätte …
Mangels Unterstützung eines fremdländischen Herausschneiders (warum eigentlich immer nur die USA und Großbritannien?) dürfte es eine wahrhaftige Chance auf einen souveränen unabhängigen Staat Katalonien erst nach dem nächsten großen Krieg geben, wann auch immer dieser ausbricht. Großen Kriegen folgten immer schon entscheidende strukturelle Veränderungen, die oft jahrhundertelang schwelende Konflikte auflösten.
Ebenso wie die Tschechen jahrhundertelang ihr Lichtlein für einen eigenen Staat am Brennen hielten, kann den Katalanen nur der Rat gegeben werden, ihr Lichtlein für eine Republik Katalonien weiter brennen zu lassen. Ein wenig so, wie Marta Rovira für die Sache Kataloniens brennt. Mit dem Versprechen des Amnestiegesetzes kehrte die alte Politikerkollegin von Präsident Puigdemont vor zwei Monaten aus dem Schweizer Exil nach Katalonien zurück. Ihre Botschaft war wenig überraschend: „Wir sind zurück, um die Arbeit zu beenden, die wir halbfertig hinterlassen haben.“
