Dänemark – Ein Land atmet auf!

Aarhus, Fünen | analogo.de – Während Schleswig-Holsteins Landesregierung ihrer Bevölkerung Coronamaßnahmen metergenau als Gesetz diktiert, hat Dänemark seine Maskenpflicht abgeschafft. Trotz höherer Inzidenzen beweist das nördliche Nachbarland von Schleswig-Holstein, warum in Dänemark die glücklichsten Menschen der Welt leben, und in Schleswig-Holstein bestenfalls die glücklichsten Menschen aller unglücklichen Deutschen. analogo.de machte sich auf, dieses Lebensgefühl einzufangen und berichtet live aus Dänemark.

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In Dänemark ist das Glück allerorten zu spüren. Auf den Straßen von Aarhus, der Stadt des Lächelns, tanzen die Menschen auf den Plätzen, ohne Maske und voller Freude. Auch hier war es ein Winter voller Coronavorschriften. Die Maskenpflicht wurde bis zuletzt durchgezogen, nun aber so gut wie komplett abgeschafft. Trotz eines sechsfach höheren Inzidenzwertes (Stand 22.06.2021: Dänemark 29,5, Schleswig-Holstein 4,4) hat die Regierung Mette Frederiksens beschlossen, die qualvollen Maßnahmen zu beenden und ihren Bewohnern wieder ungehindertes Atmen zu ermöglichen. Mund-Nasen-Schutz-Vorrichtungen behindern das Atmen und reduzieren die Sauerstoffaufnahme pro Atemvorgang. Auch das ist Glück, wenn man ungehindert atmen kann.

Seit dem 14. Juni 2021 dürfen Dänen und Besucher Dänemarks aufatmen. Nur noch in den Innenräumen öffentlicher Verkehrsmittel, wie Fähren, Busse und Bahnen, bleibt es bei der Mund-Nasen-Bedeckung. Vier Tage bereisten wir Orte entlang der Nord- und Ostsee und sprachen mit Alten und Jungen.

Als Schleswig-Holsteiner und direkte Nachbarn der Dänen brauchten wir bei der Einreise nur einmal einen aktuellen Corona-Test und den gültigen Pass oder Personalausweis vorzuzeigen. Von Bewohnern der restlichen deutschen Bundesländer wird weiterhin nach drei Tagen ein weiterer Test verlangt.

Hinter Flensburg passieren wir die Grenze. Kontrolle von Test und Pass quittiert der junge Däne mit einem freundlichem Lächeln. Die Autobahn ist wohltuend leer. Die Landstraßen ebenso. Entspanntes Grün, soweit das Auge reicht. Vereinzelte Höfe mit Kuhställen, begrenzt mit Bäumen und Büschen, so auch die Weiden. Hier weht schon ein kräftigeres Windchen. Viele der Häuser sind einfach, sogar einige mit Wellblech. Doch sie fügen sich gut ins Landschaftsbild ein. Die Worte eines Freundes fallen uns ein: „Kommst Du nach Dänemark, fühlst Du sogleich Entspannung. Das liegt nicht nur an der Geschwindigkeitsbegrenzung.“

Entspannte Straßencafészenen in Aarhus: „Wir haben unsere Normalität wieder zurück“. Bildrechte: Rainer Winters

Løgumkloster ist der erste Stopp. Der Ort beeindruckt mit einem ehemaligen Zisterziensermönchskloster und seiner Kirche. Wir betreten die Anlage über einen liebevoll gepflegten Friedhof. Die kleinen Grabsteine erstrahlen mit üppigen Blumenbeeten in der Sonne. Eine Hängebuche, gepflanzt im Jahre 1866, breitet ihre mächtigen Zweige über uns. Orgelmusik weht herüber.

Die Besichtigung der Kirche lohnt sich und ist kostenlos. Verweilen, schauen, genießen. Es ist früher Nachmittag. Im Ort sind kaum Menschen auf der Straße. Wir stöbern in einem Wohltätigkeitsgeschäft und werden dort spontan zu Kaffee und Kuchen eingeladen. Keiner trägt den Mund-Nasen-Schutz. Diese neue Normalität tut den Menschen gut. Wir erfahren von der Erleichterung nach Dänemarks langem Lockdown. Zusammen vergessen wir die Zeit.

Am frühen Abend erreichen wir die Insel Rømø. Ein Straßendamm verbindet Insel mit Festland und dort auf dem breitesten Nordseestrand Dänemarks fährt sichs recht gut mit dem PKW. Halb Deutschland sonnt sich hier neben seinen Wohnmobilen, viele kommen mit der Fähre von der Nachbarinsel Sylt. Die beruhigende Atmosphäre scheint sogar Germanen zu besänftigen. Das Meereswasser, sehr klar und warm, lädt zum schwimmen ein. Masken? Fehlanzeige!

Letzte Station, bevor es quer übers Land zur Ostsee geht ist die älteste Ortschaft Dänemarks, die mittelalterliche Stadt Ribe. Die Geschäfte sind bereits geschlossen, doch in Restaurants und Cafés genießen Touristen und Einheimische noch die letzten Sonnenstrahlen des Tages. Auch hier hat niemand eine Maske vorm Gesicht. Familien sitzen beim Picknick in der Nähe des Flusses. Ein Mühlrad dreht sich im Wasser, mitten im Stadtkern. Die Häuser gedrungen, das Pflaster aus runden Steinen. Ein schmucker Marktplatz mit imposanter Kirche.

Die Weiterfahrt über Land ist auch hier unaufgeregt, das Grün der Landschaft meditativ. Die kerzengerade Straße erinnert ein bisschen an Alaska. Die Geschwindigkeitsbeschränkung auf Tempo 70 macht uns nicht nervös. Übernachtung in der Stadt Fredericia, einst gegründet von Friedrich III. um 1650. Die jungen Frauen an der Hotelrezeption des Best Western Plus sind offen für ein Schwätzchen. Wir bekommen sogar ein Carlsberg zur Begrüßung.

Alle sind glücklich über die Öffnung des Landes. Erst seit Mai habe das Hotel wieder aufgemacht. Ein Schild am Eingang entschuldigt die Renovierungsarbeiten. Es sei schon ein Unterschied, mit einem Gast ohne Maske zu sprechen. Das Stück Stoff vor Mund und Nase sei eine immense Behinderung gewesen, die Stimmung eines Gastes kaum erkennbar und nicht lesbar. Unter den Angestellten herrscht fast Partystimmung. Es wird viel gelacht.

Frühstücksbuffet am nächsten Morgen. Die guten alten Zeiten sind zurück. Ein Gefühl von Leichtigkeit, trotz der Handwerker.

Eine Hochbrücke verbindet Fredericia mit der Insel Fünen und dem Örtchen Middelfart. Hübsch gelegen mit netter Fußgängerzone und viel Betrieb in Geschäften und Cafés. Ein älteres Paar winkt uns von seinem Balkon zu. Von einer dänischen Touristin erhalten wir Tipps. Es herrscht Urlaubsstimmung. Niemand maßregelt wegen einer Maske. In einem Küchengeschäft läuft im Hindergrund fröhliche Musik. Die angrenzende Parklandschaft Hindsgavl lässt seinem großen Wildbestand freien Lauf und das schmucke Herrenhaus mit altem Baumbestand und abfallenden Rasenflächen hin zum Wasser lädt zum Ruhen ein. Lauschige Wanderwege entlang des Wassers bieten schöne Ausblicke auf den Fjord. Bei 31 Grad Tagestemperatur sind Wind und Schatten sehr willkommen. Jachten und Segelboote tummeln sich entlang der Ufer.

Wir kommen in Kontakt mit einem dänischen Geschäftsmann. Sein perfektes Deutsch erklärt seine Liebe zum Nachbarland. Wegen Corona hätte er seine Kieler Freunde seit einem Jahr nicht besuchen dürfen. Die Öffnung sei ein Segen. Er rät uns, das Örtchen Strib zu besuchen, keine drei Kilometer von Middelfart entfernt. Dort würden am Nordstrand Senioren in Uniform die alten Kanonen bedienen, wenn das königliche Schiff mit Margarethe vorbeiziehe. Ob die Königin immer noch rauche wie ein Schlot, wollen wir wissen. Er grinst. Klar doch, das läge in der Familie. Die würden alle qualmen. Wir finden die alten Kanonen und tauchen unsere Füße ins kalte Ostseewasser.

Aarhus ist keine Stunde von Fredericia entfernt. Bei 110 bis 120 km pro Stunde befahren wir am nächsten Tag die fast menschenleere Autobahn. Die zweitgrößte Stadt Dänemarks schäumt über vor Lebendigkeit. Es geht zu wie in New York. Doch mitten in der Stadt liegt ein stilles Juwel. Der botanische Garten und das Freilichtmuseum Den Gamle By. Lassen Sie sich vom Eintritt (20 Euro pro Person) nicht abschrecken, es lohnt sich wirklich und füllt den ganzen Tag. Ein Besuch ist eine wahre Zeitreise in das Leben der Jahre 1864, 1927 und 1974. Originalhäuser mit vollständigen Einrichtungen, Kleidung, Handwerk, sogar das unebene Kopfsteinpflaster ist nachempfunden (feste Schuhe daher sinnvoll) und wechselt zum bequemeren Straßenbelag der Häuser um 1927.

Die echte Bäckerei im Freilichtmuseum Den Gamle By in Aarhus ist geöffnet und bietet Leckereien an, während draußen der Drehorgelspieler die Besucher unterhält. Bildrechte: Rainer Winters

Leute in Originalkleidern gehen zeitgemäßem Handwerk nach, eine Kutsche mit Pferd schaukelt Besucher durch die engen Gassen. Tafeln in den Häusern erzählen Geschichten in Dänisch, Englisch und Deutsch über die Lebensverhältnisse der Menschen. Eine junge Bäckerin verkauft authentisches frisches Backwerk und erzählt Geschichten in perfektem Englisch. Perfektes Englisch beherrschen fast alle, die hier ein Handwerk ausüben.

Wir bezahlen mit Kronen oder Kreditkarte. Auch andere Geschäfte und zwei Cafés bieten ihre Waren an. Bis ins Detail dem Original der Zeit nachempfunden. Der Kaffee ist übrigens ausgesprochen gut und dänische Kuchen einfach himmlich.

Der Zeitsprung in die 20er Jahre bringt schließlich Autoliebhaber zum Träumen und die 70er Jahre lässt bestimmt so manche Kindheitserinnerung aufleben. In einem der Cafés unterhalten wir uns mit der jungen Kellnerin. Sie strahlt übers ganze Gesicht und berichtet von ihrer Empfindung, als sie sich zum ersten Mal ohne Mund-Nasen-Schutz wieder im öffentlichen Leben bewegen durfte. „Man atmet ganz anders“, sagt sie.

Als wir Den Gamle By verlassen, haben wir noch längst nicht alles gesehen. Zwei Stunden reichen einfach nicht aus. Wir wollen jedoch noch einen Blick in die Innenstadt von Aarhus werfen, bevor die Geschäfte schließen. Parkplätze direkt in der Innenstadt kosten ihr Geld, aber es lohnt sich. Ausgefallene Geschäfte wie das Vintage Divine verkaufen Originalkleidung der Jahre 1920 bis 1970. Sogar passende Schuhe bis Grüße 41 gibt es dazu, diese aber neu.

Aarhus ist wie im Rausch. Seine Menschen sprühen vor Lebensfreude. Die warmen Temperaturen füllen die Außenbereiche von Cafés und Restaurants. Man hat sich herausgeputzt. Sehen und gesehen werden ist heute am Freitagabend angesagt. Und wie schön, endlich kann man den Menschen ins ganze Gesicht sehen. Künstler in Phantasiekostümen unterhalten vor dem ehrenwerten Hotel Royal. Menschenschlangen warten vor dem Theater. Bei Salsa-Musik tanzt die Jugend ausgelassen auf der Straße. Hier ist man einfach nur glücklich.

Menschenschlange vor Einlass ins Jugendstil-Theater in Aarhus. Kein Abstand, keine Masken, so normal kann man leben. Bildrechte: Rainer Winters

Auf einer Bank sprechen wir die Dänin in unserer Nachbarschaft an. „Ist das nicht toll?“, fragt sie uns begeistert. Auch sie wird die Maske nicht vermissen. Dänemark hat gut in seine Bildung investiert. Egal wen wir ansprechen, alle jungen Leute sprechen Englisch. Wir haben viele Fragen, die uns die Nachbarin gerne beantwortet. Auch dass in Dänemark kaum mehr Geld in Umlauf ist, kann sie erklären. Das dänische Volk wäre geprägt von einem tiefen Vertrauen. Fahrraddiebstähle kenne sie zum Beispiel gar nicht. Das würde auch noch nach fünf Stunden an der abgestellten Stelle stehen, wenn sie mal das Abschließen vergessen habe. So sei ein bargeldloses Verhalten in der Bevölkerung leicht umsetzbar gewesen. Man vertraut einander. Es liege den Dänen in den Genen. So kommt also auch das Gerücht von den glücklichsten Menschen in Umlauf und ganz ehrlich, so entspannt wie in Dänemark hatten wir uns lange nicht mehr gefühlt.

Auf dem Weg zurück nach Deutschland machen wir noch einen Stopp im Renaissanceschloss Egeskov und seinen Gartenanlagen auf der Insel Fünen. Auch hier ganz enstpannte Normalität. Gärten und Schloss sind für Besucher (ohne Maske) geöffnet. Man hält Abstand, aber ohne die Angst, sich beim Nachbarn den Tod zu holen. Die Innenräume opulent mittelalterlich, ein historisches Highlight Dänemarks. Das Schloss ist im Besitz dänisch-schleswig-holsteinischen Uradels. Eigentümer Graf Michael Ahlefeldt-Laurvig-Bille ist mit Prinzessin Alexandra von Sayn-Wittgenstein-Berleburg verheiratet, einer Nichte der dänischen Königin Margrethe II von Dänmark.

Das Schloss bietet ganz besondere Höhepunkte. Zum einen der Originalstoff eines Kleides von Marie Antoinette, der während der Französischen Revoluion geköpften Königin von Frankreich. Zum anderen eines der eindruckvollsten Puppenhäuser überhaupt, Titanias Palast. Einst hatte ein Vater den Traum seiner kleinen Tochter wahr gemacht, auch wenn das Töchterlein bei Fertigstellung längst den Kinderschuhen entwachsen war. Der Bau dauerte 15 Jahre. Dafür dürfen sich die Nachfolgegenerationen von Kindern an diesem einmaligen Werk erfreuen. Als Kind bestaunte einst Queen Elizabeth zusammen mit ihrer Schwester Margaret die vielen kleinen wunderschön gestalteten Räume. Deren Großmama, Queen Mary of Teck, weihte das Prachtstück 1920 höchstpersönlich ein. Dass Egeskov eine Schlossanlage der Kostbarkeiten ist, wird durch eine der eindruckvollsten besuchbaren Oldtimer-Sammlungen Europas deutlich. Oder bei einem Wandel durch einen der schönsten Gartenanlagen Europas, entlang von bis zu acht Meter hohen und mehr als 200 Jahre alten Hecken.

Märchenschloss Egeskov und Gartenanlagen auf der Insel Fünen sind im Juni 2021 für Besucher geöffnet. Bildrechte: Rainer Winters

Zurück in Deutschland fallen uns als erstes die Drängler auf den Autobahnen auf und natürlich die Menschen, die ganz genau darauf achten, dass ja der Mund-Nasen-Schutz beim andern richtig sitzt. Angst spürten wir zu keiner Zeit im Lande Dänemark, doch kaum im eigenen Land, überrollt uns die Angst vieler unserer Landsleute. Wann werden auch sie endlich wieder frei atmen dürfen?

Die Regierung Dänemarks hat ein Zeichen gesetzt. Zumindest im Sommer sollen die Menschen ohne Masken- und Abstandszwang leben dürfen. Ob die Maskenplicht im kalten Herbst zurückkommt, muss man abwarten. Im Gegensatz zu ihren südlichen Nachbarn in Schleswig-Holstein dürfen und können die Dänen jedenfalls den Sommer nutzen, aufatmen und Kraft tanken. Bundesregierung und Landesregierungen in Deutschland haben dagegen längst Maß und Ziel verloren, halten die Menschen in menschenverachtender Dauerhaft, und zwingen ihnen bei niedrigsten Coronazahlen atembegrenzende Masken auf. Ohne Staatsgrenzen wäre dieser Vergleich unmöglich, Deutschland würde denken, das ist halt so, weil es überall so ist.

Schauspiel auf den Straßen von Aarhus. Bildrechte: Rainer Winters
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