Wie Naturwissenschaftler die 1-Kind-Politik meiden – Eine Analyse anlässlich des Todes von Paul Crutzen

Mainz, Kiel | analogo.de – Ob es die Höhenluft des mexikanischen Cuernavacas war, oder ein Gedankenblitz. An einem Tag vor 21 Jahren stand Crutzen inmitten von Konferenzteilnehmern auf, und propagierte einen neuen Namen für unser Zeitalter, das Anthropozän. Hatte die Wissenschaft unser geologisches Zeitalter doch immer als Holozän bezeichnet, fiel der Begriff Anthropozän seit Crutzens Avance immer häufiger. Der Mensch (altgriechisch: anthropos ἄνθρωπος) würde das Geschick der Erdentstehung so stark beeinflussen, dass das so junge Unterzeitalter Holozän seit Ende der nordeuropäischen Eiszeit fortan nach dem Menschen zu benennen sei. Eigentlich impliziert der Begriff Anthropozän, dass sich auf der Erde alles nur noch um den Menschen dreht. Und dass der Mensch nicht Teil der Natur ist, sondern die Natur (bzw. Umwelt) macht.

Theoretisch bieten sich zwei große Möglichkeiten, den Einfluss des Menschen zu reduzieren. Reduktion des Einflusses pro Mensch (was über CO2 versucht wird) oder der Menschenmasse. Eine Befragung durch analogo.de von Wissenschaftlern und Prominenten ergibt, dass führende Persönlichkeiten mit der zweiten Möglichkeit nichts am Hut haben, und so mit aller Macht Weg 1 protegieren. Die Folgen sind klar: Selbst wenn das CO2 auf Null reduziert werden könnte, was natürlich aus chemischer Perspektive unmöglich ist (es sei denn man ersetzt Kohlenstoff mit Silicium), wird der Kinderwahn (auch in Deutschland) dazu führen, dass die Freiheit der Individuen immer weiter eingeschränkt wird. Ob das dann noch menschlich ist (ἄνθρωπος) oder ob wir unser Zeitalter nicht gleich in Technozän (altgriechisch: technikós bzw. téchne τεχνικός/τέχνη zu deutsch Kunstfertigkeit) umbennen sollten, dieses Fazit sei nicht gefordert, aber hier nebenbei vorgeschlagen. Anlässlich des Todes von Paul Crutzen ein Bericht darüber, wie Naturwissenschaftler die 1-Kind-Politik meiden.

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Nun ist der Atmosphärenchemiker Paul Josef Crutzen in Mainz gestorben. Nobelpreisträger, Weltretter, Überzeugungstäter, Aktivist, Crutzen hatte sich sein Leben lang der Atmosphäre gewidmet. Mit seinem radikalen Aktionismus für seine Ideen steht Crutzen damit als typischer Vertreter unserer Zeit. Das  Typische liegt im Glauben, dass wir unser aller Schicksal in der Hand haben, und wenn uns die Mühen nicht gelingen, dass wir selber daran Schuld haben. Crutzen stellte die Allmacht des Menschen in den Vordergrund. Dass so viele Wissenschaftler und Bildungsbeauftragte Crutzens Idee so gerne aufnahmen, lag an seinem Verdienst um die Gase Lachgas (N2O) und stratosphärisches Ozon (O3).

1985 entdeckten Wissenschaftler ein Loch in der Ozonschicht über der Antarktis. Wie dick die Ozonschicht normalerweise ist, ist schwer zu begreifen. Sammelt man alles Ozon in einer Luftsäule über seinem Kopf, sagen wir mal in den Tropen, so ist die normale Dicke einer konzentrierten Ozonschicht nicht mehr als zwei bis drei Millimeter dick. Physikalisch ausgedrückt handelt es sich um 200 bis 300 Dobson, eine Stoffmenge in Millimol pro Quadratmeter. In gemäßigten Breiten drei bis vier Millimeter, und in höheren Breiten wie in Skandinavien auch immer nur drei bis fünf Millimeter. De facto schweben die Ozongasteilchen in stratosphärischen Höhen in weitaus geringerer Dichte umher, aber sie reichen aus, um die gefährliche Ultraviolettstrahlung der Sonne von der Erde abzuschirmen.

Crutzen merkte so nebenbei, dass Lachgas dabei half, Ozon katalytisch zu zersetzen. Dass die Ozonschicht mit maximal einem halben Zentimeter generell sehr dünn ist, legte den Fokus schnell auf menschlich produzierte Gase. Denn auch FCKWs (Fluorchlorkohlenwasserstoffe) und andere Kühlmittel halfen, die vertreuten Ozonmoleküle aufzutrennen. Was heute mit Kohlendioxid (CO2) und Methan (CH4) nicht denkbar ist, gelang den Staaten auf dieser Erde am 16. September 1987. Im Montrealer Protokoll einigten sich alle !! Länder auf dieser Erde, ozonabbauende Substanzen zu verbannen. Das Fundament dieses Protokolls verdanken wir Paul Crutzen.

Paul Crutzen wird schmalspurig politisch

Mit seiner Entdeckung wurde Crutzen politisch, so wie heute kaum ein Umweltwissenschaftler unpolitisch sein kann. Umwelt ist natürlich immer mehr als menschliche Existenz, der Mensch ist Teil der Umwelt. Ein besserer Begriff für die Umwelt wäre der Begriff Mitwelt. So wundert es nicht, dass Crutzen vor rund 15 Jahren vorschlug, Schwefeldioxid (SO2) in die Atmosphäre zu schießen, um die Sonne abzudunkeln und somit die Erwärmung der Erde zu dämpfen. Da Schwefel nicht gerade ungefährlich ist, und wir heute eigentlich froh sind, den Schwefel weitestgehend aus unserer Luft entfernt zu haben, hat sich der Geo-Engineering Vorschlag Crutzens glücklicherweise nicht durchgesetzt.

Auf eine Weise war Crutzen ein Vorbild für viele Wissenschaftler von heute. Erst Wissenschaftler, aber Polit-Aktivist. Wie auch bei anderen polit-aktivistischen Wissenschaftlern wie Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), dem Hamburger Meteorologen Mojib Latif vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel oder dem emsländischen Virologen Christian Heinrich Maria Drosten vermögen die ehemaligen Wissenschaftler politische Ziele von ihrer angestammten Wissenschaft kaum mehr trennen. Polit-aktivistischen Wissenschaftlern hängt schnell ein Radikalismus an, den man sonst eher bei Politikern verortet.

Dabei stehen die chemischen Reaktionen des Ozonabbaus nicht zur Debatte. Auch wenn sie selten überprüft und neu vermessen werden.

·Cl + O3 → ClO + O2                                   Schritt 2/3 bei katalytischem Ozonabbau mit Chlorradikalen in Stratosphäre und Troposphäre.

ClO + O → ·Cl + O2                                     Schritt 3/3 bei katalytischem Ozonabbau mit Chlorradikalen in Stratosphäre und Troposphäre.

CCl2F2 + hv → ·CF2 + 2 Cl·                      Entstehung von Chlorradikalen bei λ < 220 nm aus dem FCKW Frigen 12, die später Ozon abbauen.

CFC + O3 → … + O3                                   teilt sich einfacher, aber bildet sich nicht mehr: Ozonloch.

O2 hv → 2 O                                                 Photolyse = Photodissoziation Schritt 1/5 im Chapman-Zyklus bei λ < 242 nm in der Stratosphäre für Ozonbildung und Ozonabbau.

O + O2 + M → O3 + M                               Ozonbildung Gekoppelte Schritte 2/5 im Chapman-Zyklus und Schritt 2/3 im NO-NO2-Gleichgewicht. Findet in Troposphäre und Stratosphäre statt. Wellenlänge ist hier egal. Bildung bodennahen Ozons in der Troposphäre hat Peak um 12 Uhr.

O* + M → O + M                                          Schritt 3/5 im Chapman-Zyklus: Desaktivierung von O* durch Stoßpartner M – nach Ozonabbau.

O3 + hv → O2 + O                                       Photolyse = Photodissoziation Schritt 4/5 im Chapman-Zyklus und gekoppelt als Schritt 1/3 bei katalytischem Ozonabbau mit Chlorradikalen in Stratosphäre und Troposphäre bei 310 nm bis 1.180nm. In der Stratosphäre auf 30 km Höhe für Ozonbildung und Ozonabbau. Verantwortlich für 70% des Ozonabbaus.

O + O3 → 2 O2                                             Kollisionsdissoziation Schritt 5/5 im Chapman-Zyklus für Ozonbildung und Ozonabbau in der Stratosphäre. Wellenlänge ist hier egal! Katalysiert N2O und CFC weiter.

O* + H2O → 2 OH·                                      Desaktivierung von O* durch Wasser, nach Ozonabbau mit Schritt 3/5 des Chapman-Zyklus. Stichwort Waschküche.

CCl2F2 + hv → ·CF2 + 2 Cl·                       Entstehung von Chlorradikalen bei λ < 220 nm aus dem FCKW Frigen 12, die später Ozon abbauen.

usw. usw.

Chemische Reaktionen rund ums Ozon

Die Entstehung von Ozon am Boden ist wieder eine andere Sache, wie zum Beispiel durch das Stickstoffdioxid (NO2) aus Dieselmotoren mithilfe der Energie des Sonnenlichts Bodenozon entsteht (NO2 + hv → O3). Oder wie NO2 und O3 durch Kohlenwasserstoffe entstehen. Willkürlich ausgewählte Reaktionen:

R-CH3 + OH· → R-CH2· + H2O               Schritt 1/5 für katalytische NO2-Bildung (und indirekt O3) durch Kohlenwasserstoffe. Katalytisch wirkt das OH-Radikal, da kein Verbrauch. Sommersmog durch VOC/KH → NO2 → O3. Wichtig: hv!

R-CH2· + O2 → R-CH2O-O·                      Schritt 2/5 für katalytische NO2-Bildung (und indirekt O3) durch Kohlenwasserstoffe. Katalytisch wirkt das OH-Radikal, da kein Verbrauch. Sommersmog durch VOC/KH → NO2 → O3. Wichtig: hv!

R-CH2O-O· + NO → R-CH2O· + NO2     Schritt 3/5 für katalytische NO2-Bildung (und indirekt O3) durch Kohlenwasserstoffe. Katalytisch wirkt das OH-Radikal, da kein Verbrauch. Sommersmog durch VOC/KH → NO2 → O3. Wichtig: hv!

R-CH2O· + O2 → R-CHO + HO-O·          Schritt 4/5 für katalytische NO2-Bildung (und indirekt O3) durch Kohlenwasserstoffe. Katalytisch wirkt das OH-Radikal, da kein Verbrauch. Sommersmog durch VOC/KH → NO2 → O3. Wichtig: hv!

R-CH3 + hv + 2 O2 + 2 NO → RCHO + 2 NO2 + H2O Summenschritt für katalytische NO2-Bildung (und indirekt O3) durch Kohlenwasserstoffe. Katalytisch: OH-Radikal, da kein Verbrauch. Sommersmog durch VOC/KH → NO2 → O3. Wichtig: hv!

Chemische Reaktionen in den beiden unteren Atmosphärenschichten Troposphäre und Stratosphäre sind zahlreich, komplex und miteinander verwoben. Dies bietet Raum für Fehler und daher neue wissenschaftliche Erkenntnisse.

Club of Rome Zentrale vs. Club of Rome Deutschland

Crutzen wusste viel, vor allem von der Atmosphärenchemie, aber offensichtlich wenig von der Bevölkerungsgeographie. So hätte er gewusst, dass der Hauptfaktor für den ökologischen Fußabdruck die Anzahl an Menschen auf der Erde ist. Gemäß der Ehrlich-Gleichung errechnet sich der Stress auf die Natur als Produkt der Bevölkerungszahl P, des Lebensstandards A (BSP/Bevölkerungszahl) und dem Technologiefaktor T (Technologieschäden/BSP).

Geht man davon aus, dass in 40 Jahren 1,5-mal so viele Menschen leben wie heute, und sich der weltweite Lebensstandard verdreifacht, so müsste gemäß I = P x A x T und I = 1,5 x 3 x (T?) der durch technische Effizienz erreichte technische Fortschritt um den Faktor 4,5 steigen, um das Niveau des heutigen Stresses auf die Ökosphäre zu erreichen. Bezüglich CO2 bedeutet dies, dass die Menge an CO2 am besten reduziert werden kann, wenn deutlich weniger Menschen die Erde bevölkern.

Anstatt giftiges Schwefelgas in die Atmosphäre zu blasen, hätte Crutzen Vorschläge erarbeiten können, wie das Wachstum der Erdbevölkerung von derzeit 80 Millionen Menschen netto pro Jahr auf 10 Millionen pro Jahr reduziert werden kann. Dagegen gehört der Club of Rome zu den prominenten Vertretern eines Population Engineering. Er schlägt vor, dass weltweit die Einkind-Politik angestrebt werden soll. Da dies für Viele eine schlechte Botschaft ist, versteckt der Club die Forderung, und propagiert gleichzeitig mehr Climate Engineering.

Sinnbild dieses Spagats war eine Befragung von analogo.de des Präsidenten der Deutschen Gesellschaft CLUB OF ROME, Mojib Latif, im Jahre 2019 in der Landtagskantine im Kieler Landtag. Ob denn der Club of Rome Deutschland ebenfalls die Einkind-Politik verfolge, so wie der internationale Hauptzweig der Denkfabrik. Angesichts der Doppelgleisigkeit Latifs als Klima-Polit-Aktivist und Wissenschaftler im Dienste des staatlichen GEOMAR Institutes war es kaum überraschend, dass Latif verneinte.

Wie Naturwissenschaftler die 1-Kind-Politik meiden

analogo.de befragte nun ausgewählte Prominente, ob denn die Menschheit zu groß geworden sei, als dass jetzt geologische Begrifflichkeiten rein-menschlichen Begrifflichkeiten weichen müssen? Braucht die Welt die 1-Kind-Politik, so wie es jüngst der Club of Rome vorschlug? Wir befragten die Feministin Alice Schwarzer, die Politikerin Sahra Wagenknecht und den Journalisten Boris Reitschuster. Aus der wissenschaftlichen Gemeinde Max Planck Professor Martin Heimann, den Klimaforscher Hans von Storch, den Soziologen Reiner Grundmann an der Universität Nottingham und PIK-Direktor Johan Rockström.

Martin Heimann vom Jenaer Max Planck Institut für Biogeochemie schrieb analogo.de, 70 bis 80 Prozent der gesamten eisfreien Landflächen der Erde würden heute unter der direkten Kontrolle des Menschen durch Land- und Forstwirtschaft oder als Weideland stehen. In der Atmosphäre würde man eine globale Zunahme von wichtigen Treibhausgasen wie Kohlendioxid, Methan und Lachgas sehen, die durch menschliche Aktivitäten freigesetzt würden. Und auf Grund dieser Veränderungen habe sich die global gemittelte Temperatur an der Erde in den letzten 150 Jahren um etwa ein Grad erwärmt. Angesichts dieser Befunde würden wir uns heute in einer völlig neuen Phase der Erdgeschichte befinden. Der Begriff Anthropozän treffe dies gut, auch wenn es noch unterschiedliche Meinungen gebe, wann das Anthropozän denn genau begonnen habe. Heimann erklärt sachlich-nüchtern, hält sich aber zur Frage der Ein-Kind-Politik zurück.

Weiter gaben wir die Frage in die Runde, ob man denn ein Problem in der Tatsache sehe, dass Firmen kaum mehr Lagerstätten unterhalten, und ihre Waren stattdessen auf LKWs „zwischenlagern“? Und ob man eine Idee habe, wie der von Landwirten genutzte Dieselkraftstoff ersetzt werden könne. Dazu Martin Heimann: „Abgase aus herkömmlichen Dieselmotoren tragen wesentlich zur schädlichen Ozonbelastung in Ballungsräumen bei. Grundsätzlich lassen sich diese mit verbesserten technischen Verfahren erheblich reduzieren. Längerfristig ist jedoch eine Umstrukturierung des Transportsektors nötig, um dessen Treibhausgasemissionen zu vermindern.“ Hans von Storch, ex-Leiter des Institutes für Küstenforschung am Helmholtz-Zentrum Geesthacht sah sich außerstande, diese Frage qualifiziert zu beantworten.

Alle Befragten schienen sich in einer Sache einig zu sein, nämlich auf die brisante Frage zur 1-Kind-Politik nicht antworten zu wollen. Ob die Prominenten Angst haben, durch ihre Antwort auf eine der wichtigsten Fragen überhaupt ihre ansonsten zur Schau gestellten Kompetenzen angezweifelt zu wissen? Sahra Wagenknecht antwortete nicht auf unsere Anfrage. Alice Schwarzer antwortete nicht auf unsere Anfrage. Mangels Zeit baten das Team Reitschuster ebenso wie die PIK Pressestelle um Verständnis, dass die Herren Reitschuster und Rockström auf unsere Fragen nicht antworten könnten.

Der Autor dieses Beitrags studierte an der Universität Koblenz-Landau Atmosphärenchemie, Klimatologie und Bevölkerungsgeographie. In der Heimatstadt von Alice Schwarzer, Waldbröl, legte er das Graecum ab. In Cuernavaca lernte er zwei Wochen Spanisch bei einem Privatlehrer. In 30 Jahren Reisen in 100 Länder erlebte er die veränderten Lebensbedingungen einer steigenden Weltbevölkerung.

Immer mehr Menschen mit immer mehr Wohlstand belasten die Umwelt immer mehr. Bildrechte: User geralt auf pixabay 990843_1920