Brüssel, Barcelona, Madrid | analogo.de – Die Europäische Kommission distanziert sich NICHT von der Gewalt, die 25.000 geharnischte Polizisten der spanischen Zentralregierung gestern gegen Hunderttausende Katalanen ausgeübt hat. Die Sturmtruppen des spanischen Präsidenten Mariano Rajoy hatten anlässlich des Unabhängigkeitsreferendums 900 Menschen verletzt und zum Teil fast getötet, als sie ihr Wahllokal zum Referendum betreten oder den illegalen Abtransport der Wahlurnen durch eben diese Polizeikräfte verhindern wollten. Auf der mit Spannung erwarteten Brüsseler Pressekonferenz von heute wich der Pressesprecher der Europäischen Kommission, Margaritis Schinas den kritischen Fragen der Journalisten zur Polizeigewalt aus, ließ aber ein erschreckendes Zukunftsmodell der EU durchblicken: Die Europäische Kommission steht zum Polizeikrieg gegen Kataloniens Bürger.
Dennoch schließt die Europäische Kommission nicht aus, dass sie Katalonien als unabhängigen Staat anerkennen wird: Als ein Journalist eben diese Frage stellt, ruft Schinas die Zentralregierung unter dem repressiven Präsidenten Mariano Rajoy auf sich von weiteren Gewaltaktionen zu distanzieren. Gewalt könne kein Mittel der Politik sein. Schinas schränkt diesen Aufruf jedoch sofort ein, die EU vertraue auf Rajoy, dass er die fundamentalen Bürgerrechte IM RAHMEN DER SPANISCHEN VERFASSUNG wahre.
Die EU will heute nicht so weit gehen, dass sie sich den Verurteilungen der Gewalt etwa durch die Präsidenten von Belgien und Slowenien anschließt. Die beiden hatten gestern die Polizeigewalt spanischer Spezialpolizeikräfte gegen alte Menschen, Kinder und hunderttausende Wähler scharf verurteilt.
Die in Barcelona befindliche Journalistin Krystyna Schreiber schrieb analogo.de, dass die Gewalt gegen Wähler von 25.000 Polizisten (!) der Policia Nacional und der Militärpolizei Guardia Civil ausging. Die katalonische Polizei Mossos habe dahingegen sehr gut reagiert und habe nicht eingegriffen. Videos bezeugen, wie Mossos-Beamte Wählerinnen und Wähler sogar vor der Militärpolizei schützten, wonach die Militärpolizei Gewalt gegen Mossos-Beamte anwendete.
Als diverse Journalisten soeben in Brüssel andeuten, dass die Gewaltorgie der Zentralregierung vermeidbar gewesen wäre, wenn sich Europäische Kommission VOR dem gestrigen Referendumstag vermittelnd geäußert hätte, verbittet sich die EU laut Pressesprecher Schinas Kritik an diesem Punkt. Die EU würde „den Zeitpunkt“ selber bestimmen, wann man sich äußert.
Fazit: Die Europäische Kommission unter Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sieht die grundlegenden Menschenrechte der im Zweifel menschenrechtswidrigen Verfassung Spaniens untergeordnet. Demnach könne man die fundamentalen Grundrechte von Meinungsäußerungsfreiheit, Möglichkeit einer Debatte, Versammlung und öffentliche Teilhabe einschränken, wenn Menschen gegen die Landesverfassung verstoßen.
Die Europäische Kommission argumentiert somit in einer Linie mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, die schon in Hamburg zeigte, wie sie mit Kritikern umgehen lässt: Bei Demonstrationen zum G20-Gipfel provozierten ihre staatlichen Schlägertruppen die Demonstranten auf eine Weise, dass im Laufe der Demonstrationen hunderte Demonstranten zum Teil schwer verletzt wurden und nebenbei hunderte hörige Polizisten auf Anordnung ihrer Bereitschaftspolizei-Vorgesetzten verheizt wurden.
Während immer mehr Politiker wie Thürigens Ministerpräsident Bodo Ramelow (DIE LINKE) nach einem neuen Europa der Regionen rufen, die die alte Ordnung entrechteter Staaten ablöst, versteifen sich repressiv-konservative Politiker wie Angela Merkel und jetzt auch Jean-Claude Juncker auf das fixe Konstrukt einer unabänderbaren EU-Oligarchie, die zur Not mit Polizeigewalt und Internetsperren durchgedrückt wird. Gestern trat auch das deutsche Internetsperrgesetz NetzDG in Kraft, welches von CDU/CSU und SPD zur Einschränkung von bürgerlicher Kritik verabschiedet wurde.