Der Glyphosat-Report von ANA LOGO – 5. Teil

Glyphosat und die Rolle der Medien

Angesichts der hohen Anzahl erschreckender Fakten zur Wirkung von Glyphosat muss es geradezu verantwortungslos erscheinen, wenn die Schwester-Zeitung der Bildzeitung Die Welt Glyphosat in einem aktuellen Artikel als „harmlos“ tituliert. Beim Deutschen Presserat ging diesbezüglich eine Beschwerde wegen Verletzung des Pressekodex ein.

Mit ein wenig Abstand wird deutlich, dass das Ackergift Glyphosat zwar nicht harmlos ist, sich die Experten aber über die Effektschwelle streiten. Unter welchen Umständen ist der Stoff mit seinen Beistoffen also gefährlich? analogo.de befragte Prof. Dr. Till Opatz von der Universität Mainz in einem persönlichen Interview. Opatz hatte zuvor im SWR-Interview geäußert, Glyphosat sei „unkritisch“. Opatz stellte im analogo.de-Interview klar, dass der Südwestrundfunk offensichtlich wichtige Aussagen von ihm geschnitten habe müsse. Laut Richtlinien des Standardwerkes „Agrochemicals“ von Franz Müller sei Glyphosat weniger toxisch als Kochsalz. Der Professor für Organische Chemie stimmte aber zu, dass Buchautor Müller die Zahlen von einer Studie haben dürfte, die Monsanto in Auftrag gegeben hat. Zu einem späten Zeitpunkt des Interviews zeigte sich Opatz erstaunt, dass Glyphosat Anfang 2016 neu zugelassen werden solle. Nun verstehe er den Hintergrund des SWR-Interviews.

Kurz vor der erneuten Zulassung von Glyphosat fällt Beobachtern der Agro-Szene auf, dass die ambitionierteste Studie bezüglich der Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit durch GVO-Pflanzen und Glyphosat von den deutschen Medien unerwähnt bleibt. Mit 25 Millionen US-Dollar ist diese Studie das am besten ausgestattete Forschungsprojekt, welches eben nicht von den finanzkräftigen Gentechnik-Konzernen finanziert wird. Das Projekt heißt FactorGMO und wurde bereits im November 2014 vom Guardian vorgestellt. Während 3 Jahren sollen tausende Ratten mit Monsanto-GVO-Mais gefüttert werden. Die internationale Forschergruppe dürfte im Zweifel andere Forschungs-Ergebnisse liefern als die von Monsanto vorgelegten Ergebnisse der monotonen Unbedenklichkeit. Fazit: Die Rolle der Medien darf nicht unterschätzt werden.

Risikofreudiges Deutschland

Doch die Hersteller von Monsanto & Co. verlassen sich gerne auf die Risikobewertung der deutschen Behörden nach dem Prinzip: „Wenn Farmer über die Gefahren informiert werden, ist alles OK.“ Kaum jemand weiß derweil, dass sich Monsanto Inc. die Bundesrepublik Deutschland als Risiko-Bewertungsland für die europaweite Zulassung ganz bewusst aussuchen durfte. Diverse Umweltorganisationen behaupten, Monsanto stoße bei den Unterbehörden des Bundesministeriums für Landwirtschaft (BMEL) auf offene Ohren, was die Zulassung von Glyphosat und im Übrigen zunehmend auch gentechnisch veränderte Pflanzen betrifft. Letzteres verdeutlichte vor kurzem Agrarminister Christian Schmidt/CSU, der das nationale Anbauverbot von GVO unterminieren wollte, indem er den Bundesländern anheimstellt, eine eigene Länderregelung zu finden.

Die Bundesbehörden sind angesichts erdrückender wissenschaftlicher Belege nun angehalten, die in menschlichen und tierischen Körpern gefundenen Glyphosat-Mengen auf eine Weise zu testen, die belastbare Ergebnisse bezüglich der erlaubten Tagesdosis (ETD) liefern. Dabei wird im Rahmen einer modernen Risikobewertung wissenschaftlich diskutiert, wie und auf welche relevanten Effekte man sich einigen soll: Diejenigen Effekte nach hoher Glyphosat-Dosis oder der fehlenden Glyphosat-Effekte aufgrund niedriger Dosis. Monsanto zerreißt gerne Studien anderer Forscherteams, weil sie angeblich zu hohe Dosen verabreicht hätten. Landwirte sollen sich an die Vorgaben halten, dann sei alles OK. Die Zulassungsbehörden BfR, BVL und EFSA folgen dieser Argumentation auf geradezu fahrlässige Weise.

Das große Schweigen über Beistoffe

Wesentlich für eine aussagekräftige Dosis-Diskussion ist aber die Berücksichtigung aller wichtigen Faktoren. Neben einer eben unsachgemäßen Anwendung gibt es über 20 weitere gewichtige Faktoren, die nicht in die Risikobewertung einfließen. Diese über 20 Faktoren verursachen in den unterschiedlichsten nicht-monotonen Wirkgeflechten externe Kosten, die in keinem Monsanto-Antrag an die deutschen Behörden BfR und BVL erwähnt sind. Neben den nicht kalkulierten ökologischen Folgen wie dem Amphibientod durch Pestizide sind die Pestizid-Beistoffe ein weiterer wesentlicher intransparenter Faktor.

Die als Beistoffe genannten Formulierungshilfsstoffe führen zum Beispiel beim Bayer-Produkt Aspirin dazu, dass sich weniger Flocken bilden. Löst man ein Aspirin-Generikum wie ASS in Wasser, bilden sich mehr Flocken, die durch verstärkte Anhaftung im Magen zu einer gesundheitlich stärkeren Belastung führen kann. Die bessere Formel behält die Bayer AG für sich, denn sie stellt für den Aspirin-Erfinder nach wie vor einen Wettbewerbsvorteil dar. Auch wenn die Glyphosat-Hersteller weiterhin ihre zugesetzten Beistoffe verheimlichen dürfen, müssen unbedingt Langzeitstudien mit realistischen Belastungsmengen und nicht-monotonen Betrachtungsmodellen her. Das BfR schreibt dazu in einer Stellungnahme vom 06. März 2014, man sehe Forschungsbedarf auf dem Gebiet der Mischungstoxizität. Fast ein halbes Jahrhundert nach der Erstzulassung von Glyphosat ist dies eine geradezu skandalöse Stellungnahme, die nicht ohne politische Folgen bleiben darf.

Hersteller müssen außerdem stärker verpflichtet werden, ökologische Studien zu bezahlen, um zum Beispiel dem Verlust von so wichtigen Bestäubern wie dem Monarchfalter vorzugreifen. In den USA ist diese Schmetterlingsart bereits auf dem Rückzug, weil Glyphosat flächendeckend genau diejenigen Seidenpflanzen (milkweed) tötete, auf die die ausgewachsenen Falter ihre Eier ablegten. Da Monarchfalter in den USA zu den TOP-Bestäubern gehören, verursacht Glyphosat also dort eindeutige volkswirtschaftliche Kosten, die in der Risikobewertung nicht berücksichtigt wurden.

→ Lese weiter im 6. Teil

66 Prozent aller Gerstenflächen werden mit Glyphosat behandelt. Bildrechte: Pixel2013 auf Pixabay 1426269_1920

 

Legende des Wörterbuch Glyphosat von ANA LOGO

  • GVO (genetisch veränderte Organismen) = GMO (genetically modified organisms)
  • PSM = Pflanzenschutzmittel
  • So ist die Übersicht unterteilt:
  • Erste Sektion: Welche Wissenschaftler an welchen Universitäten und Instituten?
  • Zweite Sektion: Welche Angestellte in welcher öffentlichen Institution?
  • Dritte Sektion: Welche Angestellte in Industrie, NGO und Lobbyismus
  • Alle 3 Sektionen primär nach alphabetischem Ort bzw. Amt/Institution. EU hierarchisch bzgl. Aktionsradius. Sekundär chronologisch. Bundes-Amt steht vor Bundes-Anstalt.
  • Der Übersicht halber gibt es eine Wertung: Grün steht der Einfachheit halber tendenziell FÜR eine biologisch-dynamische Wirtschaftsweise, GEGEN Glyphosat und die Agro-Gentechnik, FÜR eine transparente Gesetzgebung, LIEFERT Studienergebnisse, die eine Gesundheitsgefahr und ökologische Gefahr darstellen. Rot steht mit seinen Aussagen und Aktionen für das Gegenteil.
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