Der Glyphosat-Report von ANA LOGO – 3. Teil

Weltweit gibt es 800 Pestizide, von denen 300 in Labors wissenschaftlich erfasst sind. Pflanzenschutzmittel wirken, sofern sie bioverfügbar (i. e. wasserlöslich) sind. Eine neue Leipziger Studie mit allerdings dünner Datendecke schockiert die Behörden, denn die Wissenschaftler konnten überraschend auch die Fettlöslichkeit von Glyphosat feststellen: Das Ackergift wurde in 16 Fällen in Muttermilch gefunden.

Nun müssen laut einer Vorgabe der OECD 95 % aller Pestizide in 5 Tagen abgebaut sein. Glyphosat hat eine Halbwertszeit von 3 Tagen, entfaltet seine tödliche Wirkung also andauernder als zum Beispiel das Organophosphor-Insektizid Disulfoton, dessen Halbwertszeit bei pH 7 bei nur 28 Stunden liegt. Gänzlich verschwunden ist Glyphosat aber auch nach 5 Tagen nicht, denn sein ätzendes Abbauprodukt Aminomethylphosphonsäure (AMPA) bleibt den Böden mindestens noch eine gute weitere Woche erhalten.

Faktor Zeit

Glyphosat wirkt an Land anders als im Wasser. Nach der toxikologischen Exposition wirkt der Giftstoff bei aquatischen Organismen wie Fischen und Kleinkrebsen nach spätestens 72 Stunden. Amphibien (Frösche und andere) sterben noch viel schneller. Insbesondere sind im Weinbau eingesetzte Pilzgifte (Fungizide) hochtoxisch für Amphibien. Pestizidstudien der Universität Koblenz-Landau zeigen, dass bereits nach 24 Stunden alle Frösche tot waren. Selbst bei 90 % niedrigerem Pestizidaufwand als in der Praxis waren einige Produkte akut toxisch. Bei 40 % bis 100 % der Populationen waren 86 % aller Produkte tödlich. Der Grund: Die Haut von Amphibien ist für Pestizide quasi durchlässig.

Was nützt es also, wenn Monsanto und das bewertende BfR titulieren, Glyphosat sei innerhalb von 5 Tagen abgebaut? An Land beträgt die komplette Blühdauer von Pflanzenarten wie Feldrosen nur ganze 2 Tage. Im biologisch-medizinischen Sinne können 5 Tage Giftentfaltung also den Tod bedeuten.

Der Faktor Zeit ist eines der Schwachpunkte der geltenden Gift-Bewertung durch BVL, BfR und EFSA. Als eine Forschergruppe um den Franzosen Séralini die Krebsentwicklung bei Ratten entdeckte, gaben BVL und EFSA zu, dass Monsanto darauf drängte, nur diejenigen Studienergebnisse heranzuziehen, die maximal 3 Monate gedauert hatten: In dieser kurzen Laborzeit waren die Tiere an anderen Dingen gestorben, also noch bevor sich der Krebstumor ausbilden konnte. Wie sollen Studien Krebs nachweisen, wenn man der Krankheit keine Chance lässt sich zu entwickeln? Bekommen Menschen und Tiere folglich keinen Krebs, wenn das BfR nur Studien kürzer als 3 Monate begutachtet?

In ihrer offiziellen Stellungnahme schrieb das BfR am 28. September 2012, das BfR „habe mit Interesse zur Kenntnis genommen, dass erstmalig eine Langzeitfütterungsstudie mit einer Glyphosat-haltigen Formulierung durchgeführt wurde. Bisher lagen keine Langzeitstudien vor, da solche Untersuchungen in der regulatorischen Toxikologie weltweit nur mit dem Wirkstoff gefordert werden.“ Es stellt sich die Frage, welche Akteure das forderten und wer umfassendere Studien verhinderte?

Den Faktor Zeit-Vorteil nutzen BfR, EFSA und Monsanto derzeit auf andere hinterhältige Weise, um eine Wiederzulassung von Glyphosat zu erreichen: Lobbycontrol berichtet aktuell, wie BfR und EFSA im Januar 2015 dem Glyphosat-Erfinder vertraulich einen kritischen Bericht bezüglich der Wiederzulassung zuspielte. Als die NGO Testbiotech Einblick in die Aussagen der Bewertungsbehörde verlangte, erhielten sie von dem EU-Vertretungs-Generaldirektor Miko eine Absage: Es bestehe kein „übergeordnetes Interesse“. Also gewann Monsanto Zeit, um noch vor der Veröffentlichung der „Krebs-Warnung“ durch die WHO im März 2015 dem BfR eine Gegenstudie zu liefern, die Glyphosat natürlich nicht als krebserregend bescheinigte. Welche Studie hat das Bundesinstitut für Risikobewertung wohl im so wichtigen Abschlussbericht verwendet?

Faktor Landwirt

Auch die meisten Landwirte wollen Zeit sparen: Den Acker hacken ist OUT, Glyphosat spritzen dafür in Mode. Durch Beigabe des Mittels kurz vor der Ernte begrüßen sie zudem die Sikkation genannte Funktion als Erntebeschleuniger. Wie ein billiges Breitband-Antibiotikum tötet das billige Breitband-Herbizid Glyphosat das ungeliebte Unkraut flächendeckend, obwohl man beide nur benutzen soll, wenn nichts anderes mehr hilft. Die Interessenvertretung der industriell wirtschaftenden Landwirte DLG (Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft) fordert von seinen Mitgliedern seit langem vergeblich, den Einsatz von Glyphosat auf ein Minimum zu reduzieren und stattdessen auf einen guten Ackerbau zu setzen. Im Endeffekt ernten die großen Landwirte ihren Silo-Mais (als Futtermittel für das „gesunde“ Hühnerfleisch) und Raps (für den umweltfreundlichen Biotreibstoff Super E10) mit weniger Arbeitsaufwand. Fazit: Faulheit frisst Ökologie.

In vielen Ländern vertreibt Monsanto Glyphosat (Pott) im Kombipack mit genmanipuliertem Mais oder Soja (Deckel), die man üppig mit Glyphosat bespritzen kann, weil Pott auf Deckel passen. BASF und Bayer CropScience beobachteten die Szene und stiegen mit hohen Ertragshoffnungen ins Glyphosatgeschäft ein. Doch dann entwickelten Unkräuter Resistenzen und wurden zu Superunkräutern: Die Pflanzen hatten auf einmal doch etwas gegen das Spritzgift, und in Brasilien, Argentinien, Kanada und den USA muss man nun bis zu acht Mal mehr Glyphosat spritzen. Die Hersteller freuen sich über den Anstieg des Umsatzes.

Weltweit beugen Landwirte einem Ertragsverlust von nur 10 % durch Pflanzenschädlinge vor, indem sie 100 Herbizide einsetzen. Die erlaubte Einsatzmenge für Glyphosat liegt in Deutschland pro Jahr und Hektar bei 3,7 Liter Wirkstoff. Das im Baumarkt erhältliche Glyphosat-Produkt Roundup enthält 360 Gramm pro Liter. Gemäß der Formel 1 Liter = 1.000cm³ und bei einer Dichte von 1,7 Gramm pro cm³ läge die maximal in Deutschland erlaubte Aufbringungsmenge bei 74.851.000 kg (3,7L = 3.700cm³ x 1,7g/cm³ = 6.290 g pro Hektar x 11.900.000 Hektar deutsches Ackerland = 74.851.000 kg).

→ Lese weiter im 4. Teil

72 Prozent aller Flächen für Körnerleguminosen, also Hülsenfrüchte wie Bohnen, werden mit Glyphosat behandelt. Bildrechte: Jan Nijman auf Pixabay 1001032_1920

Legende des Wörterbuch Glyphosat von ANA LOGO

 

  • GVO (genetisch veränderte Organismen) = GMO (genetically modified organisms)
  • PSM = Pflanzenschutzmittel
  • So ist die Übersicht unterteilt:
  • Erste Sektion: Welche Wissenschaftler an welchen Universitäten und Instituten?
  • Zweite Sektion: Welche Angestellte in welcher öffentlichen Institution?
  • Dritte Sektion: Welche Angestellte in Industrie, NGO und Lobbyismus
  • Alle 3 Sektionen primär nach alphabetischem Ort bzw. Amt/Institution. EU hierarchisch bzgl. Aktionsradius. Sekundär chronologisch. Bundes-Amt steht vor Bundes-Anstalt.
  • Der Übersicht halber gibt es eine Wertung: Grün steht der Einfachheit halber tendenziell FÜR eine biologisch-dynamische Wirtschaftsweise, GEGEN Glyphosat und die Agro-Gentechnik, FÜR eine transparente Gesetzgebung, LIEFERT Studienergebnisse, die eine Gesundheitsgefahr und ökologische Gefahr darstellen. Rot steht mit seinen Aussagen und Aktionen für das Gegenteil.
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