Freilaufende Hunde: Stadtverwaltung Mainz umgeht Amtspflicht mit Aufruf zu Zivilcourage

Mainz | analogo.de – Trotz neuer Schuldverschreibungen in Höhe von über 100 Millionen Euro hat die Stadtverwaltung Mainz die Kontrolle über die Umsetzung ihres Ordnungsrechts verloren. Sie setzt daher auf Zivilcourage der Bürgerinnen und Bürger. Dies wurde auf der gemeinsamen Sitzung des Umweltausschusses und Klimaschutzbeirates vom 22. November 2013 deutlich, als Umweltdezernentin Katrin Eder zu Zivilcourage aufrief.

Konkret geht es um die Tatsache, dass in Mainz (Stadtgebiet und Lennebergwald) Hunde immer häufiger widerrechtlich frei herumlaufen. Mangels städtischer Kontrollen verstoßen Hundebesitzer regelmäßig gegen die Rechtsverordnung der Anleinpflicht in öffentlichen Anlagen und in bestimmten Natur- und Landschaftsschutzgebieten und gegen die Pflicht im Wald Hunde bei sich zu halten. Laut städtischer Rechtsverordnung sind bei festgestellten Verstößen entweder ein Verwarnungsgeld bis 35 Euro oder bei Ordnungswidrigkeiten eine Ahndung mittels Verwarnungs- oder Bußgeld in Höhe bis zu 10.000 Euro fällig.

Auf der Sitzung mahnte der Ortsvorsteher von Finthen, Herbert Schäfer (CDU) an, dass Zivilcourage nichts bringe: „Hundebesitzer würden nur lapidar erwidern: „Wir zahlen doch Hundesteuern.“ Katrin Eder wich der Anklage des Vollzugsdefizits aus, indem sie zu Zivilcourage aufrief. Nun sollen also verängstigte Bürgerinnen und Bürger auf ihrem Spaziergang alle Hundehalter anmahnen ihre Hunde a. im Park anzuleinen oder b. im Lennebergwald bei sich zu halten? Wie der Abteilungsleiter Thiel der Abteilung 20.03 Steuerverwaltung dem Mitglied des Klimaschutzbeirates, Rainer Winters, in einem Telefonat erklärte, möchte die Stadtverwaltung die wenigen „offiziellen“ Hundebesitzer nicht mit Kontrollen des Ordnungsamtes belästigen.

Denn laut Statistik sind in Mainz nur knapp 5.300 Hunde gemeldet, was einer unterproportionalen Quote von 2,6 % (5.300 Hunde auf 205.000 Einwohner) entspricht. Ein Blick auf den Bundesdurchschnitt (geschätzte 5,3 Millionen Hunden auf 82 Millionen Menschen) weist darauf hin, dass die Menschen in Mainz entweder weitaus seltener einen Hund haben oder eben ihren Hund nicht offiziell anmelden. Abteilungsleiter Thiel bestätigte im Telefonat, dass Mainz diejenige Stadt in Rheinland-Pfalz ist, die proportional mit Abstand die wenigsten Hunde gemeldet hat. Hat die Stadtverwaltung Angst, dass bei mehr Kontrollen zunehmend weniger Menschen ihren Hund anmelden?

Laut Revierförster Stefan Dorschel kommt im Lennebergwald auf 11 Menschen ein Hund (Besucher: 1 Million Menschen und 90.000 Hunde). Da einige Hundebesitzer mehr als einen Hund halten, kann man im Stadtgebiet bei 5.300 gemeldeten Hunden von weniger als 5.000 Hundehaltern ausgehen. Von 205.000 Einwohnern halten also 5.000 Menschen einen Hund, 200.000 Mainzer Bürger haben also keinen Hund gemeldet. Bei einer Haushaltsquote von 2,02 Personen pro Haushalt stehen also 100.000 Menschen in keinem Bezug zu einem eigenen Hund.

Da der Wald überproportional von Menschen mit Hund benutzt werden dürfte, ist die Hundedichte im Lennebergwald in der Wahrnehmung der Menschen als äußerst hoch anzusehen. Dem Leinenzwang zum Schutz der Bevölkerung ist daher weitgehend Vorrang einzuräumen. Es ist nicht weiter hinnehmbar, dass v. a. große Hunde – außer Kontrolle ihrer Besitzer – auf andere Spaziergänger zu gerannt kommen und diese gar wider Willen berühren. Zudem beeinflusst der Freiheitsradius der Hunde in großem Maße den Freiheitsradius des Nachwuchses anderer Waldtiere auf negative Weise.

Dass die Stadtverwaltung angesichts dieser Malaise auf Zivilcourage setzt, ist ein Schlag ins Gesicht der BürgerInnen und Bürger. Denn zahllose Zurufe, die Hundebesitzer mögen ihre Hunde bitte anleinen oder bei sich halten, erhalten tatsächlich meist die beiden stereotypischen Antworten:

  1. „Nein, der tut nichts. Bello, geh fuß, ja fuß.“
  2. „Ich zahle ja Hundesteuern.“

Herrn Schäfer ist also unbedingt Recht zu geben. Auch der Forstbericht für den Lennebergwald unterstützt die Forderung Hunde im Wald anzuleinen. Der Aufruf zu Zivilcourage kann nicht länger als Methode akzeptiert werden, dass sich die Stadtverwaltung aus der Verantwortung stiehlt. Die Stadtverwaltung sei aufgerufen ihrer Amtspflicht nachzukommen, nämlich die Durchsetzung geltenden Ordnungsrechts. Für die Durchsetzbarkeit von Amtshaftungsansprüchen stehen gem. Art. 34 S. 3 GG, § 40 II VwGO die ordentlichen Gerichte zur Verfügung, und streitwertunabhängig die Landgerichte in erster Instanz gemäß § 71 II Nr. 2 GVG.

Doch bevor es soweit kommt, könnte ein netter Vertreter der Stadt an den hunde-intensiven Sonntagen zwischen 12 Uhr und 16 Uhr durch den Lennebergwald flanieren (ähnlich dem englischen Vorbild des „netten Schutzmanns von nebenan“), Bürgernähe aufbauen und ein wenig nach dem Rechten schauen.

„Nein, der tut nichts. Bello, geh fuß, ja fuß“, sagen die Täter. Bildrechte: Capri23auto auf Pixabay 3388580_1920