Schleswig | analogo.de – Ein Wandelkonzert auf dem prachtvollen Gelände von Schloss Gottorf in Schleswig zu veranstalten, war eine grandiose Idee der Veranstalter des Schleswig Holstein-Musik Festivals. Genau wie der Komponist Robert Schumann dieses Jahr im Mittelpunkt des gesamten Festivals stand, boten die Künstler insbesondere am 22. Juli 2018 einen schumannschen Sommercocktail aus Musik und Literatur. Der etwas überraschende Höhepunkt der Veranstaltung war der vorgetragene Briefwechsel zwischen Robert Schumanns und seiner Frau Clara. Maria Hartmann und Christian Brückner führten durch das Programm. analogo.de war zugegen und berichtet vom Ereignis.
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Ein wunderbarer sonniger Sonntag war der 22. Juli 2018 und die prachtvollen Gebäude auf dem Gelände erstrahlten wie in Vorfreude auf den bevorstehenden Hörgenuss. Die Auftaktveranstaltung um 15 Uhr hatte Schumann im Reich der Fantasie zum Thema. Der prachtvolle Hirschsaal war zwar für die vielen Menschen etwas stickig und die Vierteilungen der Deckenmalereien grausam, aber wer schaut bei Robert Schumanns Klängen schon an die Decke?
Los gings mit den Abegg-Variationen, die Schumann einer Frau widmete, die es gar nicht gab. Schumann im Reich der Fantasie. Klett glänzte virtuos mit Läufen wie das Spektrum kurzfrequentierter Strahlung des Sommerlichts. Kletts Flügel am Fenster, im Hintergrund der Blick in die sommerlich-grünen Gartenanlagen des Schlosses.
Zum Carnaval op. 9 erfuhren die Zuhörer die Verbindungen von Schumann zum Autor Jean Paul. Auch hier ein sich aufbauendes Drama mit in der Luft hängenbleibenden Klängen voller Virtuosität. Dann brillierte Martin Klett mit den Fantasiestücken op. 12. Die innigen Passagen wahrlich schön. Aufatmen. Kletts Interpretation der Gesänge der Frühe op. 133 erinnerten an Erik Satie, nur mit Zwischentönen. Immer wieder zwischendurch biographische Stationen von Robert Schumann, den die Suche nach der Wahrheit wahrlich beschäftigte: „Was ist wirklich, was ist wahrhaft?“
Schumann im Reich der Wirklichkeit
Um 16 Uhr trennte sich das Publikum in zwei Gruppen auf. Die einen strömten zur Kapelle, um sich Schumann im Reich der Wirklichkeit anzuhören, die anderen zum Kreuzstall, um Schumann im Reich der Töne zu genießen. Fast andächtig lauschte das Publikum in der ehrwürdigen Kapelle aus dem Briefwechsel des Liebespaares Clara und Robert. Clara schrieb aus Wien, Robert aus Leipzig. Gekonnt gelesen durch Hartmann und Brückner, unterstützt durch die romantischen Flötenklänge von Imme-Jeanne Klett von den Höhen der Empore.
Auf Christian Brückner hatten sich viele gefreut, denn er verlieh seine Stimme zahlreichen Filmhelden wie Robert de Niro, Peter Fonda, Robert Redford oder Gérard Depardieu. Diesmal war Brückner weder Robert de Niro noch Robert Redford, sondern Robert Schumann. Wer Al Pacino liebt, schloss also einfach die Augen und genoß Brückners deutsche Synchronstimme.
Aus den Briefwechseln von 1838 wählte Brückner gute Worte: „So müssen wir unser gutes Recht suchen“, „Der Geist Deines Vaters hat hinter Dir gestanden“ oder „bevor ich Deiner durch ein Wort von ihm sicher wäre“. So wie Brückner Bedeutung in die Worte legte („uunser Ziiel“) gewinnt die deutsche Sprache an Schönheit.
Clara – selbst eine berühmte Pianistin ihrer Zeit – wurde von ihrem Vater durch die hochherrschaftlichen Häuser Europas geschleift. Der Alte in erster Linie auf seinen finanziellen Vorteil durch die begabte Tochter bedacht, hätte die Heirat von Robert Schumann mit seiner Tochter nur allzu gerne verhindert. Letztendlich war die selbstbewußte Clara jedoch die treibende Kraft und klagte ihr Recht gegen den Vater vor Gericht ein.
Immer schon gab es sie, diese mutigen und starken Frauen, die sich wie ein roter Faden durch die Weltgeschichte ziehen. Leider wird das in unseren Schulen immer noch nicht richtig gewürdigt und so ist es sehr aufgeschlossen, wie sich die Initiatoren auch um dieses vernachlässigte Thema in unserer heutigen Zeit stark bemühen. Hut ab, meine Damen und Herren!!!
Auch die Künstlerin Maria Hartmann wählte gute Worte Clara Wiecks: „Freund, welch kaltes Wort“ oder „junge Leute so fad“. Die ausgetauschten Worte spiegelten ehrlich und nüchtern wider, wie notwendig die finanzielle Versorgtheit bis heute ist: „Welche Ausichten eröffnen Sie mir?“
Beschenkt verließen die Hörer die Kapelle und strömten zum Streichquartett in den steril renovierten Kreuzstall. Gruppe B wandelte in die hölzerne Kapelle. „Es ist göttlich!“ rief einer den Wartenden zu und erntete ein strahlendes Lächeln. Eine Stunde lang verwöhnte das Streichquartett des Ensemble Obligat Hamburg mit der Musik von Robert Schumann und Felix Mendelssohn.
Pause. Die Sonne tauchte das Parkgelände und die Wasser in einen warmen spätsommerlichen Nachmittag. Das meist ältere Publikum flanierte auf den Rasenflächen, trank Wein oder Kaffee und genoß Eis und Kuchen. Sehr leckeren Kuchen!! Man sah es den Menschen an: Ihnen wurde mit dieser Veranstaltung ein Geschenk gemacht. Heiterkeit und Entspannung. Tage, an denen man sich wünscht, dass sie nie zu Ende gehen mögen. Doch so wie der Tag in die Nacht übergeht, so neigte sich eine traumhafte Veranstaltung dem Ende zu.
Um 19 Uhr ward das Finale in der modern renovierten und mit LEDs verhunzten Reithalle eingeleitet: Schumann im Reich der Literatur bedeutete ein Wechselspiel von Musik und Lesung. Wirklich gut gemeint mussten es die Veranstalter mit dem Publikum gemeint haben, doch wer von Anfang an dabei war, überkam nicht selten die Müdigkeit. Es war Sonntag und die Arbeitswoche stand bevor. Der mehr als fünfstündige Rahmen anspruchsvoller Kulturdarbietungen beanspruchte die Zuhörkapazitäten arg. Vielleicht kühlte die Klimaanlage deshalb so tief herunter … um die Zuhörer wach zu halten.
Aufgeführt wurden Fantasiestücke von Schumann, der eine Lesung von Joseph von Eichendorff folgte. Brückner hauchte „Es war, als hätte der Himmel die Erde still geküsst, es rauschten leicht die Wälder“. Gehaucht.
Dann wieder Schumann aus den Märchenbildern op. 113 für Klavier und Viola. Ja und dann folgte eine Textsequenz von Jean Paul, die durch ihre nicht enden wollenden Sätze Verständnis zeugte für die Tatsache, dass Jean Paul schwer zu lesen ist und wer nicht verstanden hat, dass der Satz immer noch länger werden könnte, der versteht es vielleicht jetzt.
Insgesamt gings in der Halle dann so weiter, das Wechselspiel von Schumann und mit ihm zu verbindenden Autoren: Schumann, Heine, Schumann, Heine, Schumann, Heine, Schumann, E.T.A. Hoffmann, Schumann und nochmal Schumann. Ja wer Schumann bis dahin nicht verstanden hatte, well …
Ein Schlusswort: Den Veranstaltern sei von ganzem Herzen gewünscht, mit diesem fantastischen Musik Festival zukünftig auch die jüngere Generation zu erreichen. Denn wahrlich, das Schleswig-Holstein Musik Festival ist ein Fest!!