NO2 in Mainz – Symposium will drohendes Dieselfahrverbot diskutieren

Mainz | analogo.de – Aufgrund eines drohenden Dieselfahrverbotes in den Städten Mainz und Wiesbaden veranstaltet die Stadt Mainz am kommenden Dienstag, den 21. November 2017 im Rathaus ein öffentliches „Symposium“ mit dem Titel: Gute Luft für Mainz – droht ein Dieselfahrverbot? In den nächsten Monaten werden die Verwaltungsgerichte Wiesbaden und Mainz und das Bundesverwaltungsgericht entscheidende Urteile aussprechen, weil trotz mannigfacher Maßnahmen die Luftqualität seit vielen Jahren auf einem gesundheitsschädlichen Niveau ist. Die europaweit geltenden Grenzwerte zur Stickoxidbelastung werden kategorisch überschritten. Trotz Einrichtung einer gemeinsamen Umweltzone der Städte Mainz und Wiesbaden vor vier Jahren sterben jährlich in beiden Städten zusammen durchschnittlich 15 Menschen pro Jahr vorzeitig an den Folgen von Dieselabgasen.

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Acht Tage vor der nächsten Stadtratssitzung am 29. November 2017  ist die lähmende Angst der verantwortlichen Politiker vor einem Dieselfahrverbot in Mainz und Wiesbaden spürbar. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) klagt mit insgesamt vier Klagen gegen die Städte Mainz und Wiesbaden und das Land Hessen. Lediglich eine der vier Klagen gegen die Stadt Mainz lässt die DUH in gewissen Abständen ruhen oder wieder aufleben. Die derzeit wieder ruhende Klage könnte jedoch jeden Moment wieder aufleben. In Wiesbaden wird in diesen Wochen vor der 7. Kammer des Verwaltungsgerichts die Klage der DUH gegen die Stadt Wiesbaden verhandelt. Wie uns der Mediensprecher und Richter des VG Wiesbaden, Marcel Buus auf Anfrage mittteilte, hat die DUH – ebenso wie in Mainz – die Stadtverwaltung in Form der KFZ-Zulassungsbehörde verklagt.

In Mainz lautet das Argument der Umweltschutzorganisation, VW-Fahrzeuge der Abgasnorm Euro 5 bzw. des Motortyps EA 189 sollen nicht auf öffentlichen Straßen fahren dürfen. Durch die Verwendung illegaler Abschalteinrichtungen sei die Betriebserlaubnis der Fahrzeuge erloschen, die betroffenen Autos daher außer Betrieb zu setzen. Die Stadtverwaltung Mainz antwortete uns auf Nachfrage, man erwarte seit geraumer Zeit eine Ankündigung des Kraftfahrzeugbundesamtes (KBA), auf deren Basis die Stadt Mainz Schritte einleiten könnte bzw. müsste. 

Denn diverse Fahrzeughalter mit bestimmten Motorentypen sind seit Januar 2016 angehalten an einem verpflichtenden Rückruf ihrer Fahrzeuge teilzunehmen. Einer heutigen Umfrage von analogo.de unter Dieselbesitzern in Mainz zufolge haben aber viele Fahrzeughalter bislang keine Mitteilung vom Automobilhersteller erhalten, ob ihr Wagen ebenfalls eine illegale Abschalteinrichtung eingebaut hat und sie deshalb zu einem Softwareupdate in die Werkstatt müssen. Der Pressesprecher der Stadt Mainz, Ralf Peterhanwahr berichtete unserer Redaktion, es sei angekündigt, dass das Kraftfahrtbundesamt den Kommunen die säumigen Halter mitteilt, sollten diese nicht an dem Rückruf teilgenommen haben. Peterhanwahr vermutet, dass es dann eine letzte Fristsetzung von 14 Tagen durch die kommunalen Zulassungsstellen gebe. Erfolgt dann keine Reaktion, könne eine Stilllegung der Fahrzeuge erfolgen. Da Peterhanwahr in Bezug zu den Interaktionen von Stadt Mainz und KBA aber Raum für Interpretationen ließ, formulierte er die Abläufe im Konjunktiv. Wir befragten daher das Kraftfahrzeugbundesamt nach Details. Was das KBA auf unsere neun Fragen geantwortet hat, werden wir zeitnah berichten.

Es könnte also sein, dass KBA und Zulassungsbehörden den Gerichten zuvorkommen, indem sie selektiv gewisse Dieselfahrzeuge aus dem Verkehr ziehen. Ob das wiederum innerhalb eines halben Jahres zu einer signifikanten Reduktion von NO2-Emissionen führt, muss bezweifelt werden. Neuerliche Urteile der Gerichte in Heilbronn (Landgericht) oder München (OLG) zeigen zudem, dass die Autohändler nicht garantieren können, dass die unzulässige Abschalteinrichtung nach dem Check komplett deaktiviert wurde. Fahrzeugbesitzer durften ihre Autos daher an die Händler zurückgeben. Da der Dieselgipfel von Bundeskanzlerin Angela Merkel im Sinne großzügiger Zusagen an die Dieselbesitzer alles andere als befriedigend war (wir berichteten), klagen nun deutschlandweit immer mehr Dieselbesitzer auf eigene Kosten – und beschäftigen die ohnehin überlasteten Justizbehörden vor Ort.

Auf dem Mainzer Symposium sollen fünf Politiker referieren, wonach Fragen gestellt werden dürfen. Zu den Referenten zählt Claudia Hornberg, die Vorsitzende des Sachverständigenrates für Umweltfragen in Berlin. Solarify berichtet, dass Hornberg die Gesundheits­bewertung von Stickstoffoxiden im aktuellen Bericht des Untersuchungs­ausschusses des Bundestages zur Dieselaffäre kritisiert. Anders als dort dargestellt erwiesen sich Stickstoffoxide in toxikologischen und umweltepidemiologischen Studien zweifelsfrei als gesundheitsgefährdend. Die Belastungen sollten dringend verringert werden, so Solarify. Hornberg referiert zu den Luftschadstoffen NO2, Bodenozon O3, Feinstaub (PM10) und ihren gesundheitlichen Auswirkungen.

Das Grußwort zur Veranstaltung soll Ulrike Höfken sprechen, die Staatsministerin für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten von Rheinland-Pfalz. Höfkens Behörde übertrug der Stadt Mainz Anfang 2012 die Zuständigkeit für den Luftreinhalteplan, die seitdem die Rolle des Beklagten im Verfahren gegen die DUH ist. Die DUH ließ daraufhin zum 04. Juni 2012 erstmals ihre Klage aus dem Jahr 2011 ruhen. Im Dezember 2013 nahm die DUH ihre Klage wieder auf.

Der Hauptreferent des Deutschen Städtetages, Axel Welge referiert über gesetzliche Regelungen und die Luftqualität in deutschen Städten. Der Leiter des Umwelt- und Verbraucherschutzamtes der Stadt Köln, Konrad Peschen referiert über die Kölner Strategie zur Luftreinhalteplanung nach der Klage der Deutschen Umwelthilfe. Und Marita Mang aus dem durch die DUH beklagten Hessischen Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz referiert über Maßnahmen der hessischen Städte zur Luftreinhaltung. Mangs Ministerium steht mit dem Rücken zur Wand: Wir berichteten über den bevorstehenden Verhandlungsmarathon beim VG Wiesbaden bzgl. der Städte Limburg, Frankfurt, Darmstadt und Wiesbaden, wobei jedesmal die Landesregierung beklagt wird. Anders als in Mainz zeichnet sich hier noch das Land für die Luftreinhaltepläne verantwortlich.

Das Symposium findet am kommenden Dienstag, den 21. November 2017 zwischen 17 Uhr und 19.30 Uhr im Ratsaal des Mainzer Rathauses (Jockel Fuchs-Platz 1, 55116 Mainz) statt.

Umwelt in Mainz: Kessellage der Stadt (im Hintergrund Taunusgebirge), gesundheitsgefährdende Luftkonzentrationen für Stickstoffdioxid (NO2) und Ozon (O3) durch sehr hohe Verkehrsdichte (hier kreuzt Autobahn A 643 den größten Freizeitwald der Stadt), rund 2.000 tägliche Flüge des nahen Flughafens Frankfurt und Schiffsdieselabgase auf dem Rhein. © Copyright 2017 ANA LOGO
Umwelt in Mainz: Kessellage der Stadt (im Hintergrund Taunusgebirge), gesundheitsgefährdende Luftkonzentrationen für Stickstoffdioxid (NO2) und Ozon (O3) durch sehr hohe Verkehrsdichte (hier kreuzt Autobahn A 643 den größten Freizeitwald der Stadt), rund 2.000 tägliche Flüge des nahen Flughafens Frankfurt und Schiffsdieselabgase auf dem Rhein. © Copyright 2017 ANA LOGO
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