Universität Koblenz-Landau gerät in Konflikt mit neuem Transparenzgesetz

Landau, Mainz | analogo.de – An der Universität Koblenz-Landau werden in naturwissenschaftlichen Fächern wie Biologie, Ökologie, Chemie oder Umweltwissenschaften Lösungen von Modulprüfungen zurückgehalten. Damit setzen sich die Prüfer laut Auskunft des Beauftragten für die Informationsfreiheit von Rheinland-Pfalz gegen geltendes Recht des Transparenzgesetzes. Konkret betrifft dies die Hochschuldozenten Prof. Dr. Ralf Schulz, Prof. Dr. Klaus Schwenk und Prof. Dr. Gabriele Schaumann.

Nachdem einem Student in zwei Prüfungen jeweils ein Punkt zum Bestehen der Klausur fehlte, bat er die Dozenten um die Herausgabe und Veröffentlichung der geforderten Aufgabenlösungen. Das Rechtsamt verweigerte diese mit Bezug auf das Urheberrecht der Dozenten. Als sich der Student zudem auf das Landesinformationsfreiheitsgesetz von Rheinland-Pfalz berief, wurde auch gemäß diesem Gesetz eine Veröffentlichung verweigert.

Sind Professoren und Lehrer im Jahre 2016 so frei, dass sie Klausuren nach Gutdünken und beliebigem Ermessensspielraum bewerten dürfen? Wie weit dürfen die für den Staat arbeitenden Lehrkräfte gehen, wenn für die Prüflinge womöglich die gesamte persönliche Lebensplanung auf dem Spiel steht? Muss Offenheit im universitären Kontext eine ethische Wertkategorie sein? Welches Gesetz dient eigentlich als Grundlage für die Veröffentlichungspflicht?

Der lange Schatten der Universität Koblenz-Landau

Laut Auskunft des Beauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (LfDI) von Rheinland-Pfalz löst das neue Transparenzgesetz von Rheinland-Pfalz seit 01.01.2016 das alte Landesinformationsfreiheitsgesetz (LIFG) ab. Hochschulen hatten zwar bis zuletzt dagegen gekämpft, unter den Geltungsbereich des Gesetzes zu fallen. Nach einem langen Diskurs einigte man sich allerdings darauf, dass sich auch Hochschulen den Bürgerinnen und Bürgern gegenüber generell transparenter zeigen müssen, und das Transparenzgesetz daher für sie anwendbar ist. Die Landesregierung aus SPD und Bündnis90/Die Grünen stattet die Hochschulen auch aus diesem Grunde mit mehr finanziellen Mitteln aus.

Doch liegt die Universität Koblenz-Landau bekanntermaßen gerne im Clinch mit geltendem Recht rund um die Informationsfreiheit und Transparenz. Sie trägt geradezu einen langen Schatten von Verheimlichung vor sich her. In den Jahren 2013 und 2014 unternahm sie mehrere Zensurmaßnahmen gegen studentische Vertreter, als diese wichtige hochschulpolitische Begebenheiten thematisieren wollten.

Als ein studentischer Vertreter später die Hochschulleitung gemäß LIFG um Einsicht in Akkreditierungsunterlagen eines überbordenden Studiengangs bat, drohte ihm die Hochschulleitung um Prof. Roman Heiligenthal mit €865 Verwaltungskosten. Der Fall diente als Negativbeispiel für rheinland-pfälzische Hochschulen im Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (LfDI) Rheinland-Pfalz von 2013.

Die Re-Akkreditierung des Studiengangs legte übrigens offen, dass der Studiengang Umweltwissenschaft B. Sc. von den Prüfungsanforderungen her nicht plausibel geplant ist, da die zeitlichen Anforderungen an Studierende (und Lehrkräfte) zu hoch seien. Als Indizien für diese Aussage dienten unter anderem die hohen Abbrecherquoten und bei den „nicht Ausgesiebten“ die überbordende Studienzeit von 7 bis 8 Semestern anstatt der Regel von 6 Semestern.

Laut LfDI steht einer Veröffentlichung von Prüfungslösungen der neu eingebaute Paragraph 14 Abs. 1 Nr. 9 entgegen, der konkrete Gründe nennt, die einer Veröffentlichung von Klausurlösungen entgegenstehen. In Kürze besagt dieser Paragraph, dass man Lösungen nicht anfragen darf, bevor die Klausur geschrieben wird. Durch die Bekanntgabe der Informationen könnte das Verfahren zur Leistungsbeurteilung und Prüfung beeinträchtigt werden.

analogo.de wollte nun wissen, wie der LfDI den Anspruch der Lehrenden auf ihr Urheberrecht einschätzte. Die Behörde war in diesem Fall der Ansicht, in diesen Fällen fehle den Aufgaben die dafür notwendige Schöpfhöhe mit außergewöhnlicher geistiger Leistung, und daher sei daraus kein Anspruch auf ein Urheberrecht ableitbar.

Unbegreifliches Geheimnis

Schöpfhöhen orientieren sich bei ihrer Festlegung an gerichtlichen Festlegungen. Man vergleicht hierzu die aktuelle Klausur-Fragestellung mit anderen Fragestellungen zum Beispiel aus der Praxis oder diversen fachlichen Berichten. Sind die Aufgabentexte und Lösungshinweise von ähnlicher Prägung wie die Vergleichstexte, so seien sie nicht urheberrechtlich geschützt.

Neben anderen Aspekten verweist der LfDI auf die gängige Praxis an der Technischen Universität Kaiserslautern, wo eine Veröffentlichung der Lösungen eine selbstverständliche Sache sei. Auch an der Universität Landau veröffentlichen einige Dozenten ihre Muster-Ergebnisse von Klausuren. Doch was bewegt ausgerechnet etablierte Professoren dazu, angesichts ihrer horrenden Saläre eine so wenig rechtschaffene Lehre zu verantworten? Prof. Dr. Gabriele Schaumann gewann im November 2015 vornehmlich aus Lehrgründen sogar den Akademiepreis des Landes Rheinland-Pfalz für ihr „herausragendes Engagement in der Lehre“. Vorgeschlagen wurde sie von einem Kollegen derselben Hochschule.

Der wegweisende Molekularbiologe Erwin Chargaff hatte in seinem Buch Unbegreifliches Geheimnis geschrieben: „Ich glaube nicht, dass es ignorantere Zeiten gegeben hat als die unsere.“ Ist im Kontext der Kernthesen Chargaffs der Verweis auf das eigene Urheberrecht womöglich nur ein vorgeschobenes Argument, um noch mehr Zeit für die eigene Forschung und den eigenen Mammon zu gewinnen und gleichzeitig weniger Zeit in die verdrießliche Lehre investieren zu müssen?

analogo.de fragt: Kann es ein Qualitätsmerkmal von exzellenter Lehre sein, wenn in Fächern wie Bodenchemie semesterübergreifend – und mutmaßlich nicht zuletzt aufgrund mangelnder Prüfungs-Transparenz – Notendurchschnitte von knapp über einer 5 erreicht werden? Der Stifterverband der Deutschen Wissenschaft ist der Meinung, alle Studierenden müssten entlang transparenter Leistungs- und Prüfungsstandards mitgenommen werden, denn das Lernen der Studierenden müsse in den Mittelpunkt gestellt werden. Studentische Lernaktivitäten seien in der Regel auf die in Aussicht gestellte Prüfungsform ausgerichtet. Gute Lehre gehe insofern mit Transparenz der Bewertungskriterien einher.

Die Hochschuldozenten Prof. Dr. Gabriele Schaumann, Prof. Dr. Ralf Schulz und Prof. Dr. Klaus Schwenk scheinen das zumindest anders zu sehen.

Universität Koblenz-Landau, Campus Landau, Bildrechte Rainer Winters
Universität Koblenz-Landau, Campus Landau, Bildrechte Rainer Winters