Richtungsweisender Bildungsstreik an Universität Landau

Landau | analogo.de – Der Campus Landau der Universität Koblenz-Landau ist Land unter. Seit sieben Tagen Ausstand kämpfen die Studierenden der Universität für bessere Studienbedingungen. Auf einer Vollversammlung der Studierendenschaft war der Streik spontan beschlossen worden. Zwischen 23. und 26. November blockierten die Streikenden die beiden Türme auf dem Campus, besetzten das Audimax und legten am Donnerstag, dem 26. November sogar den kompletten akademischen Betrieb am Campus und an einigen städtischen universitären Außenstellen lahm. Ihr Mittel: Der laute und teilweise behindernde Streik und die Besetzung von Räumen und Gebäuden.

In ihrer Pressemitteilung kündigte der Allgemeine Studierenden Ausschuss (ASTA) an, dass der Kampf weiter gehe. Letzten Freitag entschieden die Studierenden auf einem Plenum weiter im Streik zu bleiben. Der ASTA: „Das Audimax bleibt als Streikzentrale weiter besetzt, nur die Besetzung der beiden Türme wurde wieder beendet.“

Am Freitag beschloss die Landes-Asten-Konferenz (LAK), ihre nächste Sitzung am Freitag den 4. Dezember direkt in das besetzte Audimax nach Landau zu verlegen. Dort wollen sich die Vertreter der Studierenden aus ganz Rheinland-Pfalz beraten, wie sie zusammen ihren Protest koordinieren können. Es ist also von einer Ausweitung des Streiks auszugehen. Die Welle rollt.

Doch was bringt die Studierenden konkret in Wallung? Was veranlasst die Studierendenschaften in über 40 Universitäten in Deutschland von der Uni Kiel bis zur Uni Konstanz zu Solidaritätsbekundungen? Was macht den Hashtag #landaulandunter am Wochenende zum zweithäufigsten deutschlandweiten Twitter-Trend im Bereich Politik? Was ist so hahnebüchen, dass man sich am Rande vom Straftatbestand der Nötigung bewegt, indem man am Donnerstag universitäre Mitarbeiter am Ausüben ihrer Arbeit behindert und diese Taten vom Wissenschaftsstaatssekretär Prof. Thomas Deufel dennoch als politisches Engagement der Studierenden begrüßt werden?

Studentenzahlen in Deutschlands erleben in diesem Semester neue Höchstzahlen. Der Universitätsbetrieb konnte nicht so schnell neue Räume schaffen und anmieten, wie neue Studenten nachströmten. Es herrscht Platzmangel in Seminaren und Vorlesungen. Studenten wurden von Vorlesungen ausgeschlossen, weil sie auf den Treppen des Hörsaals saßen und somit die Rettungswege versperrten. Sie mussten die Vorlesung verlassen und haben somit schlechtere Bildungschancen als ihre Kommilitonen. Ist das gerecht?

Im Allgemeinen lastet Universitäten der Vorwurf an, in solchen Fällen Studenten auszusieben um Platz zu schaffen. In einem Richtlinienentwurf verfasste etwa ein Fachbereich, dass die Studienleistungen der Studenten zu schlecht seien, und angesichts des Dozentenmangels dies auf Kosten der Dozenten ginge. Konkret behilft man sich, indem man in einem Studiengang 38 anstatt die in der Prüfungsordnung festgeschriebenen 25 Prüfungen abhält. Man erhöht den Druck auf die Studierenden, die je nach Semester-Jahrgang nur zur Hälfte in der Lage sind den Studiengang zu beenden.

Jüngst beklagte z. B. die Akkreditierungskommission der Akkreditierungsagentur evalag in der Programmakkreditierung der umweltwissenschaftlichen Studiengänge die hohe Abbruchquote in den Studiengängen, weshalb die Studierbarkeit kritisch gesehen werde. In diesem Falle wurde der Universität die Auflage (Dokument unter A siehe in ANA LOGO Datenbank) erteilt, „die Studierbarkeit der Studiengänge „aufgrund der hohen Arbeitsbelastung in einzelnen Semestern, fehlenden Mobilitätsfenstern durch zweisemestrige Module sowie der hohen Quote von Studierenden, die keinen Studienabschluss in den Studiengängen erreichen, zu überprüfen“.

Während ein bemerkenswerter Teil der eigenen Studenten im Fach Umweltwissenschaften diesem Druck zum Opfer fällt, generiert die Universität einige Millionen Euro an zusätzlichen „Mitteln“, indem sie 100 zahlende Master-Studierende aus allen Kontinenten anwirbt. Diese Studierende zahlen der Landauer Universität eine im Vergleich zu etwa britischen Universitäten geringe Summe, um ihren Master zu machen und kehren meistens in ihr Heimatland zurück. Dabei ist aus Landauer Dozentenkreisen zu hören, dass die Bachelor-Qualifikation z. B. von asiatischen Studierenden, die nicht über ein Stipendium nach Deutschland kommen, häufig geringer ist als diejenige des heimischen Campus.

Eine weitere Ersatzquelle für die Minderfinanzierung der Universität Landau sind Forschungsaufträge aus der Wirtschaft. Dabei geben sich Universitäten gerne verschwiegen, wenn es um Details geht, befürchten sie ansonsten weniger Geldmittel eben aus der Wirtschaft. Ein Beispiel für die allgemeine Verschwiegenheit: Ein Studierendenvertreter bat aufgrund der hohen Prüfungsdichte im Fach Umweltwissenschaften und den damit verbundenen Durchfallquoten um konkrete Einsichtnahme in die alten Akkreditierungsunterlagen, die die Hochschulleitung aber verweigerte. Als er folglich um die Einsichtnahme auf der Basis des Landesinformationsfreiheitsgesetz (LIFG) bat, kündigte man ihm als studentischen Vertreter im Fachbereichsrat Kosten in Höhe von €865 für die Einsichtnahme an, sofern er darauf bestehen würde. Der Landesdatenschutzbeauftragte fand den Fall ungeheuerlich und vermittelte. Die Studierenden erhielten die Informationen schließlich kostenfrei, aber die Botschaft war klar: Ihr Studierenden haltet Euch raus! Der Fall gilt als Musterbeispiel für Hochschulen im Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit des LfdI Rheinland-Pfalz und ist dort auf Seite 64 vermerkt (Dokument unter T siehe ANA LOGO Datenbank). Das neue Transparenzgesetz von Rheinland-Pfalz wird nun zeigen, wie offen und ehrlich sich die Universität Koblenz-Landau bezüglich der Kommunikation ihrer vorhandenen Geldmittel zeigt.

Weiterhin herrscht an der Universität ein nicht überraschender Mangel an Dozenten. Lange Zeit kämpfte der Lehrbetrieb z. B. um mehr Professorenstellen für das Fach Geographie.

Laut Studierendenvertreter Yann Schosser fehlen finanzielle Mittel, was die Hochschulleitung und Bildungsministerin Vera Reiß (SPD) aber anders (update: Der SWR hat den Link mittlerweile gestrichen – analogo.de liegt der Originallink vor) sehen. Wie die Pressestelle des Bildungsministeriums analogo.de mitteilte, gäbe es seit 2007 Mittel durch den sogenannten Hochschulpakt, der ausreichende und zuordenbare Mittel für die Raumanmietungen böte. Zudem habe man in Landau seit 2014 18,5 Dauerstellen geschaffen. Die Universität könne damit seit mehreren Jahren die Betreuung der Studierenden verbessern, indem Professorinnen, Professoren, Lehrbeauftragte sowie auch Kräfte in den Studierendensekretariaten und in den Bibliotheken eingestellt werden.

Dass studentische Hilfskräfte am Campus so gering bezahlt würden, sei zudem bundesweit übliche Praxis im Rahmen von Tarifvereinbarungen, so die Pressesprecherin des Ministeriums. Hier sei aber nicht zuletzt durch den bundesweiten Pakt für den wissenschaftlichen Nachwuchs Besserung in Sicht. In einer nachträglichen Korrektur verbesserte das Ministerium, dass die Bezahlung der studentischen Hilfskräfte in die Autonomie der Hochschulen falle, das Land aber den Hochschulen die von der Tarifgemeinschaft der Länder festgelegten Beträge als Orientierungswerte vorgebe. Lediglich wissenschaftliche Mitarbeiter würden nach Tarifvertrag bezahlt.

Marleen Gruber, die Vorsitzende des allgemeinen Studierendenausschusses gibt aber derweil die Richtung der Studierenden vor: „Wir haben gezeigt, dass eine riesige Menge unserer Kommilitoninnen und Kommilitonen mit den Zuständen an der Uni Landau extrem unzufrieden ist und bereit sind, dafür auf die Straße zu gehen. Wir haben gemeinsam im Plenum beschlossen, jetzt weiter an kreativen Streikaktionen zu arbeiten, damit endlich überall klar wird, dass wir uns nicht länger abspeisen lassen.“

Im morgigen Pressegespräch will das Ministerium Stellung beziehen.

Marktplatz der Universitätsstadt Landau, Bildrechte: Rainer Winters
Marktplatz der Universitätsstadt Landau, Bildrechte: Rainer Winters

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