Mainz | analogo.de – Julia Klöckner verhindert laut Meinung der Bürgerrechts-Organisation Mehr Demokratie e. V. aktiv Volksentscheide in Rheinland-Pfalz und ruft daher alle Bürgerinnen und Bürger dazu auf Frau Klöckners politische Kapriolen zu beenden. Unterschreiben kann man hier.
Das Mitglied des CDU-Bundespräsidiums hatte sich noch bis vor kurzem mit den Regierungsparteien SPD und Grüne konstruktiv für eine Reform der komplizierten Volksbegehren eingesetzt. Aus wahltaktischen Gründen habe die CDU nun die Verhandlungen verlassen und täusche mit ihrem unfairen Verhalten Bürgerinnen und Bürger, so der parteipolitisch neutrale Verein.
Konkret lautet der Aufruf: „Frau Klöckner, Sie verhindern Volksentscheide! Wir fordern eine Reform der Volksgesetzgebung in Rheinland-Pfalz noch vor den Landtagswahlen im Jahre 2016. Deshalb fordern wir die CDU auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren und einer Verfassungsänderung zuzustimmen, die nach 66 Jahren endlich auch faire Volksbegehren in Rheinland-Pfalz ermöglicht!“
Mehr Demokratie erläutert, dass es in Rheinland-Pfalz noch nie ein erfolgreiches Volksbegehren gegeben hat, obwohl dieses Recht seit 66 Jahren in der Verfassung verankert sei. Dass das an der viel zu hohen Unterschriftenhürde liegt, war bis zuletzt partei-übergreifender Konsens im rheinland-pfälzischen Landtag.
2011 hatte der Landtag die Initiative übernommen, um Rheinland-Pfalz vom demokratischen Nachhilfe-Schüler zum Musterschüler zu machen. Die eingesetzte Enquete-Kommission „Aktive Bürgerbeteiligung“ investierte unter Mitwirkung der CDU jahrelange Arbeit und ungezählte Verhandlungsrunden auf Kosten des Steuerzahlers. Formulierte Konsensziele des gemeinsamen Abschlussberichtes waren das Absenken des Quorums von 300.000 (9,7 %) auf ca. 93.000 (3 %) aller Wahlberechtigten und des Zustimmungsquorums von 50 % auf 25 %.
Zur Landtagswahl 2011 protzte Spitzenkandidatin Klöckner noch mit dem wesentlichen Ankerpunkt im von ihr handsignierten CDU-Zukunftsprogramm: „Wir setzen auf mehr Bürgerbeteiligung“. Und nun blockiert die CDU-Vorsitzende nach vier Jahren gemeinsamer Arbeit – und kurz vor der nächsten Landtagswahl – die weitere Entwicklung der Demokratie in Rheinland-Pfalz.
Volksentscheide können Gesetze und Verfassungsänderungen beschließen. Generell sind sie für Sachabstimmungen anwendbar, Personalabstimmungen sind davon ausgenommen. Unter den Sachabstimmungen gibt es Plebiszite, Initiativen und Referenden. Ein Volksentscheid ist eine Initiative. Über Deutschland verteilt, haben Initiativen eine starke Tradition.
Zunächst entwirft i. d. R. eine Gruppe von Bürgern einen Antrag („Volksbegehren“) und bei ausreichender Unterstützung kann dieser zur Abstimmung vorgelegt („Volksentscheid“) werden. Die in Rheinland-Pfalz benötigte Hürde von 300.000 gesammelten Unterschriften für die Zulassung eines Volksbegehrens dürfte ein Hauptgrund dafür sein, dass in diesem Bundesland des Weines, der BASF und der US-Militärkasernen seit dem 2. Weltkrieg kein einziges Volksbegehren erfolgreich war. Weitere Hürden sind das hohe Beteiligungsquorum von 25 % und das hohe Zustimmungsquorum von 50 %. Ob das träge Gemüt und die traditionelle Zerstrittenheit unter Rheinland-Pfälzern die Basisdemokratie stärkt, bleibt der Interpretation des Lesers vorbehalten.
Vorenthält man einem Nachhilfe-Schüler die für seine Entwicklung wichtigen Ressourcen, wird er verkümmern. Ein Musterschüler würde er niemals. Wie müssen Wählerinnen und Wähler also Julia Klöckners Wahlversprechen von 2011 deuten? analogo.de fragte im Büro von Frau Klöckner nach, doch die Pressestelle der CDU-Landtagsfraktion hüllte sich zu diesem Thema lieber in Schweigen. – Gesten sagen manchmal mehr als Worte. Vertrauen schaffen geht anders.