Parken in Mainz – Bannmeile für die sozial Schwächeren

Mainz | analogo.de – Die Stadtverwaltung isoliert zunehmend Geringverdiener von der Teilnahme am sozialen Leben in der Innenstadt von Mainz. Durch die jüngste Erhöhung der Parkgebühren können es sich immer weniger Bürger der Außenbezirke leisten mit ihrem Auto in der Stadt zu parken. Das Parken ist für viele Mainzer Bürgerinnen und Bürger schlichtweg nicht mehr bezahlbar. Nur noch Gutverdiener können sich einen Besuch der Innenstadt mit ihrem Auto leisten, Altstadt und eingeschränkt die Neustadt werden zur Bannmeile für die schlechter Verdienenden. Der analogo.de LONG READ.

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Wurden im alten Indien die Lepra-Kranken in speziellen Lagern zurückgehalten, damit sie nicht die gesunden Bürger anstecken, sollen in Mainz die Abgase der sozial Schwächeren nicht die bereits viel zu schlechte Luft der Innenstadt verpesten. Die Stadt kämpft seit Jahren mit der Einhaltung der Abgas-, Feinstaub- und CO2-Werte. Bei Übertretung drohen Strafen seitens der EU.

Vergleicht man die Parkgebühren in Mainz mit anderen Städten wie dem größeren Gelsenkirchen, so schlägt Mainz andere Städte um Längen. In Gelsenkirchen werden nach der neuesten Preiserhöhung nun €0,75 pro Stunde fällig, in Mainz €2,10. Für einen Samstagseinkauf mit 5 Stunden kommen so in Mainz €10,50 zusammen, in Gelsenkirchen verträgliche €3,75. Die ÖDP hat derweil keine Probleme mit den hohen Parkkosten und vergleicht das Mainzer Niveau mit dem noblen Wiesbaden. Hier würden im Parkhaus Luisenplatz für die 1. Stunde 2.40 EUR und jede weitere Stunde 2.00 EUR fällig. Ist Wiesbaden ein sozial vergleichbarer Standard oder sollte man nicht lieber die Mainzer Abzockerei mit einem Bürgerkonzept beispielsweise aus Gelsenkirchen vergleichen?

Wer in Mainz gar am Straßenrand parken will, darf dort maximal eine Stunde stehen. Also selbst die Bonzen werden gehetzt und weitergetrieben. Wer länger parken wolle, könne ja ins Parkhaus gehen, so die Stadtverwaltung. Wer aber 1 Stunde parken will, und de facto 1 Stunde und 10 Minuten parkt, handelt sich mit großer Wahrscheinlichkeit ein Strafticket von den mehr als emsigen Politessen ein. Einkaufen in Mainz wird zum atemlosen Roulettespiel.

Atemlos macht auch die schlechte Luft in den meisten Mainzer Parkhäusern. Im stets gefüllten Parkhaus am Brand dürften Emissionswerte auftreten, die den gesetzlichen Anforderungen nicht Genüge leisten. Die Konzentration von Feinstaub, Stickoxiden (NOx) und Kohlenoxiden (CO und CO2) dürften punktuell gesundheitsschädlich sein. Es fehlt eine wissenschaftliche Begleitung der tatsächlichen Auswirkungen des Parkverkehrs von der Straße in überfüllte Parkhäuser – auch unter Gesundheitsaspekten.

analogo.de hörte sich in der Stadt bei Gewerbetreibenden um, wie sie zu den eskalierenden Parkgebühren stehen. Der Buchhändler Shakespeare und So am Schillerplatz beklagt am meisten die Beschwerden seiner Kunden, die sich andauernd über die überhöhten Parkgebühren beschweren. Eine Heilpraktikerin beschwert sich bei analogo.de, dass sie zwar einen Dauerausweis habe, aber alle drei Stunden ihren Wagen umstelle müsse. Da ihre Behandlungstermine aber nicht immer auf die Minute planbar seien (Gesundheit ihrer Patienten geht vor), hätte sie schon einige Knöllchen bekommen. Alle Beschwerden bei der Stadtverwaltung würden verhallen.

Verkehrsdezernentin Katrin Eder blockt – wie üblich – jegliche Kritik ab. Auf unsere Anfrage hin redet sie sich mit einem breiten Konsens im Stadtrat heraus, dessen Entscheidung angeblich ein umfangreicher Partizipationsprozess vorausgegangen war. Hierbei wären zahlreiche Vertreter gesellschaftlicher Gruppierungen und des Einzelhandels über die bevorstehenden Anpassungen der Parkgebühren informiert worden. Wie bei der Revolution von oben im Deutschland des 19. Jahrhunderts wurde das Volk also wieder von oben herab „informiert“, und die Grünenvertreterin Katrin Eder nennt dies einen Partizipationsprozess.

Von einem breiten Konsens im Stadtrat kann derweil nicht gesprochen werden. analogo.de befragte andere Parteien im Stadtrat und erhielt überraschte Kommentare zur Behauptung Eders eines „breiten Konsenses“. Kurt Mehler von der Fraktion FREIE WÄHLER-Gemeinschaft hatte sich im Stadtrat gegen höhere Parkgebühren ausgesprochen. Auch die Fraktion Piratenpartei / DIE LINKE hatte nicht für das neue Parkkonzept gestimmt. Weitere Kritik kommt von der ÖDP. Stadtratsmitglied Felix Leinen schrieb uns, dass das Parkkonzept überarbeitet werden müsse, denn ab der 3. Stunde erfolge die Abrechnung in den PMG-Parkhäusern nicht mehr im 30 min Takt, sondern im 1 Std Takt. Leinen bekräftigt, dieser Passus sei in der Beschlussvorlage so gut versteckt gewesen, dass es alle Beteiligten einschließlich der in der breiten Partizipation eingebundenen Vertreter des Einzelhandels übersehen hätten. Aus Sicht der ÖDP sei ein 15 min Takt angemessen und auch umsetzbar, damit die Nutzer der Parkhäuser nicht mit der Stoppuhr durch die Stadt getrieben werden, sondern entspannt ihre Einkäufe oder sonstigen Aktivitäten erledigen können.

Der Abgeordnete Xander Dorn von der Fraktion Piratenpartei/DIE LINKE kritisiert, das neue Tarifsystem sei sehr unübersichtlich. Wer mehrere Stunden lang ein Parkhaus nutze, erlebe mehrere Tarifwechsel bis hin zum Deckelungsbetrag und noch dazu einen Wechsel im Abrechnungstakt, also Wechsel im Zähler und im Nenner. Von einer Harmonisierung könne man bei diesem Konzept folglich keineswegs sprechen.

Egal wie die Abrechnung taktet: Für Hartz-IV-Empfänger ist das Parken in der Innenstadt nicht tragbar. Würden sie bei einem monatlichen Einkommen von ca. €450 nur €5 pro Tag an Parkkosten ausgeben, blieben ihnen lächerliche €10 pro Tag zur Begleichung aller anderen Ausgaben wie Nahrung und Strom. Parken wird durch den mehrheitlichen Einfluss von SPD und Grünen in Mainz zum Luxus.

Gegenspieler einer sozialen Gerechtigkeit ist das Gewinnmaximierungsmodell der Parken in Mainz GmbH (PMG), die als städtische GmbH so viel Gewinn wie nur möglich erwirtschaften soll, so der formulierte Wunsch der Stadtspitze aus sozialdemokratischem Oberbürgermeister und grünem Finandezernent. Der Abgeordnete Kurt Mehler schreibt analogo.de, mit der PMG handele eine stadteigene Gesellschaft nicht im Interesse der Bürger, sondern aus reinem wirtschaftlichen Interesse. Wenn die Mehreinnahmen „gleichzeitig“ für den Ausbau des Park-and-Ride-Systems und eines kostengünstigen ÖPNV eingesetzt würden, dann erst würde die Sache rund, so Mehler. Ansonsten würden potentielle Kunden und Besucher der Stadt auf die Einkaufszentren am Stadtrand und auf Nachbarkommunen wie z.B. Ingelheim aus weichen.

Noch vor wenigen Jahren forderten Die Grünen/Bündnis90 mehr Mitbestimmung bei den politischen Entscheidungen. Sobald sie aber selber an die Macht gelangten, drückten sie ihre Projekte wie das über 84-Millionen-Euro-Schuldenprojekt Mainzelbahn, die Buslinie 47 oder nun Parkgebühren einfach von oben durch. Alle genannten Partizipationsprozesse waren mehr als fragwürdige Prozesse. Partizipierende Teilnehmer verließen zum Teil die Verhandlungsrunden, weil die Entscheidungen oftmals vorher feststanden, Beschlüsse wurden mehrheitlich und auch ohne großen Konsens durchgeboxt.

Doch Katrin Eder, OB Ebling und die Verantwortlichen der PMG verdienen selber ja genug Geld. Alleine Ebling verdient ohne Zulagen pro Monat €9.841,27. Der für die PMG zuständige Geschäftsführer Martin Dörnemann dürfte eine ähnliche Summe einheimsen, sein Gehalt darf aber laut Gesetz geheim bleiben. Können sich diese Personen noch ein Bild davon machen, was die Summe von fünf Euro für einen Geringverdiener bedeutet?

Dörnemann ist auch Geschäftsführer der Mutterfirma Mainzer Aufbaugesellschaft (MAG), die mit €179.000 50% Anteile an der PMG hält und selber eine Eigengesellschaft der Stadt Mainz ist. Über die MAG erhält er sein Salär. Laut Beteiligungsbericht 2013 der Stadt waren im Geschäftsjahr durchschnittlich 23 festangestellte Mitarbeiter, eine Teilzeitkraft sowie 1,5 Aushilfskräfte (in den ersten 6 Monaten) ausschließlich für die PMG tätig. Die anderen 50% der PMG trägt die Stadt. Der MAG schauen drei Aufsichtsratsmitglieder über die hohe Schulter: Ansgar Helm-Becker (Die Grünen), Martin Kinzelbach (SPD) und Hannsgeorg Schönig (CDU).

Im Beteiligungsbericht 2013 fällt auf, wie undurchsichtig die Bezüge von Dörnemann bleiben. Ein Ausweis der Geschäftsführervergütung aufgeteilt nach Fixum, erfolgsbezogenen Komponenten und Sachleistungen wurde im Anhang nicht vorgenommen, da eine solche Aufteilung gem. § 286 Abs. 4 HGB nur für börsennotierte Gesellschaften verpflichtend sei und kein Geschäftsführeranstellungsvertrag bestehe. Die Vergütung des Geschäftsführers sei ferner durch den Wirtschaftsprüfer nicht überprüft und schriftlich bestätigt worden, „da der Beirat eine solche Sonderprüfung nicht beauftragt habe und kein Geschäftsführeranstellungsvertrag bestehe“. Sind die Parkgebühren in Mainz am Ende erhöht worden, weil einem einflussreichen Geschäftsführer eines städtischen Eigenbetriebs eine Gehaltserhöhung zugeschrieben werden sollte?

Die Bevölkerung wird im Dunkeln bleiben und die undurchsichtigen Postenaufteilungen der städtischen Betriebe in Mainz weiter hinnehmen müssen. Sollte im März 2016 bei den Landtagswahlen zudem die CDU an die Macht gelangen, so wird ein weiterer Abbau von Transparenz zu erwarten sein. Die Vorreiterin der CDU, Julia Klöckner kündigte bereits an, sie werde das neue Transparenzgesetz sofort wieder einstampfen, sollte sie gewinnen.

Den Bürgern bleibt einstweilen, die Stadt im Zweifel nicht mehr besuchen zu können, weil die Parkgebühren zu teuer sind. Doch verärgerte Bürgerinnen und Bürger können ihren Unmut im Servicebüro der PMG unter 06131 238108 kundtun oder per Email an info@parken-in-mainz.de schreiben. Eine höhere Anzahl von Beschwerden dürften bei Geschäftsführung und Beirat der PMG für erhöhte Beachtung sorgen.

analogo.de meint zu dieser Entwicklung: Anscheinend bevorzugen SPD und Grüne mit ihrer verantwortlichen Verkehrs- und Umweltdezernentin Katrin Eder eine Umwelt für Eliten vor einer Stadt für ihre Menschen. Sozial geht anders.

Freiheit ist ein Luxusgut. Einen Bike-Trip über die Route66 können sich sozial Schwächere nicht leisten. Das Konzept „Freiheit als Luxusgut“ wird von grün-ideologischen Mainzer Politikern wie Katrin Eder nun sogar auf das Parken ausgeweitet. Bildrechte: jplenio auf Pixabay 2565574_1920