Säulen der Demokratie geraten in Mainz ins Wanken

Mainz | analogo.de – Die Säulen der Demokratie geraten derzeit in der Landeshauptstadt Mainz stark ins Wanken. Zunächst gab es am 21. November 2015 eine Demonstration der politischen Partei AfD. Da war die Demokratie noch in Ordnung: Eine Partei wollte demonstrieren. Die Polizei riegelte den Demonstrationsort ab, da dreimal mehr Gegendemonstranten (1.000) als Demonstranten (300) zu erwarten waren und tatsächlich auch anreisten. Dann wurden Demonstranten von Gegendemonstranten blockiert und bespuckt, während sie zum Demonstrationsort gehen wollten. Hier wurde der Same für einen Bürgerkrieg gelegt.

Der nächste Same stammte vom Intendanten des Mainzer Staatstheaters. Markus Müller ließ seine Mitarbeiter antanzen, um die Demonstration außerhalb des Theaters zu stören. Hatten die Mitarbeiter eine Wahl oder wurden sie gar genötigt an der potenziell strafbaren Störung teilzunehmen? Die Angestellten machten brav mit – und setzten sich somit einer möglichen Anklage und Straffälligkeit aus. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Die leitende Oberstaatsanwältin, Andrea Keller teilte analogo.de mit, dass die Prüfung, ob und wer sich im Falle des Gesangs während der Demonstration strafbar gemacht hat, noch nicht abgeschlossen sei. Im juristischen Sinne hat die Staatsanwaltschaft noch keine Anklage erhoben. Laut ihrer Information habe das Polizeipräsidium Mainz von Amts wegen ein Verfahren eingeleitet. Darüber hinaus seien bei der Staatsanwaltschaft auch Strafanzeigen der AfD und von Privatpersonen eingegangen. Der Vorgang sei allerdings noch nicht vollständig: Beispielsweise lägen die während des Geschehens gefertigten Bild-Ton-Aufzeichnungen noch nicht vor. Eine abschließende rechtliche Bewertung wird also zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden.

Der Pressesprecher des Innenministerium, Marco Pecht bestätigte uns auf Anfrage, dass die Polizei in diesem Falle nicht ermittle, der Fall aber bei der Staatsanwaltschaft liege. Doch nun wird’s interessant. Innenminister Roger Lewentz/SPD kam die spontane Idee, dass die Polizeikollegen des Landespolizeiorchesters mit einer Art „Kompensationsmaßnahme“ unterstützen könnten. Kurzfristig wurde für Sonntag, den 24. Januar 2016 um 18 Uhr im Kleinen Haus des Staatstheaters ein gemeinsames Konzert anberaumt. Nur von einer Kompensationsmaßnahme möchte Pecht nicht sprechen.

Da stellt die Polizei also wegen groben Verstoßes gegen das Versammlungsrecht Strafanzeige gegen das beklagte Staatstheater und ihre Angestellten, und der Innenminister als oberster Polizeichef hat nichts Besseres zu tun, als sich mit dem Beklagten zu solidarisieren und öffentlichkeitswirksam eine Charme-Offensive für den Beklagten zu starten – durch die Unterstützung des eigenen aus Steuermitteln finanzierten Polizeiorchesters. Das Innenministerium stellt sich dumm und weist kausale Zusammenhänge zwischen Konzert und vermeintlicher Straftat zurück. Gemeinsame Konzerte seien üblich. In Köln – würde man das Kölner Klüngel nennen.

Auch die Staatsanwaltschaft teilte analogo.de mit, dass sich die Frage einer „Strafe“ (für wen?) oder „Kompensation“ (wofür?) beim derzeitigen Sachstand nicht ergebe. Angesichts dieser Rhetorik dürfte zu erwarten sein, dass die Staatsanwaltschaft dem Vorwurf des Straftatbestandes milde begegnen wird. Wir fragten bei Jurastudenten an der JGU-Universität Mainz nach, wie die Staatsanwaltschaft einzuschätzen sei – und erhielten unglaubliche Antworten. So berichtet uns ein Jurastudent, der bei der Staatsanwaltschaft Mainz sein Praktikum absolvierte, dass es in der Mainzer Staatsanwaltschaft eine ungeschriebene Ansage gebe, Mainzer Firmen und Institutionen bewusst milde zu behandeln. In Köln – würde man diese Verwirrungen Kölner Klüngel nennen.

In diesem Mainzer Staatstheater nötigte Intendant Markus Müller seine Angestellten. Bildrechte: Harald_Landsrath auf Pixabay 1717797_1920

Der Beobachter wird sich in der nächsten Zeit ein Bild machen können. Joachim Paul/AfD teilte auf Anfrage mit, dass die Ruhestörung darin bestand mit einer großen Anlage gezielt die Reden der Redner Uwe Junge, Paul Hampel und insbesondere Frauke Petry zu übertönen und zu stören. Das Lied Ode an die Freude habe der Chor nur am Rande „gesungen“.

Ein weiterer Anklagepunkt ist ein Banner mit der Hassparole „AfD verrecke“, welches auf dem oberen Balkon des Theaters angebracht wurde. Intendant Müller behauptet, er hätte dieses Banner ohne Hinweis bzw. Aufforderung beseitigt. Die AfD behauptet aber, das Banner höchstpersönlich fotografiert und gegen 16.10Uhr der Polizei als unnötige Provokation gemeldet zu haben. Die Polizei ging daraufhin ins Theater und sorgte für das Abhängen, so Paul. Die AfD ist der Meinung, Intendant Müller sei damit der Lüge überführt worden und man könne davon ausgehen, dass er belangt werde. Wird Müller beweisen können, dass nicht er bzw. Angestellte des Staatstheaters das Banner aufgehängt haben? Wer nur hat diesen Hass gesät?

Auf schwieriges politisches Terrain begibt sich auch der amtierende Oberbürgermeister der Stadt, Michael Ebling. Wie bereits sein SPD-Kumpane und Innenminister Lewentz sympathisiert (Link wurde mittlerweile vom SWR deaktiviert) er mit der Tatsache, dass andere politische und erlaubte Parteien daran gehindert werden ihre Meinung zu sagen. Bei so viel Demokratieferne muss die Frage erlaubt sein, ob Ebling und Lewentz tatsächlich Mitglied der Sozialdemokraten sind. Denn solche Äußerungen kennt man eher von Parteivertretern, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Die SPD scheint sich deutschlandweit zunehmend zu radikalisieren.

Aber Ebling und Lewentz haben nichts zu befürchten. Die Polizei in Mainz ist fest in Händen der SPD. Die Herren werden sich denken, man könne machen, was man will. Wer verhaftet sich schon selber? Der Bruder des Oberbürgermeisters, Tom Ebling, ist leitender Polizeidirektor. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei des Landes, Ernst Scharbach und Innenminister Roger Lewentz sind ebenfalls SPD-Genossen.

Der SWR berichtete (Link wurde mittlerweile vom SWR deaktiviert), wie der umstrittene Oberbürgermeister die Kritik der AfD beiseite wischte, dass eine mit öffentlichen Mitteln finanzierte Einrichtung wie das Staatstheater nicht für die Verbreitung politischer Ansichten missbraucht werden dürfe. Ebling: „Wer das Theater in einer Phase gesellschaftlicher Diskussionen wie über die Flüchtlingspolitik dafür kritisiert, dass es eine Haltung besitzt, hat die über zweitausendjährige Tradition des Theaters in Mainz nicht begriffen“. Ob Ebling Demokratie begreift?

Inwiefern macht sich hier Ebling der Saat von Hass gegen Andersdenkende schuldig? Und das als bekennender Schwuler, der die Ausgrenzung des „Anderen“ aus eigener Erfahrung sehr gut kennen dürfte. Grenzt Ebling womöglich ganz bewusst die AfD aus, da die Partei bei den bevorstehenden Landtagswahlen im Frühjahr erstmals in den Landtag einziehen dürfte? Wie auch immer: Dass sich etablierte Politiker und Eliten nicht an die Verfassung halten, musste Deutschland während der Weimarer Republik erleben. Die Republik scheiterte aus genau diesem Grund.

Den letzten Schlag gegen die Demokratie erteilten an besagtem Tag Blockierer, die man landläufig Gegendemonstranten nennt. Blanker Hass und Hetze sei Bürgern entgegengesprungen, die zur Kundgebung gehen wollten, aber auf ihrem Weg bespuckt und getreten wurden, ja an der Teilnahme geradezu gehindert wurden. Die beteiligten Gegendemonstranten laufen in Gefahr sich mit Nötigung strafbar gemacht zu haben. Warum hat die Polizei hier nicht eingegriffen? Welche Rechte haben Bürger, die auf diese Weise ihrer Grundrechte beraubt wurden? Wenn die Polizei die Ordnung in dieser Hinsicht nicht mehr gewährleisten kann, ist naheliegend, dass sich immer mehr Bürger auf Demonstrationen selber helfen. Andernorts wie just in Leipzig, Köln oder Dresden eskaliert die Gewaltspirale bereits seit Längerem. Bürger kämpfen gegen Bürger.

Allein die Art der verwendeten Waffen rechtfertigt noch nicht die Benutzung des Terminus „Bürgerkrieg“, aber die Gesellschaft befindet sich auf dem Weg dorthin. Und amtierende Politiker wie ein Innenminister oder Oberbürgermeister lassen jede Fähigkeit vermissen, zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden bzw. gewagte Bekundungen an der richtigen Stelle zu unterlassen. Wie kann es dann verwundern, dass immer mehr junge Menschen asoziale Tendenzen zeigen, indem sie die eigenen Mitbewohner (Bewohner Deutschlands) ausgrenzen, um Mitbewohner anderer Staaten (Asylanten und andere) zu integrieren?

analogo.de meint: Im juristischen Sinne sind die betroffenen Gegendemonstranten zu belangen. Unterlassen Polizei und Staatsanwaltschaft ebendies, machen sie sich mitschuldig am immer heftiger werdenden Krieg der Bürger untereinander – einem neuen Bürgerkrieg.

Doch dazu muss es nicht kommen. Ein Weg wäre, das Recht konsequenter nachzuverfolgen. Die Zahl der Häftlinge in Deutschland liegt mit 79 auf 100.000 Einwohner auf einem international niedrigen Niveau. Die Zahl der Häftlinge in der Türkei pro 100.000 Einwohner liegt bei 179, in den USA sitzen sogar 710 Menschen pro 100.000 Einwohner im Knast. Es gibt Handlungsspielräume.

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