Mainz | analogo.de – Nach acht Bundesligaspielen steht Mainz 05 auf einem beachtlichen 3. Tabellenplatz. Für den Verein heißt es derzeit die frühe Niederlage aus der Europa League zu vergessen und an alte Erfolge anzuknüpfen. Der sportliche Erfolg der letzten Jahre korreliert mit üppigen finanziellen Einnahmen, die der Verein seit über zehn Jahren verbucht. In der letzten Saison zahlte alleine der kommunale Energieversorger Entega 4.000.000€ an Sponsoring-Geldern. Derselbe Betrag wird Entega den Mainzern nochmals überweisen, bevor Entega und Mainz 05 den Charakter der Partnerschaft ändern. Die großen Einnahmen aus den teils öffentlichen TV-Rechten sollen hier einmal außen vor bleiben.
Eigentlich ist es schon fragwürdig genug, ob die Gelder eines kommunalen Energieversorgers in solcher Höhe verschwendet werden müssen. Entega sollte seine Arbeit machen, heißt es, und nicht noch etliche Millionen für Werbung ausgeben. In Zeiten knapper öffentlicher Kassen (siehe die nahezu zahlungsunfähige Stadt Mainz und das enorm überschuldete Land Rheinland-Pfalz) muss die Frage gestellt werden, ob diese Art Sponsoring noch zeitgemäß ist.
Die Löcher der öffentlichen Schatullen können auch durch andere Maßnahmen gestopft werden. Wie einer Anfrage beim Mainzer Innenministerium von Anfang Mai 2013 zu entnehmen ist, zahlt der Steuerzahler den Großteil der Zeche für das allgemeine Fußballvergnügen. Der Herausgeber von analogo.de erhielt diese Information auf seine Anfrage gemäß Rheinland-Pfälzischem Informationsfreiheitsgesetz (LIFG) vom Inspekteur der Polizei, Werner Blatt. Auch wenn laut Innenministerium Sicherungs- und Schutzmaßnahmen im Veranstaltungsgelände weitestgehend vom „Veranstalter“ oder einem Beauftragten wahrgenommen werden, dürften die kumulierten Kosten für den Mainzer und Rheinland-Pfälzischen Steuerzahler in die Millionen gehen. Zur Kasse wird Mainz 05 aber nicht gebeten. So die erschütternde Auskunft des Innenministeriums.
In Zeiten von stinkenden Mainzer Rathaustoiletten und der Streichung von etlichen sozialen Projekten auf Landes- und Stadtebene wird die Frage diskutiert, ab wann Mainz 05 mitsamt Managern und Spielern einen Sicherheits-Solidarbeitrag zu den Einsatzmaßnahmen leistet, die die Bezahlung der millionenschweren Fußball-Personalkosten des Vereins gar erst ermöglichen. Die Entscheidung der Bremer Bürgerschaft kann hier nur als Vorbild dienen die Verursacher zur Kasse zu bitten. Bremen geht zwar den Weg über die juristische Person einer GmbH, indem sie Geld vom Zusammenschluss der deutschen Profi-Fußballvereine DFL fordern.
Damit Fußballeinsätze die Polizei nicht nur über ihre personellen Grenzen hinaus belastet, sondern auch die Kosten dafür getragen werden, wurde vorgeschlagen, dass die Vereinsführung einen Sicherheits-Solidarbeitrag von 2€ pro Erwachsenen pro Spiel an die Landeskasse abführt.
Während das Netto-Privatvermögen in Deutschland derzeit mit einer Rate von 9.181€ pro Sekunde steigt, nimmt die Staats- und Landesverschuldung mit einer Rate von €634 pro Sekunde zu. Dieser sich derzeit enorm vergrößernde Abstand zwischen Arm (Öffentlichkeit) und Reich (hier: erfolgreicher privatwirtschaftlicher Bundesligaverein) muss dringend reduziert werden. Anschaulich bedeutet das für Mainz: Während Mainz 05 ein Einnahmen-Plus von 1 Million Euro erzielt, steigt der Schuldenstand der öffentlichen Kassen um 70.000€ pro weitere Million Gewinn des Fußballvereins. Bezahlt Mainz 05 bei 25.000 Zuschauern €50.000 ans Land, wäre die Differenz enorm verringert – und somit annähernd fair.
Denn geht der Personalnotstand der Polizei so weiter wie derzeit, gibt es bald weder (genug) Polizei zur Aufrechterhaltung der Sicherheit noch Profifußball in Mainz. Der Weg der Bremer über die DFL, die für das operative Geschäft des Spielbetriebs zuständig ist, scheint eine taktisch kluge Alternative zum vereinsbezogenen Solidarbeitrag zu sein. Denn die Vereine halten sich vornehm zurück. Zu sehr sind in Deutschlands Fußball-Städten Vereinsfunktionäre und Politik verbunden.
In Mainz wurde Fußballpräsident und Rechtsanwalt Harald Strutz just für die FDP wieder in den Stadtrat gewählt. Die hochverschuldete Stadt Mainz beschloss unlängst den Bau einer weiteren Straßenbahnlinie, die nahe am neuen Mainzer Stadion vorbeiführt. Das 84-Millionenprojekt hätte sich Mainz eigentlich nicht leisten können. Ulrich Radmer vom Referat Kommunalaufsicht der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier (ADD) schrieb dem Herausgeber von analogo.de allerdings hierzu, dass „die Ausführung der „Mainzelbahn“ nach unserer Kenntnis durch die Stadtwerke Mainz AG und die Mainzer Verkehrsbetriebe erfolgt. Diese Gesellschaften unterstehen nicht der Staatsaufsicht nach den §§ 117 ff. Gemeindeordnung“. Die Neuverschuldung geschieht also über eine organisationsprivatisierte, i. e. ausgelagerte Firma der Stadt. Die Stellung des Vereins in der Stadt ließ viele Entscheider die Augen zudrücken.
Die späteren Generationen werden also wieder mal mit dem Schulden belastet. Das neue Fußball-Stadion liegt vor den Toren der Stadt, und zu den Heimspielen alle zwei Wochen hätten Sonderbusse genauso ausgereicht wie die klassische Bedienung der anderen Stadtteile mit ökologisch ausgereiften Bussen. Vereins-Sponsoring eines kommunalen Energieversorgers und die Nichtbeteiligung an den Hauptkosten von Polizeieinsätzen sind zwei Seiten derselben Medaille. Die DFL liegt außerhalb des direkten Einflussbereiches der Fußballbosse. Hat Bremen Erfolg, werden es die Steuerzahler der Stadt danken.