Drohne über Pfälzer Wald: Nur Geschwätz des Augenblicks?

Deidesheim | analogo.de – Vorgestern kündigten wir eine zeitnahe Berichterstattung zu dem Drohnenanflug auf den US-Flottenstützpunkt Ramstein Air Base an. analogo.de ging Berichten aus seiner Leserschaft nach, die eine große Drohne bzw. ein unbemanntes Luftfahrzeug im Landeanflug-Korridor zur Ramstein Air Base sichteten. Die Nähe zu einer Militärbasis lassen auf eine Kampfdrohne (engl. UCAV = Unmanned Combat Air Vehicle) schließen. Die offizielle Stellungnahme der Vertreter der US-Basis schließt einen solchen Flug nicht aus, schränkt aber ein man setze in Ramstein keine solchen Drohnen ein. Die deutschen Behörden wurden über dieses bevorstehende Flugereignis nicht in Kenntnis gesetzt. Eine nachträgliche Überprüfung über Radardaten ergab keine eindeutige Zuordnung des Flugobjekts.

Im Rahmen unserer Recherche befragten wir lokale Segelflugplätze, um auszuschließen, dass es sich womöglich um Segelflugzeuge handelte. Wir erfuhren, dass keiner der von uns befragten Flugplätze zwischen 18Uhr und 19Uhr noch ein Flugobjekt in der Luft hatte. Der Flugplatz in Bad Dürkheim erwähnte, es wurde lediglich eine Platzrunde gedreht. Auch eine Verwechslung mit etwaigen Kameradrohnen sei ausgeschlossen, die an diesem Tage in der Stadt Bad Dürkheim in 10 bis 25 Metern Höhe flogen, um Bilder vom aktuellen Marathonlauf zu machen. Eine Verantwortliche eines Flugplatzes, die anonym bleiben möchte, gab zu bedenken, dass um diese Zeit die Thermik für den Segelflug nicht mehr geeignet war.

Zivil oder Militär

Unsere nächste Recherche führte uns zum LandesBetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz (LBM RP). Pressesprecherin Birgit Küppers gab zunächst zu bedenken, dass man seitens des LBM nur für zivile Drohnen zuständig sei. Von diesen hätte man in Rheinland-Pfalz insgesamt bislang über 400 Allgemeinerlaubnisse erteilt. Einzelne Flüge im Rahmen dieser Erlaubnisse müssten der LBM grundsätzlich nicht angezeigt werden. Hinzu kommen laut Küppers noch die Flüge mit genehmigungsfreien Drohnen, die ebenso wenig angezeigt werden müssen.

Die Deutsche Flugsicherung (DFS) konstatierte, dass die vermeintliche Drohne nicht von der DFS kontrolliert wurde und nicht bekannt war. Pressesprecher Axel Raab schränkte aber gegenüber analogo.de ein, es sei aber auch nicht auszuschließen, dass der Primärradar der Kontrollzentrale eine anfliegende Drohne verpasst habe. Dies passiere, wenn das avisierte Ziel (engl. target) nicht geplant sei. Möglich sei auch, dass sich die Drohne im unkontrollierten Luftraum unterhalb 300 Metern über Grund befand – zumindest während der Radarabtastung. Hat das US-Militär womöglich eine Drohne ohne Anmeldung fliegen lassen?

Aufgrund der Größe des Flugobjektes von 5 bis 10 Metern Länge liegt der Schluss nahe, dass es sich um eine militärische Drohne handelte. Das US-Militär besitzt 7.000 Drohnen, von denen 200 schwere Bewaffnung tragen. Welche Drohnen sind so groß, dass sie überhaupt in Frage kommen? Auf den bayerischen Truppenübungsplätzen der US-Armee in Grafenwöhr und Hohenfels werden Überwachungsdrohnen ähnlicher Größe eingesetzt. In Frage kommt zum Beispiel eine Predator (General Atomics MQ-1) mit 8,23m Länge, eine MQ-9-Reaper oder eine Northrop Grumman RQ-5 Hunter. 2004 erteilte das Verteidigungsministerium Aufstiegsgenehmigungen für US-Drohnen für die Gegend von Hohenfels und Grafenwöhr für die Modelle „Raven“, „Hunter“ und „Shadow“. Im November 2014 stürzte eine Shadow-Drohne in Hohenfels ab. Die Amerikaner halten den Bericht über die Gründe des Absturzes zurück. Weil die Aufstiegsgenehmigung nur auf die Militärgelände beschränkt ist, beantragte das US-Militär für ihre „Hunter“-Drohnen eine erweiterte Zulassung für den Korridor zwischen Grafenwöhr und Hohenfels.

Eingrenzung des Flugobjektes

Was würde dafür sprechen, dass es sich um eine MQ-1-Predator-Drohne handelte? Mit Prädatoren tötet das US-Militär von Ramstein aus Menschen in Pakistan, Afghanistan, Irak, Somalia oder im Jemen. Washington hat just zum ersten Mal veröffentlicht, zwischen 2009 und 2015 mit Kampfdrohnen bei 473 Luftangriffen bis zu 2.581 „Kämpfer“ und 116 Zivilisten getötet zu haben. Laut NGO’s liegt die Zahl der „so nebenbei“ getöteten Zivilisten bei 1.000 Menschen. Die Steuerung funktioniert über in Ramstein positionierte Relaisstationen (siehe LP 235/15). Was liegt näher, als das Tötungsinstrument zum technischen Abgleich zur Relaisstation zu bringen? Netzpolitik.org berichtet, dass der Bundesregierung die technischen Möglichkeiten der Steuerung von unbemannten Luftfahrzeugen über Relaisstationen bekannt ist.

Aufgrund des Berichtes von unter 10 Metern Länge kommen noch größere Kampfdrohnen wie der Riese Global Hawk eher nicht in Frage. Zeitlich würde dies zwar zusammenpassen mit genehmigten Drohnenflügen von Sizilien zur Ostsee, um dort Überwachungsflüge auszuführen. ntv berichtete, dass per Ausnahmegenehmigung bis Ende April bis zu fünf US-Global Hawk-Drohnen pro Monat entlang der französischen Grenze über Aachen zur Ostsee fliegen. Legte ein Global Hawk womöglich einen Zwischenstopp in Ramstein ein? Die Anflug-Koordinaten (UTM) lauteten übrigens: 32U E: 437163.66 N: 5475601.15 und 32U E: 436990.85 N: 5473566.87.

Wir befragten das Luftfahrtamt der Bundeswehr. Pressesprecher Oberstleutnant Günter Bohn ließ die Radarbilder im Zeitraum von 17:30 Uhr bis 19:30 Uhr auswerten. Die Bundeswehr konnte keinen militärischen Flugbetrieb im Bereich zwischen Neustadt a. d. Weinstraße, Bad Dürkheim und Kaiserslautern nachweisen.

Unsere vorletzte Recherche führte uns zur Pressestelle der Ramstein Air Base. Pressesprecherin Kelly Sanders legte uns dar, dass die 86. Airlift Wing in Ramstein Air Base weder Drohnen betreibe noch besitze. Die Flotte in Ramstein bestehe lediglich aus

  1. C-40B = Boeing C-40 Clipper ( wie B737-700)
  2. C-20H und C-37A (wie Gulfstream V)
  3. C-21A (wie Learjet 35)
  4. Lockheed Martin C-130J Super Hercules

Besitz und Besuch

Warum verschweigt Kelly Sanders die derzeit über dem südlichen Rheinland-Pfalz und dem Saarland operierenden Kipprotor-Wandelflugzeuge der Marke Osprey? Eine lokale Bürgerinitiative thematisiert aktuell die Lautstärke und Präsenz der Kriegsmaschinen. Der Osprey-Lärm addiert sich zum aktuellen Lärmterror tief-fliegender Hercules-Maschinen wie zum Beispiel am 15. April über der Region Kaiserlautern, als eine Hercules so tief flog, dass sie fast Dächer abräumte. Auffallend ist, dass Sanders in ihrer Stellungnahme nicht ausschließt, dass eine Drohne in Ramstein gelandet ist. Denn man kann eine Drohne auf seiner Air Base landen lassen, ohne sie zu betreiben oder zu besitzen.  

Zu guter Letzt baten wir den Journalisten-Kollegen Christian Thiels um seine Einschätzung. Thiels gilt bei der Tagesschau als Verteidigungsexperte und befragte am gestrigen Donnerstag den Befehlshaber des Allied Air Command Ramstein (AIR-COM Ramstein) der US Air Forces in Europe (USAFE), der US Air Forces Africa (AFAFRICA) und Direktor des Joint Air Power Competence Centre (JAPCC) Frank Gorenc. Thiels teilte uns heute mit, dass Gorenc erwartungsgemäß abwiegelte und begründete, man habe ja keine Genehmigung für solche Flüge.

analogo.de zieht Fazit: Aufgrund der Größe des Flugobjektes und der UTM-Koordinaten (Anflugkorridor in Richtung Air Base) handelte es sich aller Wahrscheinlichkeit um ein militärisches Flugobjekt. In Fachjournalistenkreisen und in der DFS ist man sich einig, dass das US-Militär nicht alle Flugbewegungen an deutsche Behörden meldet. Warum sollten offizielle Stellen des Militärs also gegenüber uns als Presseorgan zugeben, dass sie die Behörden zuvor nicht informierten? Auch wenn offizielle Stellen also aus diversen Gründen keinen Drohnenflug bestätigen können, bedeutet dies nicht, dass keine Drohne geflogen ist. Die DFS teilt diese Ansicht.

Durch die hohe Dichte an Militärbasen in Rheinland-Pfalz und die stark frequentierten Flugereignisse hat die lokale Bevölkerung einen guten Wissensstand über die eingesetzten Fluggeräte des US-Militärs erworben. Immer wieder kommen Maschinen wie die Osprey zum Einsatz, die nicht zum Kernbestand der Basen gehören. Man kann davon ausgehen, dass der bekräftigende Hinweis aus unserer Leserschaft von Substanz geprägt ist, dass es sich de facto um eine große Drohne handelte.

Dieser Beitrag kann der Vertrauensbildung dienen, indem die lokale Bevölkerung zukünftigen Flugereignissen mit einem größeren Bewusstsein begegnet. Hartnäckiges Bewusstsein entzauberte nach 2010 die Dementierungen des vatikanischen Angelo Sodano in der Ostermesse des Papstes von zahlreichen sexuellen Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche. Wie sich bald herausstellte, war das von ihm postulierte Geschwätz des Augenblicks ganz und gar kein Geschwätz.

Die Drohnen des US-Militärs sehen zum Beispiel so aus wie diese General Atomics MQ1C. Bildrechte: User Military_Material auf Pixabay 2486766_1920