Mainz | analogo.de – Studenten in Rheinland-Pfalz profitieren vom neuen Transparenzgesetz, indem Universitäten und Hochschulen seit 01. Januar 2016 zur Offenlegung von Klausurlösungen angehalten sind. Willkürliche Beurteilungen und sogenannte Prüfereffekte können auf diese Weise stärker vermieden werden. Gleichzeitig erhalten Studierende eine größere Chance auf transparente, nachvollziehbare und gerechte Beurteilungen. Es ist ein Kulturwandel im universitären Betrieb, der das gegenseitige Vertrauen stärken wird. Der neue Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (LfDI), Prof. Dr. Dieter Kugelmann schreibt in einer Expertise an die Universität Koblenz-Landau, die Prüftätigkeit einer Universität sei nicht generell dem Schutz der Lehrtätigkeit unterworfen, denn Lehre sei die systematisch angelegte Verbreitung des Erkannten.
In zwei konkreten Fällen hatte die Universität Koblenz-Landau einem Studierenden die schriftlichen Klausurlösungen vorenthalten wollen, wobei ihm jeweils ein einziger Punkt zum Bestehen fehlte. Nachdem der Student die Lösungen unter Berufung auf das Landestransparenzgesetzes (LTranspG) erbat, verweigerte die Universität auch diese Bitte. Man falle als Universität nicht unter die angegebenen Regelungen. Außerdem beschied die Hochschule, dass durch die nachträgliche Bekanntgabe von Informationen Verfahren zur Leistungsbeurteilung und Prüfung beeinträchtigt werden könnten. Der Studierende solle zuerst sein Studium abschließen, bevor man die schriftlichen Lösungen herausgebe.
Als dritten Punkt führte die Universität das Urheberrecht der Professoren an der Fragestellung der Klausurfragen an. Der Student wiederum bezweifelte die dafür notwendige Schöpfhöhe für das Urheberrecht. Unterstützt wird er darin vom Datenschutzbeauftragten Kugelmann, der keinen besonderen Schutz für staatliche Prüfungen und weitere Prüfungen ausmachen kann, die „einer Vielzahl von Prüflingen gestellt werden“. Dies gelte, so der Behördenleiter, auch für ältere Aufgaben und Lösungen, die in der Universität nur noch aufbewahrt oder bevorratet werden. Ein (Red. transparenter) Zugang zum Schutz der Lehre sei auch hier nicht mehr auszuschließen. Dies könne zwar anders bewertet werden, wenn die Aufgaben und Lösungen als Teil der Konzeption der Lehrveranstaltung aufbewahrt werden, um sie zu Übungszwecken in Lehrveranstaltungen zu nutzen. Je länger aber eine Prüfung zurückliege, desto geringere Bedeutung komme dem Schutz der Lehrtätigkeit zu.
Nach Kugelmanns Einschätzung „beeinträchtigt die Veröffentlichung von Prüfungsaufgaben und Lösungen die Lehrtätigkeit regelmäßig nicht mehr, wenn zwei oder mehr Semester seit der Prüfung vergangen sind“. Ausnahmen sieht er für individuelle Prüfungen, die nur einmalig – auf einen bestimmten Prüfling abgestimmt – gestellt werden, z. B. bei mündlichen Prüfungen, Modulprüfungen oder auf einen bestimmten Prüfling zugeschnittene Prüfungen. Sofern Angaben zu Drittmittelforschungsprojekten betroffen sind, schütze §16 Abs. 3 LTranspG die Wissenschaft, Forschung und Lehre, indem diesbezüglich keine Transparenzpflicht bestehe. Doch welche Prüfungen bauen schon Erkenntnisse der aktuellen Drittmittelforschung ein?
Prüfereffekten vorbeugen
Benotungen und Entscheidungen über Richtig und Unrichtig sind der Gefahr der Willkür ausgesetzt. Bei positiven Prüfereffekten mögen Prüflinge Glück haben, weil sie so aussehen wie die Tochter des Prüfers. Umgekehrt wirken sich negative Prüfereffekte auf die Note aus, wenn Schüler oder Studierende negative Assoziierungen beim Professor oder Dozenten hervorrufen. Um diesen Effekten vorzubeugen, legen einige Universitäten wie die liberale Mainzer Johannes-Gutenberg-Universität in einigen Fachbereichen noch vor der Klausur Prüfungslösungen mit einer definierten Bandbreite fest.
Per Senatsbeschluss der konservativeren Universität Koblenz-Landau vom 23.02.2016 wurde das Thema Transparenzmachung von Prüfungslösungen in die Prüfungsausschüsse der einzelnen Fachbereiche gegeben. Studenten hatten das Thema auf die Agenda gesetzt. LfDI Kugelmann ließ diese Woche Universitätspräsidenten Prof. Dr. Roman Heiligenthal in einem an ihn adressierten Brief wissen, er begrüße die dortige Ausarbeitung differenzierter Ansätze für Prüfungslösungen sehr, damit den Besonderheiten der jeweiligen Fächer Rechnung getragen werden könne.
Kritisch sieht Kugelmann gleichwohl den professoralen Anspruch auf das Urheberrecht, denn obwohl das LTranspG in §16 Abs. 1 Nr. 1 das Recht am geistigen Eigentum schütze, fehle Prüfungsaufgaben und Prüfungslösungen zumeist der dafür nötige Werkcharakter nach § 2 UrhG. Denn Prüfungsaufgaben würden zumeist nur das Abfragen von Wissen betreffen und erfüllen als Konzeption damit selten den Werkbegriff.
Sollte die nötige Schöpfungshöhe einmal erreicht sein, so könne sich der Mitarbeiter (i. e. Dozent, Professor, Lehrer, etc.) nicht auf das Urheberrecht als Ausschlussgrund für ein Informationszugangsrecht berufen, da die Schaffung von Prüfungsaufgaben und Lösungen regelmäßig zu seinen Dienstpflichten gehöre. Kugelmann untermauert diese Ansicht mit Urteilen und Expertisen von Bundesgerichtshof GRUR 2011, 59, 60 über Fromm/Normann, UrhG, 11. Auflage, §43 Rn. 41,42; Dreier/Schulz, UrhG, 4. Auflage, §43 Rn. 17 bis zum Bundesverwaltungsgericht 25.06.2015 – 7C 2.14.
Fazit: In absehbarer Zeit werden sich manche Dozenten bei der Definition von verbindlichen Lösungen stärker festlegen müssen. Studierende dagegen dürfen sich auf gerechtere Prüfungsverfahren freuen. Trotz vorlesungsfreier Zeit verfolgt der Allgemeine Studierendenausschuss (ASTA) der Universität Trier die Bedeutung des Transparenzgesetzes für den Studienerfolg seiner Studierenden ebenso wie Studierendenschaften anderer Bundesländern wie z. B. die Hochschule für angewandte Wissenschaften im bayerischen Amberg-Weiden.
Dieser Fall zeigt, wie aus dem Transparenzgesetz konkrete Vorteile für Bürgerinnen und Bürger erwachsen. Der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit hat der Universität Koblenz-Landau seine begleitende Expertise für die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben angeboten.
analogo.de meint: Noch lebt die Demokratie in Rheinland-Pfalz. Für den Fall eines Wahlsieges der CDU am kommenden Sonntag hat Spitzenkandidatin Julia Klöckner angekündigt das Landestransparenzgesetz (LTranspG) einzustampfen. Die in mehreren Jahren ausgearbeiteten Vorteile für Studenten dürften mit Klöckner über Nacht zunichte gemacht werden.