Martin Fröst und das Sinfonie-Orchester von Kastilien und León begeistern bei Debüt-Konzert in Soria

Soria | analogo.de – Der weltberühmte Klarinettist Martin Fröst war der Stargast eines beachtenswerten Konzertes beim diesjährigen Musikherbst in der nordspanischen Provinzhauptstadt Soria. Fröst begeisterte nicht nur mit seinem gewohnt virtuellen Klarinettenspiel, sondern fungierte gleichzeitig als Dirigent. Das Orchester des Abends war das in Valladolid ansässige Sinfonieorchester von Kastilien und León, welches Fröst für die kommende Saison als Gastdirigent leiten wird. analogo.de war beim Ereignis zugegen und berichtet davon.

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Erst einunddreißig Jahre gibt es den Musikherbst von Soria, zu spanisch das Festival Otoño Musical Soriano, und es befindet sich schon auf einem Weg zu den sehr beachtenswerten Musikfestivals Europas. In diesem Jahr konnten die Veranstalter nicht nur den Weltklasse-Pianisten Joaquín Achúcarro gewinnen (das zweite Klavierkonzert Chopins in f-moll war ein Genuss), sondern auch den renommierten Klarinettisten Martin Fröst. Am Abend des 23. September 2023 gab der Schwede sein Debüt mit dem Sinfonieorchester von Kastilien und León. Es war sein Debüt, weil Fröst als Artist in Residence zu dem Team gehören wird, welches das Orchester in der Saison 2023/2024 leiten wird.

Mit Martin Fröst kommt jetzt regelmäßig einer der ganz Großen nach Nordspanien. Einer, der auf den großen Bühnen der Klassik zuhause ist und fast alles erreicht hat, was man sich als Solist eines Blasinstrumentes erträumen kann. Für seinen langjährigen Vertragspartner Sony Classical ist Fröst der weltweit führende Klarinettist, einer der besten und charismatischsten Künstler der Klassik. Er war gar der erste Instrumentalist eines Blasinstrumentes, der zum Artist-in-Residence des Königlichen Concertgebouw-Orchesters ernannt wurde.

Fröst kann’s. Das Normale, das Klassische scheint ihn herauszufordern, vielleicht weil er sein Instrument beherrscht wie nur Wenige. Weil er das Klarinettenkonzert von Mozart (KV 622) in und auswendig spielt, und es eben nicht nur so gut darbieten können will, wie beim letzten Male.

Dermaßen selbstsicher und zielstrebig, bringt sich Martin Fröst nun in der spanischen Provinz ein. Nicht nur als Dirigent, sondern als moderner Direktor, der ein wahres Programm aufsetzt. Noch unverbindlicher als Programm könnte man es auch Projekt nennen. Eine Spielzeit neuer Formen und Projekte.

Vielleicht weil es rückwärtsgewandt erscheint, nur die Mozarts, Straussens und Bartóks gut vortragen zu können, zeigen sich manche Künstler und Orchester zunehmend unbefangener, alte Musik in neue Formen zu gießen, die Grenzen von Instrument und Harmonik austestend. Altes mit Neuem mischen, Beethoven mit Hillborg, klassische Musik mit elektronischem Orchesterklang, folkloristische Tanzklänge zwar, aber in modern-chaotischem Format.

Im zweiten Abschnitt des Abends war Fröst ganz Dirigent. Beethovens vierte Sinfonie in B-Dur wurde mehr oder weniger souverän dargeboten. Beethovens Vierte, die traditionell die zweite Geige spielt, eingebettet zwischen der großartigen Fünften Sinfonie des Schicksals und der heroischen Dritten, war auch an diesem Abend eher klassisches Beiwerk.

Der eigentliche Highlight des Abends war der erste Konzertabschnitt, in dem Fröst gleichzeitig als fesselnder Solist und Dirigent auftrat. Los gings mit dem ersten von 21 ungarischen Tänzen von Johannes Brahms, in einem Arrangement von Frösts jüngerem Bruder Göran. Das Stück rassig, ebenso wie die folgenden Nomadentänze für Klarinette und Orchester, diesmal eine Komposition beider Brüder Martin und Göran.

Vom Hyper Exit zum Debüt

Das dritte Stück des Abends war das in den letzten drei Jahren immer mehr gespielte Hyper Exit des schwedischen Komponisten Anders Hillborg. Der fleißige schwedische Komponist komponierte das Stück erst vor acht Jahren, was eine gewisse Modernität erwarten ließ. Ein aufregendes Werk. Unüberhörbar die Tatsache, dass Hillborg elektronische Musik studierte. Da fliegen Klarinettentöne, wie bei einem schwedischen Schlitten, durch den ewigen Schnee Lapplands gleitend, von galoppierenden Rentieren gezogen, der Schlitten auf immer erregteren Kapriolen, immer schneller dem Horizont entgegen, ohne Endstation.

Das Programm dann wieder ganz klassisch, einer der 15 rumänischen Volkstänze des Ungarn Béla Bartóks, abermals als Arrangement des Violonisten Göran Frösts. Als Finale von Teil 1 bekamen das Publikum an diesem Abend den zweiten von drei Klezmertänzen zu hören, die in Zusammenarbeit der schwedischen Brüder Göran und Martin entstanden. Klezmer, fast schon klassische Klarinettenmusik.

Klezmer, experimentelle Tanzklänge, Klarinettenflüge in alle Richtungen, Martin Fröst zeigte mit seinem spritzigen Abendprogramm wieder einmal neue Wege für die klassische Musik auf und bescherte dem Internationalen Festival von Kastilien und León einen unvergesslichen Abend.

Überhaupt darf sich Kastilien und León auf eine vielgestaltige Spielzeit freuen. Zumindest kündigten dies Martin Fröst und sein neues Orchester an: Einer der Stücke des Abends begann mit dem hundertbeinigen Stampfen von Queen’s „We Will Rock You“. Zu deutsch: Wir werden’s euch zeigen.

Der Klarinettist Martin Fröst in seinem Element beim Festival Otoño Musical Soriano 2023 in Soria/Spanien. Bildrechte: Stadtverwaltung von Soria

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