Speyer, Mainz | analogo.de – Der Landesrechnungshof Rheinland-Pfalz hat das Projekt Mainzelbahn nach Inbetriebnahme nicht geprüft. Dies teilte der Pressesprecher des Rechnungshofes, Philip Stöver unserer Redaktion auf Anfrage mit. Dabei trägt die Fehlinvestition des Projektes Mainzelbahn erheblich dazu bei, dass in Mainz und Wiesbaden zusammen pro Jahr durchschnittlich 15 Menschen vorzeitig an den Folgen von Dieselabgasen sterben. Die Ende 2016 in Betrieb gegangene Mainzelbahn verschlang rund 20 Millionen Euro mehr an Steuermitteln als ursprünglich veranschlagt. Durch diese riesige Fehlinvestition fehlt der Stadt Mainz seit Jahren woanders dringend benötigtes Geld, zum Beispiel für die nun dringend benötigten Investitionen in saubere Dieselbustechnik. Weil die Stadt ihr Geld aber verschleudert hat, pumpt die unter selbiger Parteiregie befindliche Landesregierung weiteres Steuergeld in die Stadtkasse. Das Gemeinlastprinzip erlaubt dies aber nur, wenn die Verursacher der schlechten Luft nicht festzustellen sind. Da die Hauptverursacher von NO2-Emissionen aber eindeutig die Besitzer von Dieselautos sind, dürfte das Land dieses Geld nicht zahlen. Der Landesrechnungshof schenkt dem Problemkomplex offensichtlich wenig Beachtung.
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Die Dieselbusse der städtischen Mainzer Verkehrsgesellschaft (MVG) bzw. ihrer Konzernmutter Stadtwerke Mainz AG tragen erheblich zur schlechten und gesundheitsbelastenden Atemluft in der Stadt Mainz bei. Ihre veralteten Dieselbusse blasen riesige Mengen des sehr giftigen Gases Stickstoffdioxid (NO2) in die Luft. Seit vielen Jahren wird die Stadt nicht den europaweit geltenden Grenzwerten für NO2 gerecht. In diesem Zusammenhang klagt die Deutsche Umwelthilfe (DUH) mit insgesamt vier Klagen gegen die Städte Mainz, Wiesbaden und das Land Hessen. Zur Verbesserung der Luft hat das Land Rheinland-Pfalz eine Million Euro an die Stadt Mainz locker gemacht. Das Geld fließt aus dem Topf des Verkehrsministeriums, ganz als ob es beim Thema NO2 nicht um die Gesundheit der Mainzerinnen und Mainzer, sondern um den Verkehr ginge.
Symbolpolitik unter Parteifreunden – Steuergeld macht’s möglich
Die Symbolpolitik der Landesregierung ist offensichtlich. Mit einem bald drohenden Dieselfahrverbot oder der Stilllegung vieler Dieselfahrzeuge in Mainz rettet die Koalition aus SPD, Bündnis90/Die Grünen und FDP erst einmal den Geldbeutel der städtischen Verkehrsgesellschaft – trotz der offensichtlichen Fehlinvestitionen. Am 30. August 2017 hatte die Landesregierung im sogenannten Städteforum Saubere Mobilität signalisiert die drei Städte Mainz, Ludwigshafen und Koblenz mit jeweils einer Million Euro zu unterstützen. Das Aktionsprogramm Saubere Mobilität steht in der Konsequenz für das Überspielen von Investitionsfehlern von Parteigenossen. Der Oberbürgermeister der Stadt Mainz, Michael Ebling gehört ebenso zur Landesregierungspartei SPD wie die städtische Umweltdezernentin Katrin Eder zur Landesregierungspartei von Bündnis90/Die Grünen gehört. Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.
Dabei muss stark bezweifelt werden, ob die Landesregierung diese Gelder überhaupt zahlen darf. Denn gemäß dem Gemeinlastprinzip des Umweltrechts dürfen in solchen Fällen Landesgelder nur fließen, wenn die Verursacher (in diesem Falle von NO2-Emissionen) nicht festzustellen sind. Das sind sie aber. Die Verursacher der schlechten Luft in Mainz sind vor allem private Dieselfahrzeuge und nur zu einem geringeren Teil Dieselbusse. Im Übrigen hatten die Fehlinvestionen keine politischen Folgen für die projektverantwortlichen Politiker.
Pressesprecher Philip Stöver teilte analogo.de mit, dem Rechnungshof Rheinland-Pfalz lägen zum Aktionsprogramm der Landesregierung keine weiteren Informationen vor. Normalerweise prüfe der Rechnungshof VOR der Zusage der Gelder die Förderrichtlinien. Die Landesregierung würde im Rahmen eines normalen Verwaltungshandelns eine Verwaltungsvorschrift erstellen, die geprüft werde. Da das Aktionsprogramm Saubere Mobilität aber “kein normales Förderprogramm” sei, hätte man in diesem Fall nicht geprüft. Stöver räumt zwar ein, der Landesrechnungshof könne zwar während eines Prozesses prüfen „damit sich Dinge nicht verstetigen“, aber auch das hätte man hier nicht getan.
Projekt Mainzelbahn zu klein für Rechnungshof RLP ?
Angesichts dieser Ansammlung von Laissez-faire bei der Finanzkontrolle in Rheinland-Pfalz wollten wir wissen, ob der Landesrechnungshof denn die Fehlinvestition der Mainzelbahn geprüft hatte. Schließlich vergeudet das Land nun neues Steuergeld, um das Loch in einer Stadtkasse durch anderes zuvor verzocktes Steuergeld (Mainzelbahn) zu stopfen. Die offensichtliche Verschwendung landete bereits im Jahre 2010 im Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler (BdSt). Laut Geschäftsführer Réne Quante war es dabei ohne Bedeutung, wie sich die Kosten der Mainzelbahn zwischen Bund, Land und Stadt am Ende verteilen würden. Schließlich seien alle drei staatlichen Ebenen durch Steuergeld finanziert. Zu unserem Erstaunen teilte uns Stöver mit, dass der Landesrechnungshof bislang auch das so umstrittene Projekt Mainzelbahn noch nicht geprüft habe. Man habe schließlich nur 180 Mitarbeiter und könne nicht alle Projekte in Rheinland-Pfalz prüfen. So viel zur Finanzaufsicht des Landes Rheinland-Pfalz.
Man habe im Jahr 2013 unter anderem die Planung des Projektes Mainzelbahn einschließlich der seinerzeit kalkulierten Kosten geprüft. Im Ergebnis gab der Rechnungshof dem damals zuständigen Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur (heute MWVLW) Hinweise zu Kostenrisiken und zur gebotenen Kostenkontrolle des geplanten Projekts, da Kostensteigerungen zu einem ungünstigen Nutzen-Kosten-Verhältnis führen können. 2016 wurde offensichtlich, dass die Kostenkontrolle versagt hatte. Stöver führte weiter aus, eine Prüfung des Projektes nach Fertigstellung und Inbetriebnahme der Mainzelbahn im Juni 2016 sei nicht erfolgt.
Nach nochmaliger Nachfrage unserer Redaktion blieb Stöver – mittlerweile nicht mehr überraschend – im vagen: Ob das Projekt nach Inbetriebnahme geprüft werde, sei der Entscheidung des zuständigen Kollegiums des Rechnungshofes im Rahmen der Arbeitsplanung vorbehalten. “Eine entsprechende Entscheidung wurde bisher nicht getroffen”, so Stöver.
analogo.de meint: Der Landesrechnungshof Rheinland-Pfalz prüft manchmal vorher, manchmal hinterher und manchmal vorher und hinterher. Bei der offensichtlichen Steuerverschwendung rund um die Luftpolitik in Mainz lässt es die Behörde aus Speyer offensichtlich zu locker angehen. Offizieller Prüfungsmaßstab des Rechnungshofes sind die Ordnungsmäßigkeit sowie die Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit des Verwaltungshandelns (§ 90 Landeshaushaltsordnung). Wenn der Rechnungshof in seinem Kommunalbericht 2017 VOLLE FAHRT VORAUS suggeriert, weil die Kommunalhaushalte der rheinland-pfälzischen Gemeinden und Gemeindeverbände 2016 mit einem Defizit von nur 15 Millionen Euro abgeschlossen hätten, wagt die Behörde offenbar die Abkehr detaillierterer Prüfungen auf Wirtschaftlichkeit und Rechnung zu einigen der umstrittendsten Ausgabenposten im Land. Der neue Präsident des Landesrechnungshofes ist der FDP-Mann Jörg Berres. Neuer Vizepräsident ist der ehemalige Staatssekretär im Landesministerium der Justiz, Hannes Kopf (SPD). Der Autor dieses Beitrags studierte Umweltrecht beim Dozenten Hannes Kopf an der Universität Koblenz-Landau.