Stuttgart | analogo.de – Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hat heute ihren lange erwarteten Messbericht veröffentlicht, der teilweise alarmierende Luftbelastungen in deutschen Städten offenlegt. Zahlreiche Aktivisten werden aus diesem Anlass heute in Stuttgart an Deutschlands meist belasteter Straße – dem Neckartor – öffentlichkeitswirksam für bessere Luft demonstrieren. An einer Brücke fordern die Umweltschützer auf einem 16 Meter breiten Banner: „Städte wollen atmen – schmutzige Diesel raus!“
Aktivisten mit Atemmasken fordern mit Verbotsschildern Fahrbeschränkungen für besonders schmutzige Dieselautos. Ein neuer Messbericht von Greenpeace zeigt, dass die Luftprobleme deutscher Städte viel weiträumiger sind als bislang bekannt. Die Hauptquelle des giftigen Stickoxids sind Dieselmotoren. Spätestens durch den Abgasskandal wurde öffentlich, dass viele Diesel auf der Straße deutlich mehr Stickoxide ausstoßen als erlaubt. „Die Politik darf die Stadtbewohner und die Dieselfahrer mit dem Problem schmutziger Motoren nicht allein lassen“, sagt Tobias Riedl, Greenpeace-Verkehrsexperte. „Die Hersteller müssen verpflichtet werden, alte Diesel so nachzurüsten, dass sie die geltenden Grenzwerte einhalten. Die Verkehrsminister müssen endlich wirksame Maßnahmen ergreifen, damit die Luft in Städten besser wird.“ Riedl sagte analogo.de auf Nachfrage, dass natürlich die Hersteller auch die Kosten für die Nachrüstung tragen müssten.
Am Vortag der Verkehrsministerkonferenz in Stuttgart veröffentlicht Greenpeace die Ergebnisse der Stickoxid-Messungen, die die Umweltschutzorganisation im Frühjahr zusammen mit der Universität Heidelberg durchgeführt hatte. In allen zwölf gemessenen Städten konnte Greenpeace an großen Straßen zu hohe Konzentrationen an Stickoxid nachweisen. Offiziell dokumentiert ist das Problem bislang nur an den wenigen Messstationen des Umweltbundesamts.
„Flächendeckend überschrittene Grenzwerte bei giftigen Stickoxiden sind in deutschen Städten der alarmierende Normalfall. Statt die Gesundheit der Menschen mit verpflichtenden Nachrüstungen durch die Hersteller zu schützen und notfalls auch Fahrverbote zu verhängen, kuschen Verkehrsminister Dobrindt und seine Landeskollegen weiter vor der Autolobby“, so Riedl. Stickoxide führen alleine in Deutschland zu 10.000 vorzeitigen Todesfällen pro Jahr. Der Messbericht ist online hier nachzulesen.
Verkehrsministerkonferenz diese Woche muss liefern
Die Verkehrsminister der Länder treffen sich morgen und übermorgen in Stuttgart, auch um über Wege zu besserer Luft in Städten zu sprechen. Zuletzt hatten die Minister Pläne für die sogenannte Blaue Plakette auf Eis gelegt. Diese würde Autos mit hohem Stickoxidausstoß aus besonders belasteten Stadtteilen fern halten. In einer repräsentativen Umfrage im Auftrag von Greenpeace hatten sich Ende August 59 Prozent der Bundesbürger für solche Fahrbeschränkungen ausgesprochen. „Die Verkehrsminister müssen liefern. Das aktive Wegschauen bei der Luftverschmutzung durch die Autoindustrie muss ein Ende haben“, so Riedl.
Greenpeace hat im Frühjahr in folgenden Städten Stickoxidwerte gemessen: Mainz, Wiesbaden, Stuttgart, Esslingen, Tübingen, Frankfurt, Düsseldorf, Dortmund, Köln, München, Freiburg und Augsburg. Insgesamt wurden 124 stationäre Messungen durchgeführt, von denen 63 über dem Grenzwert liegen. 89 dieser Messungen wurden an großen Straßen durchgeführt. 74 Prozent davon überstiegen den Grenzwert.
Seitens analogo.de haben wir ausführlich über die Stickstoffdioxid (NO2-) und Bodenozonsituation in Mainz und Wiesbaden berichtet (siehe Hinweise unter diesem Beitrag). Die städtische Busgesellschaft MVG als Tochter der Stadtwerke Mainz AG setzt in Mainz laut VCD-Expertise veraltete Dieselbusse ein, die die Luft weitaus stärker belasten als notwendig. Die beiden Städte stehen vor einer Strafzahlung an die EU, da der erlaubte Jahresgrenzwert seit Jahren überschritten und somit die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger kategorisch belastet wird. Derzeit werten wir redaktionell die konkrete Jahresentwicklung in der Stadt Mainz aus, die uns das Umweltministerium zur Verfügung gestellt hat. Wir bleiben am NO2-Ball.