Obwohl die meisten Menschen die Bedeutsamkeit der Bienen für das menschliche Leben erahnen, kennen sie nicht deren Besonderheiten in der Fortpflanzung. Bienen pflanzen sich anders fort als Menschen. Als analogo.de-Herausgeber hatte ich mir vor geraumer Zeit das Rechercheziel gesteckt bei den Bienen hinter die Kulissen zu schauen. In der Fortpflanzung der Bienen fand ich Parallelen zu aktuellen gesellschaftlichen Trends menschlicher Fortpflanzung. Meine weitere Recherche führte mich gar zur Stammzellenforschung mit ihren Chancen und Risiken. Auffallend war, dass mit dem Fortpflanzungsverhalten der Bienen die Risiken der Stammzellenforschung deutlicher werden. Die überraschenden Vermehrungsgesetze der Bienen führten mich zur Formulierung von drei Postulaten, die ich hier erstmals kund tue.
Das erste Postulat beschreibt die Vermehrung der männlichen Bienen und ist als Analogie gleichzeitig ein Szenario für die Rolle der Männer in der zukünftigen Human Reproduktion. Das zweite Postulat beschreibt die Vermehrung der weiblichen Bienen und ist als Analogie gleichzeitig ein Szenario für die Rolle der Frauen in der zukünftigen Human Reproduktion. Das dritte Postulat beschreibt schließlich die Bedeutung der ersten beiden Postulate für die Stammzellendiskussion und die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft mit ihren besonderen Ausprägungen von Sexualverhalten.
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Fangen wir mit der Königin der Bienen an. Der Chromosomensatz ihrer Geschlechtszellen umfasst 44 Chromosomen plus die beiden Chromosomen X und Y. Die Chromosomen liegen in zwei Sätzen vor und heißen daher diploid (2n). Die Eier der Königin werden entweder befruchtet oder nicht befruchtet.
Aus der Entwicklung der Menschen wissen wir, dass man ohne den Samen des Mannes (noch) keine Kinder zeugt. Die männliche Biene wird Drohne genannt und ist nur mit einem Chromosomensatz ausgestattet (n). Warum sehen wir später. Nun entstehen aus dieser befruchteten Eizelle NIE Männer, sondern immer Frauen. Welche Art Frau es wird, hängt von gewissen Wachstumsfaktoren ab. Entweder wird es eine Arbeiterin oder wieder eine Königin.
Fressen die Larven während ihrer acht Tage dauernden Larvenzeit länger als 3 Tage Gelee Royale, leben sie in der „richtigen“ Wabenzellenform und werden gewisse Pheromone induziert, wächst wieder eine Königin heran. Fressen die Larven nur bis zum 3. Lebenstag Gelee Royale, und ab dem vierten Lebenstag Pollen, Nektar und verdünnten Honig, und stellt der Hormonhaushalt Suppressorhormone bereit, wächst eine Arbeiterin heran. In beiden Fällen ist der weibliche Organismus wieder diploid, denn die Damen erhielten Chromosomensatz der Drohne und einen von Queen Bee Mum.
Die nächste Besonderheit bei Bienen ist, dass die Arbeiterinnen so gut wie immer steril sind, weil sie keine Keimzellen entwickeln. Nachkommen zeugt also immer nur Queen Bee Mum.
Kommen wir zur männlichen Linie. Im Gegensatz zur Entwicklung von Frauen entstehen Männer bei Bienen ohne einen Befruchtungsvorgang. Queen Bee Mum vollzieht eine sogenannte Parthenogenese, in dessen Verlauf sie ihr unbefruchtetes Ei einer Reifeteilung (Meiose) unterzieht. Im Ergebnis liegen nach der Meiose vier einzelne Chromosomensätze vor (4 x n). Unter Wirkung bestimmter Hormone entwickelt sich nun aus dem unbefruchteten Ei eine männliche Biene, und NIE eine Frau. Diese Drohne weist nun zur Mutter einen genetischen Unterschied auf, da sie immerhin nur einen einzigen Chromosomensatz enthält. Man nennt diesen Zustand haploid. Weil Bienen also einerseits diploid sind (Frauen) und andererseits haploid (Männer), sind sie insgesamt haplodiploid. Weil das Nachwuchsgeschlecht von der Art der Befruchtung abhängt, nennt man diese Art der Fortpflanzung Arrhenotokie.
Bienen haben mit Schildkröten gemeinsam, dass sie Spermien in ihrem Körper lagern. Geht der Samenvorrat zu Ende, legt die Königin vermehrt unbefruchtete Eier, aus denen sich Drohnen entwickeln. Weibliche Bienen bilden also durch asexuelle Vermehrung (Parthenogenese) männliche Klone und durch sexuelle Vermehrung Frauen. Im Unterschied zu Bienen können weibliche Blattläuse durch asexuelle Vermehrung ausschließlich weibliche Klone bilden.
Die Molekularbiologie nährt mit ihren Forschungsergebnissen den unterbewussten Wunsch des gesunden Menschen nach Unsterblichkeit. Alle Bienen außer der Königin sterben dagegen schnell. Die als sozial geltenden Bienenarbeiterinnen funktionieren als „Baubiene“ maximal fünf bis zehn Tage. Zehn kurze Tage lang dürfen sie noch „Putzbiene“ sein und nach rund sechs Wochen endet das kurze Leben der Sommergeneration. Sie sterben aus, weil sie steril sind. Drohnen sind bereits nach zwölf Tagen ein ausgereifter Organismus, sterben aber nach der Begattung, wonach ihr Zweck erfüllt scheint.
Diese für Menschen nicht erstrebenswerten „Szenarien“ könnten angesichts der veränderten menschlichen Lebensformen wie Leihmutterschaften als Dienstleistung oder standardisierte Genausstattungen auch für die menschliche Entwicklung Veränderungen bedeuten.
Die Konsequenzen der geschilderten überraschenden Vermehrungsgesetze lassen sich auf die menschliche Gesellschaft reflektieren. Abgeleitet aus den Fortpflanzungsprinzipien von Bienen stelle ich hier – nicht nur als didaktischen Merker und Mahner – die drei folgenden Postulate auf:
1. Winters Postulat
1. Wenn man Männer haben will, braucht man keine Männer.
2. Männer werden durch Frauen alleine gezeugt. Vertrieben werden sie, sobald sie nicht mehr gebraucht werden.
3. Drohnen haben keine Väter.
4. Die Männlichkeit kommt durch den weiblichen Einfluss.
5. Männer sind Klone ihrer Mütter.
2. Winters Postulat
1. Wenn man Frauen haben will, braucht man Männer.
2. Frauen machen Frauen mit Männern.
3. Arbeiterinnen haben Väter, sterben aber selber aus.
4. Die Weiblichkeit kommt durch den männlichen Einfluss.
5. Frauen sind keine Klone.
3. Winters Postulat
1. Aus unbefruchteten menschlichen Eizellen können Männer erzeugt werden.
2. Aus der Eizellenbefruchtung durch geklonte Samenzellen gehen sterile Frauen hervor. Es steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen aussterben.
3. Die menschliche Bevölkerung wird durch die Stammzellenforschung stark reduziert, da es zu wenige reproduktive Frauen gibt.
4. Die Promiskuität wird das Aussterben nicht verhindern.
5. Mehr Promiskuität führt zu mehr Königinnen. Die Anzahl der Arbeiter(innen) nimmt stark ab. Die Gesellschaft, in der „Arbeit“ einen relativ natürlichen Wert hat, stirbt.
Ein Merkmal der heutigen Gesellschaft am Anfang des 21. Jahrhunderts ist die hohe Promiskuität junger Menschen. Sexuelle Kurzbeziehungen und mangelnde Bindungsfähigkeit lassen die Lebensabschnittgefährten oft für nur sehr kurze Lebensabschnitte zusammenkommen. Am Ende leben nicht wenige moderne Menschen gänzlich allein, und erziehen ebenso ihr Kind, als ob es einen Zeugungspartner nie gegeben hätte. Das Ego ist König.
Auch spielen immer mehr Frauen mit dem Gedanken, gänzlich ohne präsenten Vater ein Kind zu gebären und aufzuziehen. Europaweit beantragen zunehmend standesamtlich verheiratete lesbische Paare einen Zugang zu künstlicher Befruchtung. Brauchen Frauen überhaupt Männer zur Erfüllung des Kinderwunsches? Das Ego ist Königin.
Im dritten Postulat wünsche ich ein auf die Gesellschaft erweitertes Modell voranzubringen. Wenn sich Frauen ihren ersehnten Nachwuchs ohne männliches Zutun besorgen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen aussterben. Die menschliche Bevölkerung wird durch die Stammzellenforschung zudem stark reduziert, da es mittelfristig zu wenige reproduktive Frauen gibt. Und in der Konsequenz eines Ausbaus von Samenbanken zum Repro-Haplo-Supermarkt steht eine Zunahme steriler Frauen.
Die laborale Verwendung chemischer und biologischer Wachstumsfaktoren bei der Klonung von menschlichen embryonalen Stammzellen baut auf normalen biologischen Wachstumsprozessen auf, die in ähnlicher Form bei Bienen zu finden sind. Menschen wären keine Menschen, wenn sie daraus kein Heilsversprechen ableiten würden: Die Züchtung ganzer Organe wenn nicht Menschen lautet das Ziel. Mit der Präimplantationsdiagnostik (PID) können Menschen schon vor der Geburt die letzten Fehler weggeschraubt werden. Hierzu werden die Zellen eines künstlichen befruchteten Embryos in vitro genetisch untersucht und im Zweifel manipuliert, um danach in die Gebärmutter übertragen zu werden. Das eigene Kind soll gutaussehend, perfekt und erfolgreich sein. Eltern in Ländern wie Vietnam oder Deutschland sind für die „Züchtung“ ihrer Kinder auf Leistung bekannt.
Für das sozio-ökonomische Leben bedeutet die Zunahme egoistischer Promiskuität die mengenmäßige Zunahme „heldenhafter“ Königinnen. Bei einem Mangel an Arbeiterinnen stelle ich nebenbei die Frage, wer in Zukunft die Arbeit macht.
Man nimmt an, dass sich die Fortpflanzungsmechanismen von Säugetieren und Insekten nicht vergleichen lassen. Die Biologie beweist aber täglich, dass die Wissenschaft auf der Basis des genetischen Codes möglich macht, was machbar ist. Mit dem Verstehen immer mehr biochemischer Prinzipien fährt die Transgenetik enorme Milliardengewinne ein. Nach dem Studium der bienischen Fortpflanzung erscheint es mir nicht mehr abwegig Parallelen zu einer möglichen menschlichen Entwicklung zu ziehen. Insofern sind die oben aufgestellten Postulate eine Schilderung des Möglichen.
Ich danke Herrn Prof. David G. Heckel vom Max Planck Institut für Chemische Ökologie als wertvollen Ratgeber. Wesentliche Motivation erfuhr ich während meines Studiums der Biologie bei Prof. Dr. Klaus Schwenk, der die Haploidie sozialer Insekten herausstellte und während meines Studiums der Umweltethik bei Dr. Roswitha Dörendahl um die Stellung von Biofakten im Gefüge ökologischer und menschlicher Beziehungen.
Rainer Winters
Mainz, den 18. August 2016
Zitiere diesen Beitrag als: Rainer Winters, „Von Bienen lernen – Ausblick auf die Human Reproduktion – Drei Winters Postulate,“ auf https://analogo.de/, publiziert am 18. August 2016, zuletzt abgerufen am … https://analogo.de/2016/08/18/von-bienen-lernen-ausblick-auf-die-human-reproduktion-drei-winters-postulate/
Von Bienen lernen – Die Zukunft der Human Reproduktion – Drei Winters Postulate vom 18. August 2016