Mainz | analogo.de – Die FREIE WÄHLER-Gemeinschaft (FW-G) Mainz wirft der mitregierenden Stadtratspartei Bündnis90/Die Grünen vor, mit der umstrittenen Klärschlammverbrennungsanlage in Mainz-Mombach ein Klärschlamm-Gorleben zu schaffen. Die Anlage war Thema der letzten Stadtratssitzung am 12. Juli 2016, wo die „grüne“ Umweltdezernentin Katrin Eder auf mehrere dezidierte Fragen der Fraktion FW-G einging. Hier gab Eder endlich zu, so Fraktionschef Kurt Mehler, dass die stadteigene Thermische Verwertungsgesellschaft Mainz (TVM) mit keiner anderen Verbrennungsanlage im Wettbewerb stehe, da sie keinen Klärschlamm auf dem Verwertungsmarkt anbiete. Der Wettbewerb beschränke sich nach ihrer Darstellung auf einzelne Mitgesellschafter, die auf diesem Markt tätig sind. Der analogo.de LONG READ.
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Wenn das so richtig wäre, stellt sich nach Ansicht von Stadtratsmitglied Kurt Mehler die Frage, warum denn dann Bürgern und ihm selbst die Einsicht in sämtliche Unterlagen der Firma verwehrt wurde. Zahlen wurden „vorsorglich“ von Seiten des Unternehmens unter Hinweis auf angebliche Betriebsgeheimnisse bzw. Wettbewerber geschwärzt. „Wenn man hier weiter fragt, stellt sich heraus, dass sich ein Klärschlammlogistik-Unternehmen in Mainz eine millionenteure Anlage bauen lässt. Mainzer Steuerzahler tragen die Kosten und die Umweltrisiken tragen die Mombacher Bürger“, folgert Mehler. Auch so könne man sich den Unternehmenserfolg finanzieren lassen.
Besonders kritisch bewertet Mehler die Antwort zur Frage der angeblichen Phosphatrückgewinnung. Denn ähnlich wie bei der Atomkraft (Entsorgung der Brennstäbe) hoffe man darauf, dass zukünftig irgendwann ein Verfahren erfunden und serienreif wird, mit dem man die Asche aufbereiten kann, um sie zu vermarkten. Bis dahin würden Zwischenlagerkosten einkalkuliert. Aber was passiert, wenn der Ascheberg immer größer wird und man den Sondermüll auf einer Deponie ablagern muss? Die FW-G stellt heraus, dass an diesen Kosten die Stadt Mainz mit bis zu 68% beteiligt wäre.
Mehler weiter: „Dass ausgerechnet die Grünen hier in Mainz ein Klärschlamm-Gorleben schaffen wollen, ist bemerkenswert. Auch die Einstufung der Klärschlammasche als „Verwertungsmasse“ ist zweifelhaft. Denn nach EUGH-Rechtsprechung ist das nur möglich, wenn die Wiederverwendung eindeutig gewiss ist. Und genau das ist nicht der Fall, weil man nicht weiß, was mit der Asche zu machen ist.“
Im Ergebnis ist Mehler mit den Antworten (siehe unten) des Umweltdezernats unzufrieden, denn die Antworten von Frau Eder würden klar zum Ausdruck bringen, dass Fragen zur Wirtschaftlichkeit gegenüber nicht im Aufsichtsrat tätigen Stadtratsmitgliedern verheimlicht werden. Diese Art von Geheimniskrämerei müsse ausgerechnet bei den Grünen enttäuschen, die offiziell immer Transparenz propagieren. Daher schließt die FW-G für die kommende Stadtratssitzung die nächsten Fragen an die Verwaltung an. Doch zunächst die erfolgten Fragen und Antworten zur Stadtratssitzung vom 12. Juli 2016:
Frage 1: In der Antwort auf Frage Nr. 1 der Anfrage Nr. 0216/2016 wird ausgeführt, dass durch Offenlegung von Unterlagen Wettbewerbern auf dem Verwertungsmarkt einen wettbewerbsrelevanten Vorteil gegenüber den Mittgesellschaftern verschafft würde. Bedeutet dies, dass die Auslastung der geplanten Klärschlammverbrennungsanlage durch Lieferverpflichtungen nur teilweise gesichert ist und wenn ja: für wie viel MgTS ist die Auslastung durch vertragliche Lieferverpflichtungen gesichert?
Antwort 1: Die Auslastung der Anlage ist gemäß Kooperationsvereinbarung zwischen den Gesellschaftern zu 100% gesichert. Es gibt eine Zusicherung der Gesellschafter über 35.000 tTM/a.
Frage 2: Für den Fall, dass die Anlagenauslastung nicht vollständig durch Lieferverpflichtungen gesichert ist: Gibt es eine Bedarfsanalyse, d. h. wurde von der Verwaltung, dem Wirtschaftsbetrieb oder der TVM geprüft, wie groß der relevante Verwertungsmarkt ist, d. h. für wie viel MgTS/a Klärschlamm Verbrennungskapazitäten in Rheinland-Pfalz und Hessen mittel- und langfristig fehlen?
Antwort 2: Siehe Antwort 1.
Frage 3: Wurde von der Verwaltung, dem Wirtschaftsbetrieb oder der TVM geprüft, ob eine Verwertung im abfallrechtlichen Sinne in der Klärschlammverbrennungsanlage überhaupt noch möglich ist, wenn die Asche nicht wie ursprünglich geplant als Phosphatdünger verwendet werden kann und wenn nicht, in welchem Umfang (in MgTS/a) sich dadurch der relevante Markt reduziert?
Antwort 3: Die Monoklärschlammverbrennung stellt eine Möglichkeit der Verwertung von Klärschlamm im abfallrechtlichen Sinne dar. Eine Direktausbringung der Asche als Phosphatdünger ist nicht Planungsgrundlage der TVM. In der Wirtschaftlichkeitsplanung sind Kosten für eine Zwischenlagerung der Aschen in Kaiserslautern eingeplant. Der Markt für die Verwertungsmöglichkeiten der Aschen wird von der TVM aufmerksam beobachtet. Der Wirtschaftsbetrieb Mainz ist als Hauptgesellschafter auch Mitglied in der Deutschen Phosphor Plattform.
Frage 4: Der Antwort auf Frage Nr. 2 der Anfrage Nr. 0216/2016 ist zu entnehmen, dass Verwaltung und Stadtvorstand der Auffassung sind, dass Fragen, die die Wirtschaftlichkeit der Klärschlammverbrennungsanlage betreffen und damit Fragen betreffen, von denen abhängt, ob von den Bürgern der Stadt Mainz künftig höhere Gebühren erhoben werden, gegenüber Bürgern und Stadträten, die nicht Mitglieder des Verwaltungsrats des WBM sind, verheimlicht werden dürfen oder müssen. Trifft dies zu (ja oder nein)?
Antwort 4: Die Errichtung der Klärschlammverbrennungsanlage wird nicht zur Gebührenerhöhung führen, sondern vielmehr zur Gebührenstabilität der schon seit Jahren im Bundesvergleich mit am günstigsten aufgeführten Abwasserentgelten beitragen. Hierüber, sowie zu allen Fragen der Wirtschaftlichkeit wurde der Verwaltungsrat, als zuständiges Kontrollgremium des Wirtschaftsbetriebes Mainz, welcher sich aus gewählten Mitgliedern des Stadtrates zusammensetzt zu jeder Zeit umfänglich und transparent informiert.
Frage 5: Der Antwort auf Frage Nr. 4 der Anfrage Nr. 0216/2016 ist zu entnehmen, dass Verwaltung und Stadtvorstand der Auffassung sind, dass es ein überwiegendes öffentliches Interesse gibt, den Bürgern und Stadträten, die nicht Mitglieder des Verwaltungsrats der WBM sind, den Zugang zu amtlichen Informationen zu verweigern, die es ermöglichen, sich eine eigene Meinung darüber zu bilden, ob die Realisierung der Klärschlammverbrennungsanlage zu Gebührenerhöhungen führen wird. Trifft dies zu (ja oder nein)?
Antwort 5: Siehe Antwort 4.
Frage 6: Mit welchen konkreten Anlagen bzw. Anlagenbetreibern würde die Klärschlammverbrennungsanlage der TVM bzw. die TVM im „Wettbewerb auf dem Verwertungsmarkt“ im Sinne der Antwort auf Frage Nr. 3 der Anfrage Nr. 0216/2016 stehen?
Antwort 6: Die TVM selbst als Klärschlammverbrennungsanlage steht mit keinen anderen Verbrennungsanlagen im Wettbewerb, da sie nicht selbst Klärschlammmassen am Markt akquiriert. Die TVM verbrennt nur vertraglich zugesicherte Klärschlämme der Gesellschafter. Der Wettbewerb beschränkt sich auf einzelne Mitgesellschafter, welche im Klärschlammverwertungsmarkt tätig sind.
Frage 7: Welche Anlieferungsmengen und Preise sind erforderlich, damit die Wirtschaftlichkeit im Sinne der Antwort auf Frage Nr. 5 der Anfrage Nr. 0216/2016 gegeben ist?
Antwort 7: Siehe Antwort 4.
Kurt Mehler reüssiert und bezweifelt in Summe nicht nur das Demokratieverständnis der Umweltdezernentin und TVM-Aufsichtsratsvorsitzenden Katrin Eder, sondern formuliert für die kommende Stadtratssitzung am 04. Oktober 2016 die nächsten Fragen:
- Wurde bei der Ermittlung der dem Verwaltungsrat des WBM gemäß Antwort auf Frage Nr. 2 der Anfrage Nr. 0216/2016 mitgeteilten positiven Auswirkungen berücksichtigt, dass sich die Baukosten zwischenzeitlich von 25 Mio. € auf 42 Mio. € erhöht haben und die Vermarktbarkeit der Asche als Phosphatdünger entfallen ist mit der Folge, dass auch die Verwertungsmarkt entfallen ist?
- Wurden dem Verwaltungsrat des WBM Informationen zugänglich gemacht, die dem Stadtrat in der Beschlussvorlage [zur Sitzung vom 15.07.2015] nicht zugänglich gemacht wurden? Sind die neuen, aktuellen Kostenberechnungen dem Verwaltungsrat und dem Stadtrat bekannt?
- Wie wurde die Einhaltung der Anforderungen des § 86a Abs. 5 Satz 2 GemO i.V.m. § 87 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und Abs. 3 Nr. 3 GemO hinsichtlich der TVM sichergestellt?
- Worin bestehen die positiven Auswirkungen auf die Abwassergebühr, über die der WBM seinen Verwaltungsrat laut Antwort zur Frage Nr. 2 der Anfrage Nr. 0216/2016 zu jeder Zeit umfänglich und transparent informierte?
- Von welchen Parametern (Baukosten, Betriebskosten, Verbrennungsmengen, Marktpreisen für die Verbrennung, Vermarktbarkeit der Asche als Phosphatdünger …) hängen die positiven Auswirkungen auf die Abwassergebühren ab und wie haben sich diese Parameter seit 2010 mit welchen Auswirkungen auf die Kalkulation der Abwassergebühr entwickelt?
- Ist der nach aktueller Kostenberechnung notwendige Deckungsbeitrag je MgTS Klärschlamm größer oder kleiner als die derzeitigen Kosten je MGTS Klärschlamm für Transport nach und Verbrennung in Großkrotzenburg?
- Welche Auswirkungen hätte es auf die Schmutzwassergebühren, wenn die Klärschlammverbrennungsanlage nur zu 80% (30.000 MGTS) oder 60% (22.500 MGTS) ausgelastet wäre?
- Sofern eine Auslastung von 80% oder 60% keine Auswirkungen auf die Schmutzwassergebühr hätte: Wie wird die Deckungslücke finanziert?
- Anfang des Jahres wurde in verschiedenen Veröffentlichungen (Presse) davon gesprochen, dass die Ausschreibungen im Frühjahr durchgeführt werden sollen. Außerdem gibt es die Zusage der TVM den Ortsbeirat (und damit wohl auch den Stadtrat) zeitnah (?) zu unterrichten. Wann ist mit dieser Information zu rechnen?
- Was ist inzwischen geschehen? Hat es Submissionen gegeben und wie ist das Ergebnis im Vergleich zur Kostenschätzung ( gem. HOAI ) und der Kostenberechnung (ebenfalls gem. HOAI)?
analogo.de meint: Die kleine FREIE WÄHLER-Gemeinschaft (FW-G) etabliert sich zunehmend als absoluter Zugewinn für einen in dieser Größenordnung ungewohnt demokratisch-transparenten Politikstil im Mainzer Stadtrat und Politikbetrieb.