Transparenzgesetz RLP: Landauer Studenten fordern Veröffentlichung von Klausurlösungen

Landau, Mainz | analogo.de – Mit dem Versuch Studenten Klausurlösungen vorzuenthalten, bereiten drei Professoren der Universität Koblenz-Landau derzeit den hochschulpolitischen Boden für Neuerungen im Prüfungsrecht in Rheinland-Pfalz. Landauer Studenten fordern die Veröffentlichung der Lösungen und berufen sich auf das neue Transparenzgesetz von Rheinland-Pfalz. Kritisch begleitet wird der Prozess vom Landesbeauftragten von Rheinland-Pfalz für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (LfDI).

Eine erste Expertise des LfDI ergab, dass das Recht zur Veröffentlichung von Klausurlösungen aus dem Transparenzgesetz abgeleitet werden kann. Um verwalterische Ressourcen zu sparen, macht es Sinn innerhalb der einzelnen Hochschulen des Landes eine proaktive Veröffentlichung durch Selbstverpflichtung zu erwirken. Dieser Schritt erspart den Universitäten eine bevorstehende Antragsflut auf Veröffentlichung und liefert allen Beteiligten Rechtssicherheit. Das Thema birgt daher mögliche Konsequenzen für die gesamte Hochschullandschaft in Rheinland-Pfalz.

Die Verheimlichung der Prüfungslösungen am Campus Landau unter starker Beteiligung von Vize-Präsident Prof. Dr. Ralf Schulz wollen die Studenten nicht länger hinnehmen. Auf der kommenden Senatssitzung der Universität am 23. Februar 2016 wollen die studentischen Senatsvertreter, Marleen Gruber und Yann Schosser den Regelungsbeschluss herbeiführen innerhalb der Universität grundsätzlich Lösungen für alle schriftlichen Prüfungen zu veröffentlichen.

Der Anlass zur Neuerung bereiten die drei Professoren Prof. Dr. Gabriele Schaumann, Prof. Dr. Klaus Schwenk und der erwähnte Prof. Dr. Ralf Schulz (zur Vereinfachung: Die drei Sch’s). Dabei zeigen sie ein sehr typisches Verhalten von Wissenschaftlern, die nichts so sehr hassen wie sich festlegen zu müssen: Konkret wollen die drei Sch’s ihren Studenten die schriftlichen Lösungen vorenthalten. Dabei liegen die langjährigen Notendurchschnitte vor allem bei Schulz und Schaumann nicht weiter über einer 5.

Die fachlichen Begründungen der Dozenten sind von Studenten oft nicht nachvollziehbar, denn sie erhalten allenfalls kurze und unvollständige Auskünfte, was an den Klausuren zu bemängeln ist. In Einsichtsterminen ist von Schulz gar zu hören, es sei ihm „zu affig“ jede Frage durchzugehen. Der Vizepräsident vom Campus Landau ist dafür bekannt, Erstsemester damit abzuschrecken, er hoffe sie hätten sich ihre Studienwahl gut überlegt.

Ordnung verleiht Studenten Leben

Seine Kollegin Schaumann bekleidet an der Universität Landau das Amt der Dekanin für den naturwissenschaftlichen Fachbereich 7. Die Chemikerin ist bekannt dafür, mehr Studierende durch die angesagte Studienstiftung des deutschen Volkes fördern lassen zu wollen. Schließlich vergleicht man sich gerne mit renommierten Elite-Universitäten wie der ETH Zürich. Teil der Hochschul-Elite zu sein, ist das diffuse Ziel von Schaumann und Schulz. Doch wo viel Licht ist, gibt es immer auch viel Schatten.

Wer über das Licht spricht, spricht über das Leben. Und wer mit Schaumann über Funktionsprinzipien des Lebens spricht, hört von der Chemikerin, dass alles Chaos ist. Dabei lehrt ihr Biologe-Kollege Schwenk, dass doch eines der fundamentalen Funktionsprinzipien des Lebens sei, geordnete Strukturen zu haben. Dieses Schaffen von Ordnung kostet Energie, aber es ermöglicht Leben. Können Studenten überhaupt dazulernen, wenn Prüfungslösungen unklar und Prüfungsregularien ungeordnet bleiben? Es zeigt sich: Das Lehr-Chaos in Landau wird auf Kosten von zu vielen Studierenden aufrechterhalten. Zur Heranbildung eines kompetenten Nachwuchses bedarf es also eines Investments – auf Seiten der Hochschulen.

Der Präsident der Universität Koblenz-Landau und Vorsitzende der Landeshochschulpräsidentenkonferenz (LHPK), Prof. Dr. Roman Heiligenthal, betonte noch im Februar 2015, dass zusätzliche 25 Millionen Euro Landesmittel pro Jahr den Hochschulen neuen Handlungsspielraum in Forschung und Lehre verschaffen würden. Aus Sicht der Universitäten im Land sei es insbesondere wichtig, dass die zusätzlichen Stellen Perspektiven für den akademischen Mittelbau und den wissenschaftlichen Nachwuchs eröffnen. Damit werde langfristig die Ausgangsposition der rheinland-pfälzischen Universitäten im Wettbewerb mit den Hochschulen anderer Bundesländer gestärkt, so Heiligenthal. Die Lösung scheint eine einfache zu sein.

Konsistente Universität Mainz

Zum Vergleich wollte analogo.de nun wissen, welches Investment andere Universtäten in Rheinland-Pfalz leisten und befragte Dozenten der Johannes-Gutenberg Universität (JGU) Mainz. Auch wenn hier noch nicht alle Fachbereiche ihre Klausurlösungen veröffentlichen, geht man mit diesem Thema an der größten Hochschule des Landes offenbar konsistenter und verantwortungsvoller um.

In diversen Fachbereichen wird alles Wissen in einem Wissenspool gesammelt. Die Antworten für Klausurfragen werden vor jeder aktuellen Klausur niedergeschrieben und festgehalten, um der Gefahr willkürlicher Bewertung vorzubeugen. Im Turnus von frühestens zwei bis drei Jahren können Dozenten auf dasselbe Klausurmaterial aus dem Wissens- und Klausurpool zurückgreifen. In Landau dagegen entzieht man sich durch die Verheimlichung der Lösungen noch jeglicher (Eigen-) Kontrolle. Es scheint, dass nicht nur die drei Sch’s machen können, was sie wollen. Dabei entsteht die Gefahr aller geheimen Systeme: Sie korrumpieren, wenn nur noch involvierte Menschen wissen, was abgeht.

Durch die Art und Weise von inkonsistenter Korrektur sind aber Karrieren vieler Studierender gefährdet. Die Entscheidung der Dozenten wiegt dabei schwer, denn ihre Klausurbewertung stellt einen amtlichen Verwaltungsakt dar. Sich gerichtlich gegen diese Art Willkür zu wehren, ist oft langwierig und oft nur von sehr liquiden Studierenden zu leisten. Im November 2015 begannen die Studierenden einen längeren Bildungsstreik, der unter anderem gegen die mangelnde Bildungsgerechtigkeit demonstrierte. Zu dieser Bildungsgerechtigkeit gehört auch eine nachvollziehbare Bewertung.

Kritik zum Bewertungssystem wird zunehmend auch aus dem inner- und außer-universitären Umfeld laut. Der naturwissenschaftlichen Fakultät etwa wurde unlängst von der Akkreditierungsagentur evalag assistiert, dass ihr Studiengang Umweltwissenschaften so nicht studierbar sei. Im besagten Studiengang erhielt die Universität zwar Auflagen, die zum kleinen Teil umgesetzt werden.

Eine wesentliche Forderung aus dem studentischen Bildungsstreik Ende 2015 lautete, Studenten müssten ihre Regelstudienzeit einhalten können. Wem dies nicht gelingt, verliert zudem die womöglich entscheidende finanzielle Hilfe des Bafögs. Sozial schwächer gestellte Studierende trifft es dabei immer als Erstes.

Wege zur transparenten Hochschul-Kultur

Doch das Dozenten-Portfolio der Willkür ist breitgefächert. Nach dem langen Akkreditierungsprozess (sie musste sogar um ein Jahr verschoben werden) ist das Verheimlichen von Lösungen eine weitere gute Methode sich von Studierenden zu entledigen. Wer die Entscheidung und mündliche Erklärung der Professoren anzweifelt, darf erst vor dem Verwaltungsgericht klagen, wenn er zum zweiten Mal durchgefallen ist, da der Erstversuch nur von wenigen Richtern als Verwaltungsakt akzeptiert wird.

In der Geschichte zeigt sich, dass sich immer dann etwas zum Positiven geändert hat, wenn in gesellschaftlichen Situationen ein Zustand an die Grenzen des Erträglichen gestoßen war. Getreu nach dem alten Goethe, dass „die Deutschen die Gabe besitzen die Wissenschaften unzugänglich zu machen“, scheint die Landauer Nuss eine harte Nuss zu sein. Die rheinland-pfälzische Koalition aus SPD und Bündnis90/Die Grünen aus dem Jahre 2015 hat unterdessen den Goethe verinnerlicht, und nicht zuletzt deswegen den Geltungsbereich des seit 01. Januar 2016 geltenden Transparenzgesetzes auf die Hochschulen ausgeweitet.

Einer der drei Sch’s, Biologie-Professor Schwenk, pflegt starke Beziehungen zu seinem einstigen Lehrort an der Goethe Universität im hessischen Frankfurt. Während Hessen als transparenzbezüglich rückständiges Bundesland gilt, sind die Weichen des innovativen Transparenzgesetzes für Rheinland-Pfalz gestellt. Den Kampf zur Demokratisierung der Universität Koblenz-Landau ist auch ein Kampf um die Verfechtung von Ansprüchen nach dem innovativen Transparenzgesetz. Die dazugehörige Kultur darf sich nun entwickeln. analogo.de freut sich auf eine begleitende Berichterstattung zum Thema.

Lösungen für schwierige universitäre Klausuren müssen verlangbar sein. Bildrechte: Geralt auf Pixabay 4126483_1920