Der Glyphosat-Report von ANA LOGO – 1. Teil

Das allgegenwärtige Pestizid Glyphosat ist krebserregend und der Hauptgrund für die epidemieartige Ausbreitung der Gluten-Unverträglichkeit in Europa und in den USA. Trotzdem will die EU das Ackergift Anfang 2016 neu zulassen. Experten streiten noch um die Höhe der Wahrscheinlichkeit der Karzinogenität. Der Genehmigungsprozess gleicht derzeit einem Krimi: Die Hersteller um den Glyphosat-Erfinder Monsanto versuchen die Gefahr herunterzuspielen. Bei näherer Betrachtung des politischen Prozesses zeigt sich eine Gemeinsamkeit zum heimlich verhandelten Handelsabkommen TTIP: Entscheidungsprozesse der beteiligten Behörden auf EU- und Bundesebene verlaufen intransparent und unter der Regie der Industrielobby. Die Öffentlichkeit bleibt im Dunkeln.

Ein Anlass für analogo.de mit seinem Motto: Wissen macht glücklich. In einer vierwöchigen Recherche gingen wir den Verstrickungen von Politik, Lobbyisten, Industrie und Nichtregierungs-Organisationen (NGOs) auf die Spur. Wir wollten wissen: Wo liegen die Informationsdefizite beim gefährlichsten Pestizid in Deutschland und welche Konsequenzen sind damit verbunden? 

Lese hierzu den einführenden Bericht in sechs lesbaren Abschnitten. Das dazugehörige Wörterbuch Glyphosat umfasst aktuell 120 DIN A4-Seiten mit 465 Datensätzen – mit datierten Aussagen und Rollen von über 300 beteiligten Wissenschaftlern, Politikern, Behördenvertretern, Industrievertretern und Verbänden. Wir nennen es Wörterbuch, weil die Datensätze alphabetisch geordnet sind. Eine kleine Legende am Ende dieser Seite erklärt, wie man das Wörterbuch am besten liest. Die Übersicht steht zum freien Download zur Verfügung:

Wörterbuch Glyphosat von ANA LOGO

 

Glyphosat und der Genehmigungs-Sumpf

Die als grüne Gentechnik rhetorisch getarnte Agro-Gentechnik wird in Deutschland im Wesentlichen von einem Dutzend Personen mit Genetik-Hintergrund durchgewinkt. Obwohl es weltweit 6.000 Genetiker gibt, von denen die meisten mit dem Modellorganismus Drosophila beschäftigt sind, steuert ein relativ kleiner Personenkreis den allmählichen Einzug genetisch veränderter Organismen (GVO) und Lebensmittel nach Deutschland. Im Gepäck haben sie den klassischen Kombipartner genetisch veränderter Pflanzen – Glyphosat.

Zu dem Personenkreis gehören Klaus Amman, Detlef Bartsch, Inge Broer, Hans-Jörg Buhk, Hans-Günter Gassen, Klaus-Dieter Jany, Stefan Rauschen, Joachim Schiemann, Kerstin Schmidt, Uwe Schrader und Kristina Sinemus. Dieser elitäre Genetiker-Bund ist behördlich und mit industriellen Genlaboren gut verknüpft. Dazu nur ein Beispiel:

Der Leiter der Abteilung 4 Gentechnik im Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) Detlef Bartsch. Obwohl laut Umfragen fast alle Deutschen gentechnisch verändertes Essen ablehnen, war Bartsch jahrelanges deutsches Mitglied im EFSA-GMO-Panel und entschied dort als absoluter Befürworter für Gentech-Essen über dessen Einführung auf europäischen Märkten. Bartsch musste 2012 letztendlich seinen Hut nehmen, da er mit vielen Gentech-Firmen mehrfach finanziell verstrickt war.

Die europäische Lebensmittelbehörde EFSA teilte dem Herausgeber von analogo.de auf Anfrage mit, dass Bartsch genau wie alle anderen Panel-Mitglieder eine jährliche DoI (Declaration of Interest) mit allen Interessen der letzten fünf Jahre und zusätzlich eine spezifische mündliche DoI vor jedem Meeting abgeben musste. EFSA bestätigte analogo.de einen Interessenskonflikt des BVL-Mitarbeiters Bartsch durch seine Art der Kommentierung auf Zulassungsanträge von GVO. Daher verweigerte die EFSA Detlef Bartsch noch im Jahre 2012 die Teilnahme an 38 Diskussionspunkten („items“). Den ehemaligen Weblink, auf dem dieser Akt festgehalten wurde, hat die EFSA leider deaktiviert.

Martin Häusling, Mitglied des Europäischen Parlaments, schrieb dem Herausgeber von analogo.de zu Detlef Bartsch: „Der Fall Bartsch ist leider kein Einzelfall. Nachdem schon in der Vergangenheit Grüne und NGOs Verstrickungen von EFSA-Mitarbeitern mit Industrieunternehmen wie Syngenta öffentlich gemacht und den Druck über Jahre aufrechterhalten haben, handelte das Europäische Parlament im Mai 2012 und verweigerte die Entlastung des EFSA-Haushalts 2010. Zwar hat die EFSA daraufhin Fehler eingeräumt und vereinzelt personelle Konsequenzen gezogen, aber eine Untersuchung von Corporate Europe Observatory (CEO) vom Oktober 2013 zeigt klar auf, dass die Lobby-Verstrickungen bei der EFSA nicht beendet wurden.“

→ Lese weiter im 2. Teil

Rückstände vom Pestizid Glyphosat finden sich in fast allen Biersorten in Deutschland. Bildrechte: Motointermedia auf Pixabay 968232_1920

Legende des Wörterbuches Glyphosat von ANA LOGO:

  • GVO (genetisch veränderte Organismen) = GMO (genetically modified organisms)
  • PSM = Pflanzenschutzmittel
  • So ist die Übersicht unterteilt:
  • Erste Sektion: Welche Wissenschaftler an welchen Universitäten und Instituten?
  • Zweite Sektion: Welche Angestellte in welcher öffentlichen Institution?
  • Dritte Sektion: Welche Angestellte in Industrie, NGO und Lobbyismus
  • Alle 3 Sektionen primär nach alphabetischem Ort bzw. Amt/Institution. EU hierarchisch bzgl. Aktionsradius. Sekundär chronologisch. Bundes-Amt steht vor Bundes-Anstalt.
  • Der Übersicht halber gibt es eine Wertung: Grün steht der Einfachheit halber tendenziell FÜR eine biologisch-dynamische Wirtschaftsweise, GEGEN Glyphosat und die Agro-Gentechnik, FÜR eine transparente Gesetzgebung, LIEFERT Studienergebnisse, die eine Gesundheitsgefahr und ökologische Gefahr darstellen. Rot steht mit seinen Aussagen und Aktionen für das Gegenteil.
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