Wagner-Interview zu Snowden und Transparenzgesetz Rheinland-Pfalz

Mainz, Berlin | analogo.de – Datenschutzbeauftragte sind derzeit gefragte Leute. Heute sagte der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar vor dem NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages zur Ausspäh-Krise von NSA, BND und Deutsche Telekom aus. Während sich auf der einen Seite Hinweise verdichten, dass der Staat seine Bürger flächendeckend überwacht und sie somit kontrolliert, verlangen dieselben Bürger auf der anderen Seite mehr Mitspracherechte in amtlichen Angelegenheiten. In diesem Spannungsfeld nehmen die Beauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit eine derzeit einzigartige Stellung in der Gesellschaft ein. Der analogo.de LONG READ.

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Eine politisch knisternde „Position zwischen den Stühlen“ nimmt auch der Datenschutzbeauftragte von Rheinland-Pfalz wahr: Edgar Wagner. Als „LfDI“ (Landesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit) und Mitglied im Landesbeirat für digitale Entwicklung und Kultur berät er die Landesregierung auf ihrem Weg zum ersten Transparenzgesetz in einem deutschen Flächenland. Vor wenigen Wochen schlug Wagner vor, Edward Snowden den Wissenschaftspreis des Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz zu verleihen. Der Vorschlag wurde nicht umgesetzt, und analogo.de wollte wissen, woran es lag.

Lese hier das Exklusivinterview mit analogo.de, welches der LfDI schriftlich beantwortet. Süffisant sind die letzten drei Fragen zum Thema Snowden und Whistleblowern, denen der LfDI ausweicht.

analogo.de: Seit drei Jahren sind Sie Landesbeauftragter von Rheinland-Pfalz für die Informationsfreiheit. Drei Jahre dauerte auch der Dritte Kreuzzug der Kreuzfahrer gegen die Ayyubiden zwischen 1189 und 1192. Wird Ihre Behörde stark in Anspruch genommen?

LfDI: Dem rheinland-pfälzischen Datenschutzbeauftragten wurde zum 31.12.2011 das Amt des Informationsfreiheitsbeauftragten übertragen. Seit diesem Zeitpunkt wächst das Interesse der Bürgerinnen und Bürger, aber auch das der Behörden stetig. Während der LfDI im Jahr 2012 in insgesamt 90 Verfahren zum Antrag auf Informationszugang involviert war (davon wurden 50 Verfahren schriftlich geführt), stieg deren Zahl auf 120 (davon 60 schriftliche Verfahren) im Jahr 2013 und schließlich auf 200 (davon 80 schriftliche Verfahren) im Jahr 2014.

analogo.de: Welche amtlichen Stellen sind gemäß Landesinformationsfreiheitsgesetz Rheinland-Pfalz (RLP) auskunftspflichtig?

LfDI:Das Landesinformationsfreiheitsgesetz legt in seinem § 2 fest, welche Stellen auskunftspflichtig im Sinne des Gesetzes sind:

2 Anwendungsbereich

(1) Dieses Gesetz gilt für die Behörden des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts, soweit sie in öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Form Verwaltungstätigkeit ausüben.

(2) Behörde ist jede Stelle im Sinne des § 2 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes.

(3) Einer Behörde steht eine natürliche oder juristische Person des Privatrechts gleich, soweit eine Behörde sich dieser Person zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben

bedient oder dieser Person die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben übertragen wurde.

(4) Dieses Gesetz gilt für den Landtag, den Rechnungshof sowie die Gerichte, Strafverfolgungs- und Strafvollstreckungsbehörden nur, soweit sie Verwaltungsaufgaben wahrnehmen.

(5) Dieses Gesetz gilt nicht für die Sparkassen, die Selbstverwaltungsorganisationen der Wirtschaft und der Freien Berufe sowie die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten.

analogo.de: In Ihrem aktuellen Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit deuten Sie an, dass die Informationsfreiheit in RLP noch nicht so wichtig genommen wird wie der Datenschutz. Haben Sie eine Erklärung dafür?

LfDI: Der Datenschutz hat im vergangenen Jahr in RLP seinen 40. Geburtstag gefeiert. Heute stellt er eine feste Größe im Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger und in rechtlichen Debatten dar. Das war nicht immer so. In seiner Anfangszeit musste der Datenschutz zunächst – ebenso wie die heute die Informationsfreiheit – an Bekanntheit gewinnen und sich als bedeutsames Thema im demokratischen Diskurs etablieren. Ich bin zuversichtlich, dass – nicht zuletzt durch die intensive Öffentlichkeitsarbeit des LfDI – die Informationsfreiheit in wenigen Jahren auch zu einer festen Größe in Politik und Gesellschaft werden wird.

analogo.de: Als erstes Flächenland in Deutschland arbeitet RLP ein Transparenzgesetz aus, welches noch vor den Landtagswahlen 2016 verabschiedet werden soll. Man orientiert sich u. a. am Hamburger Transparenzgesetz. Wie läuft Ihrer Meinung nach die Anwendung und Akzeptanz in Hamburg?

LfDI: Die Informationsfreiheitsbeauftragten der Länder und die Beauftragte des Bundes stehen in einem regen inhaltlichen Austausch miteinander. Das Hamburgische Transparenzgesetz ist ein großer Erfolg, und das mit dem Gesetz geschaffene Transparenzportal seit Oktober 2014 in Betrieb. Auch die Zahl der Anfragen auf Basis des weiterbestehenden Antragsrechts ist seit den intensiven Debatten um das Transparenzgesetz stark gestiegen. Ein Vergleich zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und Rheinland-Pfalz ist allerdings nur bedingt möglich, da es sich bei Hamburg um einen Stadtstaat, bei Rheinland-Pfalz hingegen um ein Flächenland handelt.

analogo.de: Warum sollen im anstehenden Transparenzgesetz von Rheinland-Pfalz Kommunen und Städte von der Transparenzpflicht im Sinne des Gesetzes ausgenommen werden?

LfDI: Die Kommunen und Städte betreiben bereits eine rege Informationspolitik. Das ergab sich aus den Ergebnissen einer Umfrage des LfDI aus dem Jahr 2013. Das so genannte Konnexitätsprinzip in der Verfassung besagt, dass das Land die gesamten, in den Kommunen entstehenden Kosten tragen müsste, die durch eine gesetzliche Verpflichtung der Kommunen zur proaktiven Veröffentlichung von Behördeninformationen seitens des Landesgesetzgebers entstehen würden; hier stellt sich das Problem, dass die dafür erforderlichen Mittel derzeit nicht vorhanden sind. Aber die Kommunen werden vom Gesetzgeber nachdrücklich dazu eingeladen, im künftigen Transparentportal auf freiwilliger Basis zu veröffentlichen.

analogo.de: Wie offen zeigen sich Städte und Kommunen bislang auf Anfragen unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz?

LfDI: Die Offenheit der Behörden nimmt zur Freude des LfDI beständig zu. Manche Kommunen sind häufiger Adressat von Bürgeranfragen und gehen sehr bürgerfreundlich und souverän mit dem gesetzlichen Instrumentarium um. Manche Kommunen sind bislang wenig oder noch nicht in Kontakt mit dem LIFG gekommen. Diese berät der LfDI gerne. Seit Herbst 2013 bietet der LfDI Rheinland-Pfalz weit Schulungen zum LIFG für Behördenmitarbeiterinnen und Mitarbeiter an, die regen Zuspruch erfahren.

analogo.de: Wenn Städte und Kommunen die unter Berufung auf das IFG gewünschte Information ablehnen, können Bürger(innen) nicht – wie in anderen Bundesländern – direkt zum Verwaltungsgericht, um die Information notfalls einzuklagen. Die erste Verhandlung findet laut AGVwGOvor dem Stadtrechtsausschuss statt. Schon das Akronym AGVwGO für „Ausführungsgesetz zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung“ muss einschüchtern. Behindert so viel Umständlichkeit nicht die Chance auf eine breite Akzeptanz des Gesetzes?

LfDI: § 8 Satz 2 LIFG sieht vor einem Klageverfahren bei allen Behörden ein Widerspruchsverfahren vor. Ein Widerspruchsverfahren hat nach § 8 Satz 3 LIFG auch bei einer Entscheidung von einer obersten Landesbehörde stattzufinden. Der Gesetzgeber hat entschieden, dass vor einem langwierigen und teilweise auch kostenintensiven Klageverfahren ein weiteres Verfahren, in Form eines Widerspruchsverfahrens, in der Verwaltung selbst stattzufinden hat. Das Widerspruchsverfahren dient dabei zum einen der Selbstkontrolle der Verwaltung und zum anderen der Entlastung der Gerichte. Das Widerspruchsverfahren dient aber auch dem Bürger. Er kann durch ein Widerspruchsverfahren auch die Unzweckmäßigkeit eines rechtmäßigen Verwaltungsakts angehen. Bei einem Gerichtsverfahren wird der Verwaltungsakt hingegen nur auf seine Widerrechtlichkeit überprüft.

analogo.de: Noch im Januar sollen sich in einem Mitbestimmungsverfahren Bürgerinnen und Bürger bei der Formulierung des Transparenzgesetzes einbringen können. Wie, wo und ab wann soll es losgehen?

LfDI: Die Federführung für das Beteiligungsverfahren zum Transparenzgesetz RLP liegt bei der Staatskanzlei, die diesen Prozess in Zusammenarbeit mit einem Beratungsunternehmen erarbeitet und durchführt. Genaueres zum Verfahren erfragen Sie bitte bei der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei.

analogo.de: Seit drei Jahren hat RLP auch ein Lobbyistenregister. Wie viele Lobbyisten sind dort eingetragen und wie viele kommen pro Monat hinzu?

LfDI: Das rheinland-pfälzische Lobbyistenregister wird vom Präsidenten des Landtags RLP geführt. Es handelt sich dabei um eine öffentliche Liste, in der alle Verbände, die Interessen gegenüber dem Landtag oder der Landesregierung vertreten, eingetragen werden. Die Liste wird vom Präsidenten jährlich im Staatsanzeiger veröffentlicht und ist somit allgemein zugänglich. Falls Sie weitere Informationen wünschen, fragen Sie bitte im Landtag nach.

analogo.de: Whistleblower werden in Deutschland noch zu wenig geschützt. Sie riskieren ihre Zukunft, sobald sie die Wahrheit ans Licht bringen. Wie kann der Gesetzgeber Whistleblower konkret besser schützen?

LfDI: Wegen der derzeit starken Arbeitsbelastung der Behörde des LfDI verweist die Behörde auf Edgar Wagners Statement zu Edward Snowden, in dem er sich inhaltlich zu der Thematik positioniert hat.

analogo.de: Sie haben vorgeschlagen, Edward Snowden den Wissenschaftspreis des Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz zu verleihen. Wie hat die Landesregierung Ihren Vorschlag aufgenommen?

LfDI: Wegen der derzeit starken Arbeitsbelastung der Behörde des LfDI verweist die Behörde auf Edgar Wagners Statement zu Edward Snowden, in dem er sich inhaltlich zu der Thematik positioniert hat.

analogo.de: Holen Whistleblower den Schmutz aus dem Nest oder tragen sie ihn hinein?

LfDI: Wegen der derzeit starken Arbeitsbelastung der Behörde des LfDI verweist die Behörde auf Edgar Wagners Statement zu Edward Snowden, in dem er sich inhaltlich zu der Thematik positioniert hat.

Edward Snowden hat die Verletzung privater Daten durch die Geheimdienste offengelegt. Bildrechte: Geralt auf Pixabay 1607208_1920
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