Sommersmog in Mainz und Wiesbaden – Gefahr nicht nur für Fußballfans

Mainz / Wiesbaden | analogo.de – In zwei Disziplinen griff die Stadt Mainz am 07. August 2016 nach den Sternen: Gegen den Fußballclub FC Liverpool gewann der Bundesligist Mainz 05 überraschend hoch mit 4:0. Und zweitens lagen die Stickoxid-Werte in Teilen der Innenstadt rund 4mal höher als es der erlaubte mittlere Jahresgrenzwert bestimmt. Zeigten die Kicker eine spitzenmäßige Fußballerleistung, war der in Mainz gemessene Wert für Stickstoffdioxid (NO2) phasenweise der deutschlandweit höchste. Wir berichteten exklusiv. Die Alarmschwelle von 400 Mikrogramm (µg) pro Kubikmeter (m³) Luft zur Auslösung des Warnsystems und zum Schutz der menschlichen Gesundheit wurde zwar nicht erreicht, aber der sogenannte Grenzwert „1-Stundenmittelwert“ von 200 µg pro m³ wurde um 24% deutlich überschritten. Trotz der neuen Umweltzone von Mainz und Wiesbaden wird auch der Jahresgrenzwert in beiden Städten dauerhaft um rund 40% überschritten.

Der Sommersmog waberte während des gesamten Wochenendes vom 05. August bis zum 07. August über Mainz und Wiesbaden. Unter dem Einfluss starker Sonneneinstrahlung und einem Cocktail aus Kohlenwasserstoffen bildete sich über dem Wiesbaden-Mainzer Becken wieder eine nicht zu übersehende braun-gelbe Dunstwolke. Die Farbe erhielt der Sommersmog vor allem vom sehr giftigen Stickstoffdioxid. Wer sich der Stadt Mainz schon am Freitagabend vom südlichen Rheinhessen näherte, konnte die braune Deckschicht bilderhaft beobachten.

Das Fußballereignis am Sonntag hatte einen zusätzlichen und verstärkenden Anteil an der hohen Gasbelastung, der sich vor allem an einem Messpunkt niederschlug, in dessen Nähe tausende Fußballfans auf den Bus in Richtung Stadion warteten. Die Pressesprecherin des Umweltministeriums von Rheinland-Pfalz, Stefanie Lotz schreibt analogo.de, aufgrund des Fußballspiels habe es eine zusätzlich hohe Busdichte und Stausituation vor dem Bahnhofsvorplatz und bis zum Alicenplatz und zur Saarstraße gegeben. Fußballspiele würden regelmäßig lokal zu erhöhten NO2-Werten in der Parcusstraße führen. Der Grenzwert von 248 µg pro m³ wurde laut Messungen zwischen 14 und 15 Uhr überschritten, also kurz vor dem Fußballspiel. Eine solche Überschreitung sei aber 18mal pro Jahr erlaubt, und die genannte Überschreitung sei die fünfte im laufenden Jahr 2016 gewesen. Die anderen vier Messstationen in Mainz hätten keine Überschreitungen aufgewiesen, so Lotz.

Fußballereignisse in Mainz bedeuten in der Regel ein gut gefülltes Stadion. Tausende Fußballfans fahren mit Bussen vom Hauptbahnhof in Richtung Stadion. Es ist davon auszugehen, dass an den Heimspieltagen des Fußballbundesligaclubs Mainz 05 – also im Zweiwochentakt – die um den Hauptbahnhof versammelten Fans einer erhöhten NO2-Konzentration und damit einem giftigen Gas ausgesetzt sind.

Mainz und Wiesbaden gehören mit der Rhein-Main-Region schon seit über 20 Jahren konstant zu den weltweiten TOP4-Regionen der Stickoxid-Belastung. Die hohe Verkehrsdichte mit hohen Dieselabgasen aus LKWs, Autos und Schiffen, das gute sonnige Wetter der Region und die besondere Kessellage sichern den beiden Städten eine fortwährende Spitzenposition.

Das Landesamt für Umwelt misst im Auftrag der Stadt und des Landes an fixen Messstellen. In Mainz gehört die Parcusstraße genau wie in Wiesbaden der Bereich um die Ringkirche zu den fixen Problemorten. Mobile Messungen von Instituten wie dem Institut für Umweltphysik der Universität Heidelberg zeigen aber, dass auch an anderen Stellen in den Städten weitaus erhöhte Gasemissionen zu verzeichnen sind. Die Universität hebt auch moderne Diesel-Pkws und mehrere Busse hervor, die hohe Emissionen aufweisen. Stickstoffdioxid wird zu rund 65% von Dieselfahrzeugen produziert. Während deutschlandweit die Zahl der Dieselautos steigt, erreichen die Grenzwerte der giftigen Stickoxide immer neue Höhen.

Bundesweit engagiert sich daher die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die Messungen in Auftrag gibt. Jürgen Resch, der Bundesgeschäftsführer der DUH beklagt die andauernde Gesundheitsgefährdung für die Menschen bei ähnlichen Messungen in Stuttgart auf presseportal.de: „Mit unseren Messungen wollen wir zeigen, dass ausgerechnet Krankenhäuser, Schulen und selbst Kindertagesstädten dem Dieselabgasgift NO2 ungeschützt ausgesetzt werden. Seit zehn Jahren verweigern Stadtverwaltung und Landesregierung den Stuttgarter Bürgern das ‚Recht auf saubere Luft‘. Leiden müssen ausgerechnet die besonders empfindlichen Kleinkinder, Schüler und kranke Menschen“. Die Pressesprecherin des Umweltministeriums von Rheinland-Pfalz, Stefanie Lotz schrieb uns derweil, dass die Luftqualität in den Städten insgesamt verbessert werden müsse um die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen.

Die Situation des gut vermessenen Stuttgarts muss man auf Mainz und Wiesbaden übertragen. Auch am letzten Wochenende litten viele Menschen in Mainz an Kopfschmerzen, Schwindelgefühlen und einer Reizung ihrer Atmungsorgane. Jean Krutmann, der Direktor des Leibniz-Instituts für Umweltmedizinische Forschung (IUF) beweist in seiner neuesten Studie, dass Luftverschmutzung durch NO2-Gas und Feinstaub zu einem beschleunigten Alterungsprozess führt. Krutmann misst der Luftverschmutzung für die Hautbelastung sogar denselben Status zu, den man in den letzten 20 bis 30 Jahren der UV-Strahlung beigemessen hat. Denn sein Studienergebnis ist ein Alarmsignal: Seine Studienteilnehmer in Deutschland und China hatten bei nur 10 µg pro m³ mehr NO2 in der Luft 25% mehr Altersflecken (Pigmentflecken) auf den Wangen. Krutmann bringt den Fokus der starken Luftverschmutzung aus Indien und China zurück nach Deutschland. Und Mainz und Wiesbaden stehen im Zentrum des Problems. Im Mainzer Jahresdurchschnitt wird der Grenzwert sogar um 16 µg pro m³ überschritten.

Was sagen dann angesichts von hohen Grenzwerten und gesundheitlichen Symptomen die definierten Grenzwerte aus? Lese über die verschiedenen Grenzwerte in unserem separaten Beitrag: Sommersmog in Mainz und Wiesbaden – Die Grenzwertdiskussion um NO2.

Lese außerdem über die geplanten Maßnahmen der Städte Mainz und Wiesbaden zur Reduktion der NO2-Werte in unserem weiteren Beitrag: NO2 in Mainz und Wiesbaden – Maßnahmenspagat um die richtige Sanktionierung.

In den folgenden Beiträgen kommen zu Wort: Wiesbadens Bürgermeister Arno Gossmann (SPD), die Pressesprecherin des Umweltministeriums von Rheinland-Pfalz, Stefanie Lotz mit weiteren Aussagen und der Pressesprecher der Stadt Mainz, Ralf Peterhanwahr.

Sommersmog zeichnet sich durch eine gelblich-orangene Färbung der Luft aus. Bildrechte: Free-Photos auf Pixabay 1149888_1920