Der Glyphosat-Report von ANA LOGO – 2. Teil

Der Report „Unhappy Meal“ der CEO weist Lobby-Verstrickungen für 122 der 209 EFSA-Experten nach. Nach Bekanntwerden des Reports forderten Die Grünen vor allem eine Änderung der Regeln für die Besetzung des EFSA-Aufsichtsrates. „Wir brauchen ein transparentes nachvollziehbares Besetzungsverfahren für Mitarbeiter der EFSA, welches ihre Unabhängigkeit in Zukunft garantieren kann“, teilte Martin Häusling (MdEP) analogo.de mit. Detlef Bartsch wechselte de facto vom EFSA-GMO-Panel in die EFSA-GMO Environmental Working Group, in der heute sein alter Kollege Achim Gathmann als aktueller Vizechef wirkt. Der Ex-Aachener Gathmann arbeitet mit Bartsch im Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) zusammen und positioniert sich genau wie Bartsch stark PRO Agro-Gentechnik. Der Endverbraucher kann sich also weiterhin auf den Einfluss der „RWTH-Aachen-Connection“ in der EFSA verlassen.

Faktor Braunschweig

Um Lobby-Verstrickungen auf die Schliche zu kommen, richten sich Lobbywächter wie Transparency International oder Corporate Europe Observatory gerne Büros in den Zentralen der Macht wie Berlin oder Brüssel ein. Die zweitgrößte Stadt Niedersachsens, Braunschweig, wäre ein Kandidat für ein solches Lobbywächter-Büro.

Denn in dieser gemächlichen Stadt hat sich eine ungesunde räumliche Nähe zwischen der deutschen Gentech-Behördenlandschaft und der Agro-Gentech-Branche etabliert. Zunächst einmal hat dort das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) seinen Sitz – mit ihrem Leiter der Abteilung 4 Gentechnik, Detlef Bartsch. Interessant ist auch, dass sich die Technische Universität Braunschweig von den größten Pflanzenschutzmittel-Herstellern ihre „Unkraut-Tagungen“ bezahlen lässt.

Hochschulwatch deckte folgende Finanzierungen auf:

BASF, Syngenta, Dupont und die Feinchemie Schwebda als Deutschlandvertrieb des PSM-Konzerns Makhteshim Agan Industries zahlten je €1.500 für die Unkraut-Tagungen 2012 und 2014. Monsanto und der Glyphosat-Multi Nufarm hatten 2014 ebenfalls Interesse dabei zu sein und überwiesen je €1.500.

In Braunschweig sitzt außerdem das Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen (JKI), eine wichtige Einvernehmungsbehörde bei der Zulassung von genetisch veränderten Pflanzen. Prominentes Mitglied ist dort zum Beispiel Joachim Schiemann, das ehemalige EFSA-GMO-Panel-Mitglied und großer Befürworter der Agro-Gentechnik. Schiemann ist FINAB-Gründungsmitglied und firm in der Beschaffung von GVO-Patenten. So hat er persönlich ein Patent auf fluoreszierende Proteine.

Angesichts so viel Expertise verwundert es nicht, dass nebenan das Braunschweiger Integrierte Centrum für Systembiologie (BRICS), das Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, die Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen (DSMZ) der Leibniz-Gemeinschaft und das Bundesforschungsinstitut für ländliche Räume, Wald und Fischerei zu finden sind. Und natürlich ist auch der Schweizer Pestizid-Konzern Syngenta nicht weit:

Die der behördlichen Kompetenz zugehörige Agro-Industrie hält Tuchfühlung. So unterhält die Syngenta Agro GmbH einen Firmensitz im benachbarten Peine. Wenn Braunschweig die offensichtliche Bühne der regulativen Agrar-Macht ist, bedarf es eines intensiveren Blickes auf die niedersächsische Stadt.

Nach einmonatiger Recherche gewinnt man den Eindruck, dass andere Wissenschaftler mit sozialwissenschaftlichem oder ökologisch-biologisch-medizinischem Hintergrund bei der Bewertung von Risiken kaum eine Rolle spielen (sollen). Als sinnbildliches Beispiel verfolge man die Schilderung von Prof. Cynthia Franklin im Wörterbuch des Wörterbuch Glyphosat von ANA LOGO, wie ökonomische Interessen ideologisch gestützt werden.

Doch es gibt fächer-übergreifende Expertisen. Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) und Mitglied des Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE) appellierte an die Unionsfraktion des Deutschen Bundestages in einer Expertise zur „Grünen Gentechnik aus ethischer Sicht“ mit dem Fazit: „Zu den ethischen Aufgabenstellungen zählt auch der Umgang mit der Angst vieler Menschen gegenüber der Grünen Gentechnik. Die oft geschwungene moralische Keule Grüne Gentechnik zur Bekämpfung des Hungers in der Welt hat keine ausreichende Legitimation, um die damit verbundenen Risiken in Kauf zu nehmen.“

Praxis der Risikobewertung in der Kritik

Dr. Markus Salomon vom Deutschen Sachverständigenrat für Umweltfragen sagte analogo.de im Telefon-Interview, man arbeite an einer ersten umfassenden Stellungnahme zu Pestiziden, die im Jahr 2016 veröffentlicht werden soll. Man wünscht sich eine breitere gesellschaftlichere Diskussion, denn aktuell steht die behördliche Neubewertung des Ackergiftes Glyphosat an. Wird der Appell von Alois Glück im Winde verwehen?

Doch gibt es seit der letzten Bewertung eine Menge Studien, die auf der tatsächlichen Ausbringung des Mittels beruhen. Was stellt das Pestizid Glyphosat an Land, im Wasser und in der Atemluft an? Es tötet nicht nur Pflanzen und eine Menge Tiere, sondern es ist offenbar auch für gesundheitliche Schäden von Menschen verantwortlich.

Der BUND fordert daher dringendst eine andere Praxis der Risikobewertung: Die Hersteller sollen den Wirkstoff und die Geldmittel zur Verfügung stellen. Und die Zulassungsbehörden sollen lediglich die Toxizität des Stoffes von einem unabhängigen Institut untersuchen lassen. Denn niemand erwartet, dass die für die Bewertung zuständigen Bundesämter BVL und BfR (Bundesinstitut für Risikobewertung) ihren Fehler der letzten Zulassung revidieren, indem sie das Gift auf den Index setzen. Das käme einem Eingeständnis gleich und würde das Personalkarussell bemühen müssen.

Der in Kriminologie ausgebildete Brite Lord Melchett brachte diese Bedrouille in einem Interview auf den Punkt: Es sei ein wissenschaftlicher Betrug, dass in der Vergangenheit noch keine wissenschaftliche [Red. Langzeit]studie wie die Factor GVO-Studie durchgeführt worden ist.

→ Lese weiter im 3. Teil

In der gemächlichen Stadt Braunschweig hat sich eine ungesunde räumliche Nähe zwischen der deutschen Gentech-Behördenlandschaft und der Agro-Gentech-Branche etabliert. Bildrechte: kampfmonchichi auf Pixabay 4808675_1920

Legende des Wörterbuches Glyphosat von ANA LOGO:

  • GVO (genetisch veränderte Organismen) = GMO (genetically modified organisms)
  • PSM = Pflanzenschutzmittel
  • So ist die Übersicht unterteilt:
  • Erste Sektion: Welche Wissenschaftler an welchen Universitäten und Instituten?
  • Zweite Sektion: Welche Angestellte in welcher öffentlichen Institution?
  • Dritte Sektion: Welche Angestellte in Industrie, NGO und Lobbyismus
  • Alle 3 Sektionen primär nach alphabetischem Ort bzw. Amt/Institution. EU hierarchisch bzgl. Aktionsradius. Sekundär chronologisch. Bundes-Amt steht vor Bundes-Anstalt.
  • Der Übersicht halber gibt es eine Wertung: Grün steht der Einfachheit halber tendenziell FÜR eine biologisch-dynamische Wirtschaftsweise, GEGEN Glyphosat und die Agro-Gentechnik, FÜR eine transparente Gesetzgebung, LIEFERT Studienergebnisse, die eine Gesundheitsgefahr und ökologische Gefahr darstellen. Rot steht mit seinen Aussagen und Aktionen für das Gegenteil.
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